Donnerstag, 17. Juni 2010

What is "Fair Value"?



Aswath Damodaran on Fair Value:

What is the fair value of an asset? Sounds like a simple question but the question has taken on a life of its own, given recent changes in both accounting and legal standards. In both contexts, the rule makers contend that their objective is to ensure that assets are recorded at fair value and have created rules to ensure that this happens.

Let us start with accounting. The push towards fair value accounting has now become an article of faith for accounting standards boards. In the United States, FAS 157 (the very fact that we are at rule number 157 tells you something about how accountants think - the more rules the better) provides a synopsis of what the accounting definition of fair value. I have expressed my skepticism about fair value accounting before on this blog and made my case for why this is not only a good idea




In legal circles, the hypocrisy about fair value is even greater. Appraisers are supposedly unbiased and fair in their estimates in value, no matter who they work for or which side of the legal divide pays them. The Internal Revenue Service has made this requirement explicit in its guidelines for appraisers. All of the valuation appraiser organizations - The National Association of Certified Valuation Analysts (NACVA), American Institute of Certified Public Accountants (AICPA), American Society of Appraisers (ASA), Institute of Business Appraisers (IBA)- argue that their members provide fair, unbiased estimates of the values of businesses.

I have a simple definition (and test) of fair value. If an asset is valued at fair value, the appraiser (or his client) should be indifferent to being either  a buyer or a seller at that value. If you are an appraiser valuing your business for tax purposes, would you really be willing to sell your business at the appraised value? If the answer is yes, you have stayed true the notion of fair value. If the answer is no, the talk about fair value is just talk... If you are the tax authority valuing the same business (for tax purposes), would you be willing to buy the business at the appraised value? If the answer is no, you too are guilty of hypocrisy.

Let's be honest. Asking "biased" appraisers to estimate fair value is a hopeless task; the bias comes from the way appraisers get compensated/ paid.  Either change the way that we hire/pay appraisers or accept that each side's appraisers are going to come up with valuations that reflect which side of the divide they are coming from.

Zur Bewertung von Kundenstämmen


Wir leben in einer Wissensökonomie. In ihr sind es die immateriellen Güter, die für den Wert eines Unternehmens maßgebend sind. Qualitative Merkmale werden durch den Kapitalwertkalkül, auf den sich die am häufigsten benutzten Methoden der Unternehmenswertermittlung stützen, jedoch nicht erfasst.

Noch schwerer wiegt, dass der Kapitalwertkalkül mit den zunehmenden Unvollkommenheiten der Kapitalmärkte nicht mehr Schritt halten kann. Wie kann dieser Mangel überwunden werden? Mit dieser Frage hat man sich im deutschen Wissenschaftsraum bereits in den 1970er Jahren ernsthaft auseinandergesetzt. 

Rüdiger BRETZKE hat sich in seiner Schrift Das Prognoseproblem bei der Unternehmensbewertung (Düsseldorf 1975) auch mit dem Capital - Budgeting - Modell auseinandergesetzt, das eine Unternehmensbewertung  o h n e  Kalkulationszinsfuß erlaubt.

2009 wurde  eine Studie zur Finanzierung immaterieller Vermögenswerte von  Ian Ellis / Athena Alliance veröffentlicht:


Im Kapitel Monetization and Valuation werden folgende Methoden zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte als allgemein akzeptiert genannt:

  • Methode der vergleichbaren Transaktionen,
  • Bewertung durch Reproduktionskosten (Substanzwert),
  • Ertragswert - Methode.
Interessant ist die Unterscheidung zwischen expliziten Werten (objektiviert) und impliziten Werten (subjektiv).

Aktuell haben BISSINGER / DORNAUER / SCHNEEMANN einen ausführlichen Aufsatz 

Intangible Assets - Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen

veröffentlicht, in welchem sie sich mit der Frage nach der Bewertung von Kundenstämmen beschäftigen. Sie weisen darauf hin, dass Kundenbeziehungen unter bestimmten Voraussetzungen als immaterielles Gut deklariert und in der Bilanz ausgewiesen werden können:
Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen

Bei der eigentlichen Bewertung ist zu beachten, dass sich der Wert eines Vermögensgegenstandes aus dem Nutzen ableitet, den der Eigentümer durch diesen erhält. Dieser Nutzen lässt sich mit drei verschiedenen Methoden messen. Zum Einen kann das Einkommen gemessen werden, welches das zu bewertende Objekt zukünftig generieren wird. Zum Anderen können Marktpreise für dieses oder vergleichbare Objekte als Messgröße herangezogen werden oder es können die Kosten bestimmt werden, die zur Erlangung / Herstellung eines vergleichbaren Objektes aufzubringen sind. Die IFRS (wie auch US-GAAP) gehen bei der Bewertung vom Fair-Value-Prinzip aus. Dabei wird der Fair Value als "der Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern unter marktüblichen Bedingungen ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte" definiert. Der Stichtagsbezug nimmt hier eine Schlüsselrolle ein. So ist der Fair Value auf die aktuelle Marktlage sowie die Umstände zum Bewertungsstichtag zu beziehen und soll vergangene oder zukünftige Zeitpunkte nicht widerspiegeln. Die Bestimmung des Fair Value an einem bestimmten Zeitpunkt kann zur Folge haben, dass Betrachtungen zu einem anderen Zeitpunkt, aufgrund von Verschiebungen an den Kapitalmärkten, als unangemessen oder falsch erscheinen.

Es kann bei der Bewertung in Folge dessen zwischen drei verschiedenen Ansätzen unterschieden werden:

  • Market Approach (auch "marktpreisorientiertes Verfahren" genannt)
  • Income Approach (auch "barwertorientiertes Verfahren" genannt)
  • Cost Approach (auch "kostenorientiertes Verfahren" genannt)
Diese Reihenfolge wird von den IFRS vorgegeben. Der Fair Value, also der Preis, der zwischen unabhängigen, vertragswilligen und informierten Marktteilnehmern zustande kommt, stellt den höchsten Grad der Objektivierung dar und basiert somit vornehmlich auf Marktpreisen (Market Approach). Sollte kein aktiver Markt vorhanden sein, stellt der Income Approach den nächstbesten objektiven Ansatz dar, da er ebenfalls auf zukünftige Erfolgswerte abzielt. Der Reproduktions- oder Wiederbeschaffungskostenansatz (Cost Approach) bleibt somit als am wenigsten objektiver Ansatz.

BISSINGER / DORNAUER / SCHNEEMANN stellen in ihrem Aufsatz zwei Fallbeispiele dar, die der praxisnahen Veranschaulichung der zuvor erläuterten Konzepte dienen sollen. 

(Bissinger, Dornauer, Schneemann: Intangible Assets - Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen, in: CORPORATE FINANCE biz 4/2010, S. 240-256).


s. auch:





Freitag, 11. Juni 2010

Die Bank sind wir


Die beste Unternehmensbewertung nützt nichts, wenn die Hausbank des Käufers Kredithürden aufbaut, die er nicht überspringen kann oder will. Gibt es Alternativen?

Den Inhalt seines vor wenigen Tagen publizierten Buches

"Die Bank sind wir"

charakterisiert Lothar LOCHMAIERs Verlag TELEPOLIS wie folgt:

Das Internet spielt eine große Rolle als Katalysator im Sinne einer neuen und nachhaltigen Investmentkultur. 

Was ist mit dieser Charakterisierung gemeint? 

In der Chemie  versteht man unter einem Katalysator einen Stoff, der die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion beeinflusst, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Dies geschieht durch Herabsetzung der Aktivierungsenergie.

Übersetzt man diese chemischen Begriffe in die im Sinne des Buchautors zur Charakterisierung des Inhalts seines Buches möglichen Bezeichnungen, ergeben sich die folgenden Begriffspaare:

  • Katalysator / Investmentkultur,
  • Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion / zeitlicher Ablauf von Bankgeschäften,
  • Herabsetzung der Aktivierungsenergie / Absenkung von Barrieren zur Erlangung von Bankdienstleistungen, beispielsweise Senkung von Kredithürden.

Somit könnte der Verlag folgendes gemeint haben: Das Internet spielt eine große Rolle bei der Gestaltung einer Investmentkultur, die zeitliche Abläufe von Kreditgeschäften verändert und Kredithürden senkt.

Dabei ist der vom Verlag verwendete Begriff der "Investmentkultur" einseitig, weil nicht nur das Verhalten des direkten bzw. indirekten Kreditgebers (Investors),  sondern auch das des Kreditnehmers im Social Banking eine erhebliche Bedeutung hat. Eine weiter gefasste Bezeichnung, wie "Finanzkultur" wäre treffender gewesen.

Außerdem vermindert der Verlag die Bedeutung des Social Banking durch seine Hervorhebung des Internets und somit der bloß technischen Möglichkeiten im Web 2.0. Er fokussiert sich auf Zeitersparnisse und auf vermeintlich unkompliziertere Kreditentscheidungen. Der das Social Banking am besten charakterisierende Hinweis fehlt gänzlich, nämlich der auf Ansätze und Erfahrungen zur Integration sozialer Ziele in das Banking. Im Gegensatz zum Verlag weist der Autor Lothar LOCHMAIER  dagegen bereits im zweiten Kapitel auf die große Bedeutung sozialer Zielsetzungen hin, die nach seinen Ausführungen Motive für die Gründung der ältesten europäischen Bank waren.

Was fungiert als Katalysator und welche Reaktionen erfolgen an ihm? 

Als Katalysator fungiert eine

"neue und nachhaltige Investmentkultur".

Der Leser möchte also nach der Lektüre des Buches wissen, was diese Investmentkultur ist, wodurch sie entsteht und wie sie wirkt. Ebenso erwartet er Erkenntnisse darüber, wie der Prozess der Kreditvergabe "an" dieser neuen Investmentkultur (an diesem Katalysator) wirkt.

Der Autor stand vor der schwierigen Aufgabe, klassische Banken, die in ihrem Selbstverständnis durchaus ethischen bzw. sozialen Grundsätzen folgen können, vom Social Banking abzugrenzen.  So lässt sich der deutliche Hinweis auf das Internet erklären, das in Form sozialer Netzwerke, in die Social Banking eingebettet  wird, vielleicht das einzige Unterscheidungskriterium ist.

Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass LOCHMAIER allzu hohe Erwartungen an sein Buch bremst, wenn er sagt:

Kurzum: Ich wollte das Projekt fallen lassen, weil ich das Thema (noch) nicht wirklich greifen konnte ... Doch allmählich sah ich etwas in vagen Umrissen vor mir: einen pragmatischen Mittelweg zwischen einer Vision rund um Social Banking, an die keiner glaubt, weil sie niemals kommen wird, und einer trockenen, aber weitgehend uninspirierten Analyse, die sich so zäh liest wie jedes beliebig austauschbare Regierungsprogramm.

Der hier vorgelegte Beitrag über "Die Bank sind wir" ist deshalb nicht als Kritik zu verstehen, sondern als "Arbeitspapier", um den von Lothar LOCHMAIER aufgegriffenen Themen weitere Aspekte hinzuzufügen und zu diskutieren.


Was ist "Social Banking" und warum hat es sich entwickelt?


Der Frage "Was ist Social Banking" widmet LOCHMAIER ein ganzes Kapitel (S. 8-25). Seine Antworten reichen vom amerikanischen "Community Reinvestment Act" als der modernen Geburtsstunde des Social Banking bis hin zu einer Beschreibung, wie Bankenwelt und soziale Mediennutzung miteinander verschmelzen. Er blickt auf die Ursprünge der sozialen Bank  zurück, die nur ein Element in einem Netzwerk von Kooperativen darstellte, so dass die Geldgeschäfte in größere soziale Zusammenhänge eingebettet waren. Bei einem  Blick in die Zukunft erkennt LOCHMAIER,

die internetbasierte Generation von Social Banking könnte schließlich das von den Geldinstituten propagierte hierarchische Geschäftsmodell in einem schleichenden Prozess untergraben, weil die direkte Kommunikation zwischen den Nutzern im Mittelpunkt steht. 

Der Vermittler wird zwar durch das Netz nicht gänzlich überflüssig, denn er muss die Interessen zwischen Geldgebern und Geldnehmern oder direkt zwischen Anlegern ausbalancieren. Jedoch rücken Banken als Zwischeninstanz und Intermediäre ins zweite Glied. Virtuell organisierte Interessengemeinschaften (Financial Communities) tangieren die von der Wirklichkeit abgehobenen Finanzmanager außerdem dadurch, dass sie über die Mund-zu-Mund-Propaganda im Netz die Banken in ihrem Geschäftsgebaren fortlaufend kontrollieren. Finanzielle Interessengemeinschaften wären dann in der Lage, ganze Geschäftsmodelle zu torpedieren oder neue hervorzubringen. Die vernetzten Geldakteure könnten aber auch dazu beitragen, einen veränderten Blickwinkel auf "systemrelevante Marktmechanismen" zu erhalten. Die bislang  passiven "Konsumenten" von Bankprodukten könnten den Finanzsektor und die ganze Wertschöpfungskette bis hin zur Produktgestaltung stärker demokratisieren, als sich dies so mancher Spitzenmanager wünscht, indem sie den Innovationsprozess von neuen Produkten auf den Kopf stellen.


Die Frage, warum sich Social Banking entwickelt hat, beantwortet LOCHMAIER nicht. Einen Erklärungsansatz, der hier kurz präsentiert werden soll, liefert der Nobelpreisträger R.H. COASE in seiner 1937 publizierten Abhandlung

The Nature of the Firm.

Rainer LENZ hat in einem im HANDELSBLATT veröffentlichten Essay  "Das Finanzsystem braucht einen Neustart" (bei Handelsblatt.com am 11.08.2009 veröffentlicht) dessen Gedanken aufgegriffen:

Danach lässt sich jede Produktion statt innerhalb eines Unternehmens auch durch eine Vielzahl dezentraler Verträge zwischen Individuen am Markt organisieren. Während die dezentrale Produktion mit hohen Transaktionskosten verbunden ist, liegt der Vorteil einer zentral im Unternehmen organisierten Produktion in niedrigeren Managementkosten standardisierter Geschäftsprozesse. Dieser Vorteil schwindet aber mit Anzahl und Heterogenität der zu organisierenden Geschäftsprozesse stetig und überschreitet mit steigender Komplexität der Prozessorganisation den Zenit, also jenen Punkt, an dem die dezentrale Marktlösung mit einer Vielzahl von Spezialisten wieder einen Effizienzvorteil hat.

Aus den selben Gründen, aus denen sich Social Banking entwickelt hat, ist eBay entstanden. LOCHMAIER erkennt dies:

Etwas plakativ wird dieser Trend als "eBay des Geldes" etikettiert, was allerdings nur bedingt zutrifft. Eine offensichtliche Gemeinsamkeit mit eBay ist der Umstand, dass zahlreiche Manager, die sich als Gründer der neuen Kredit - Plattformen selbständig gemacht haben, zuvor nicht selten für das Internet - Auktionshaus tätig gewesen sind. Auch einige der Prinzipien sind ähnlich:  ... 


LENZ vertritt in seinem HANDELSBLATT - Essay die  Meinung:

Die Banken haben versagt. Sie sollten daher durch eine supranationale Plattform für Finanzdienstleistungen ersetzt werden. Sie würden durch den Einsatz von Informationstechnologie die Transparenz, den Wettbewerb und die Mobilität von Kapital erhöhen.

Einen ergänzenden Ansatz liefert der erst vor wenigen Jahren in die wisschenschaftliche  Diskussion eingeführten Begriff des "Sozialkapitals". Was ist Sozialkapital? Naturgemäß gibt es in der noch andauernden Phase der Begriffsbildung zahlreiche Definitionen. Eine interessante Erklärung bietet Monika JUNGBAUER - GANS:

Nach ihrer Auffassung ist der Begriff "Sozialkapital" sowohl als Merkmal von Individuen bzw. Beziehungen zwischen Individuen wie auch als Merkmal von Kollektiven aufzufassen. In inhaltlicher Sicht ist das Konzept des sozialen Kapitals offen. Es lässt sich deswegen auch auf Social Banking anwenden. Beispielsweise lässt sich sagen, dass die Größe von sozialen Netzwerken positiv mit der Menge an Ressourcen und Unterstützung korreliert. Weitere Gesichtspunkte:

Normative bzw. kulturelle Dimensionen individuellen sozialen Kapitals sind: Vertrauen, generalisiertes Vertrauen und Vertrauen in Institutionen; weiterhin Einstellungen zu ethischen Fragen wie z.B. Toleranz, Kriminalitätsfurcht, gegenseitige Hilfeleistungen, Solidarität, Zusammengehörigkeitsgefühle oder Demokratie. Diese Einstellungen erleichtern die Zusammenarbeit und Kooperation.  Menschen, die sich gemeinschaftsbezogene Einstellungen zu Eigen gemacht haben, sind eher bereit, selbst eine Vorleistung zu erbringen, weil sie darauf vertrauen, dass andere dies honorieren und nicht ausnützen. Sollte dieses Vertrauen nicht enttäuscht werden, trägt eine  kooperative Herangehensweise mittel- und langfristig zur Senkung von Transaktionskosten bei. An dieser Stelle lässt sich die Theorie des Sozialkapitals sogar mit den Gedanken von R.H. COASE verknüpfen und auf das Social Banking beziehen.

Wie Vertrauen entsteht und welchen Einfluss soziale Netzwerke auf rationales Handeln von Individuen haben, sind zentrale mikropolitische Fragestellungen der Theorie des sozialen Kapitals.

Auf der makropolitischen Ebene ist die Einsicht interessant, dass der Verlust an traditioneller Gemeinschaft in modernen Gesellschaften durch soziale Netzwerke kompensiert werden kann und will. Das von LOCHMAIER in seinem Buch bereits auf Seite 1 beklagte Fehlen einer qualifizierten Beratung durch die klassische Bank ist durchaus eine Erscheinungsform des Verlustes von Gemeinschaft. Er schreibt:

Das Geschäft mit dem Privatkunden stellt aus Sicht der Geldinstitute nur einen Randbereich dar. Ungleich größere Gewinne verspricht das Investmentbanking und Agieren in hochdynamischen Kapitalmärkten. Es scheint, dass sich die träge Masse der durchschnittlichen Anleger beliebig auf dem Schachbrett hin und her navigieren lässt. In den Bankfilialen hat sich eine lähmende Stimmung breit gemacht, zwischen dem eigenen Anspruch, kundenfreundlich zu sein, und einer flächendeckend mangelhaften Beratungsqualität. 


Welche Erscheinungsformen hat "Social Banking" ? Ist es sicher?

Wiederum sehr ausführlich werden in dem Buch "Die Bank sind wir" die Erscheinungsformen des Social Banking dargestellt. Die Internet - Kreditportale werden in vier Gruppen eingeteilt:

  1. Kommerzielle Online - Kreditauktionen,
  2. nach sozialen Kriterien gestaltete Mikrofinanz - Plattformen,
  3. Bildungskredite,
  4. Kreditplattformen für unternehmerische Zwecke.

Das Buch richtet sich also nicht nur an Privatkunden, sondern kann auch für diejenigen  interessant sein, die sich beruflich mit Unternehmensfinanzierungen und Unternehmensbewertungen beschäftigen. LOCHMAIER weist darauf hin, dass sich private Investoren bei Seedmatch ab einem Mindestbetrag von 1.000 € an einem Unternehmen beteiligen können. Darüber hinaus beschreibt der Autor das Geschäftsmodell der Noa Bank, die

eine im Bereich der Unternehmensfinanzierung ebenfalls immer größer werdende Marktlücke zu adressieren versucht. ... Das auf zwei Säulen basierende Geschäftsmodell der Noa Bank fußt einerseits darauf, private Anleger mit wettbewerbsfähigen Konditionen bei Girokonto, Tagesgeld und Festzinsanlagen zu gewinnen im Sinne einer transparenten Geldanlage jenseits von Kapitalmarktorientierung und Spekulation. Neben diesen Sparanlagen bildet die zweite Säule die daraus resultierende Kreditvergabe für klein- und mittelständische Unternehmen.

LOCHMAIER hat auch Antworten auf die Frage nach der Sicherheit von Social Banking - Plattformen:

Letztlich geht es doch nicht ganz ohne eine Bank, um die Kreditvergabe sowohl rechtlich als auch betriebswirtschaftlich abzusichern.  ...

Geld verdient etwa das britische Unternehmen Zopa, weil Bonitätsprüfung, Kreditvermittlung und Abwicklung im Gegensatz zu herkömmlichen Kreditinstituten voll automatisiert sind und ausschließlich über das Internet erfolgen. Den Kreditgebern verspricht Zopa eine durchschnittliche Rendite von 6,5 Prozent auf ihre Einlage. Der Marktmechanismus funktioniert so, dass der Betreiber das eigene Terrain durch eine sorgfältige Überprüfung der Kreditwürdigkeit gegen ein allzu hhes Ausfallrisiko absichert. Allerdings verbleibt das Risiko letzten Endes immer komplett beim Anleger.


Wie wirkt "Social Banking"?

Dabei geht es um eine Antwort auf die Frage, wie Social Banking an dem Katalysator "neue und nachhaltige Investmentkultur" wirkt. "Die Bank sind wir" geht im 4. Kapitel auf einen Teilaspekt dieses Problems, nämlich auf eine Optimierung der Geldanlage ein. Demnach erzeugt Social Banking einfache Werkzeuge, die für Überblick sorgen:

Das Ziel dieser Werkzeuge besteht einerseits darin, unnötige Kosten für Kreditkarten und Bankgebühren zu reduzieren, um dadurch mehr Selbstkontrolle über das eigene Finanzverhalten zu gewinnen, aber manche Plattformen gehen einen Schritt weiter:  ...

LOCHMAIER thematisiert in diesem Zusammenhang außerdem die Phänomene "kollektive Anlegerintelligenz" und "Herdentrieb".

Schließlich weist der Autor darauf hin, dass

die klassischen Marktreviere von Investmentbanken ins Wanken geraten. 


Wer ist die Bank?

Auf diese Frage, die sich durch den Titel des Buches aufdrängt,  geht Lothar LOCHMAIER ein, indem er die Nutzer der einzelnen Plattformen beschreibt. Mehr als eine Momentaufnahme ist dabei aber naturgemäß nicht heraus gekommen; eine derartige Antwort geht am Thema des Buches vorbei, denn das Thema suggeriert, dass "wir" die soziale Bank sind. Dieses Verständnis von einer sozialen Bank führt vielmehr dazu, soziale Banken nicht als Institutionen, sondern als Systeme aufzufassen. Es geht somit darum, zu erkennen, "wer" so ein System der sozialen Bank bildet und was "systemisches Denken" bedeutet.

Unter "systemisch" kann in diesem Zusammenhang verstanden werden, dass strukturarme mono-kausale durch zirkuläre Erklärungen ersetzt werden, und statt islolierter Objekte werden in einem System die Relationen zwischen ihnen betrachtet. Aus diesen anders strukturierten Erklärungen von Phänomenen können alternative und manchmal auch überraschende Handlungskonsequenzen gezogen werden. Im Grunde geht es somit um die Fragestellung nach der Steuerung von Verhalten innerhalb eines Systems des Social Banking.

In der Systemtheorie wird Wirtschaft als ein Kommunikationssystem begriffen. Und die Teilnehmer an dieser Kommunikation (Individuen wie Organisationen oder auch der Staat) werden als Beobachter konzeptualisiert, die jeweils sehr unterschiedlich beschreiben, erklären und bewerten können, was sie beobachten oder auch nicht beobachten. Kein Beobachter kann für sich beanspruchen, einen Zugang zur "objektiven Wahrheit" zu haben.


Welche Bedeutung kann "Social Banking" in der Zukunft erlangen?

LOCHMAIERs Zukunftsvision lautet:

Common Banker als seriöse Verwalter von Gemeinschaftsgütern.
Deshalb sind transparente Austauschbedingungen und faire Entlohnungssysteme ein unverzichtbarer Bestandteil für den Erfolg von Social Banking, soll das bislang starre hierarchische Finanzsystem sich auch nur ansatzweise mithilfe des Internets demokratisieren lassen, sodass Geld als gesellschaftliches Gemeingut nicht nur in die Hände einiger weniger exklusiver Spieler gelangt.


Fazit:

Das Buch "Die Bank sind wir" beantwortet wichtige Fragen zum Thema Social Banking. Es umfasst sechs Kapitel und einen Anhang:

  1. Wozu Banken da sind - und was sie nicht gerne tun.
  2. Was ist Social Banking?
  3. Online-Kreditauktionen: Kunden gestalten Darlehensvergabe.
  4. Wie finanzielle Netzwerke die Geldanlage optimieren.
  5. Die Nutzer der einzelnen Plattformen.
  6. Finanzdemokratie 2.0 zwischen Mythos und Realität.
  7. Anhang: The Banking Wall.

Lothar Lochmaier ist dafür zu danken, dass er das zunehmend an Bedeutung gewinnende "Social Banking" aufgegriffen hat. Er beschreibt Social Banking mit einer gewissen inneren Distanz, sein Buch enthält keine Werbebotschaften. Diese kritische Haltung schafft Glaubwürdigkeit.

In künftigen Auflagen sollte das Buch um eine theoretische Einordnung des Social Banking ergänzt werden, um Anknüpfungspunkte für weiterführende Überlegungen zu haben. Für genauere Überlegungen zur Wirkung von Social Banking kann es außerdem fruchtbar sein, Social Banking als "systemisch" im Sinne der Systemtheorie aufzufassen.



(Lochmaier, Lothar: Die Bank sind wir, TELEPOLIS, Hannover 2010)


















Die Rufe der Kassandra wollen nicht verstummen



Die Rufe der Kassandra kommen aus den USA und es fällt immer schwerer, eine Antwort auf die Frage nach dem warum schuldig zu bleiben. Die Vermutung, dass amerikanische Interessengruppen auf eine Parität zwischen EUR und USD hinwirken, liegt nahe. Ein weiterer Grund kann darin gesehen werden, dass man den USD in seiner Funktion als Reservewährung gefährdet sieht; der EUR hatte zuletzt erheblich an Bedeutung gewonnen. 








Hier sind die aktuellen Kassandra - Rufe:

Wer hat Europa verloren?


Dani Rodrik:




 
Dani Rodrik, Professor für  Political Economy an der Harvard University’s John F. Kennedy School of Government



CAMBRIDGE – Der Finanzkollaps in Europa ist abgewendet worden – vorerst. Die Zukunft der Europäischen Union und das Schicksal der Eurozone sind jedoch nach wie vor in der Schwebe. Wenn Europa keinen Weg findet die Wirtschaft des Kontinentes bald zu reaktivieren, wird es über Jahre zu gedrückter Stimmung und gegenseitigen Schuldzuweisungen verdammt sein, „wer das europäische Projekt sabotiert hat“. 

Europa hat 2009 einen schlimmeren Zusammenbruch erlitten als die Vereinigten Staaten und die europäische Wirtschaft steht vor einer wesentlich schleppenderen Erholung – wenn man es so nennen kann. Für dieses Jahr erwartet der Internationale Währungsfonds ein Wachstum von nur 1% für die Eurozone und im Jahr 2011 rechnet er mit 1,5%, verglichen mit 3,1 und 2,6% für die USA. Sogar Japan, das sich seit den Neunzigerjahren in einer tiefen Krise befindet, wird ein schnelleres Wachstum prognostiziert als Europa. 


Copyright: Project Syndicate 2010
Aus dem Englischen von Sandra Pontow
 
 
 
Die Zukunft Europas
 
Joseph S. Nye:
 
 
Joseph S. Nye, Jr., Professor an der Harvard University
 
 
CAMBRIDGE, MASS.: In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zerriss sich Europa in zwei Kriegen selbst und zerstörte seine zentrale Rolle in der Weltpolitik. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sahen weit blickende Führer über die Rache hinaus und errichteten allmählich die Institutionen der europäischen Integration. Dass Frankreich und Deutschland einander erneut bekämpfen könnten, erscheint unvorstellbar, und die Entwicklung der Europäischen Union hat Europas Attraktivität und Soft Power in der Welt enorm gestärkt. Unglücklicherweise wird diese historische Leistung derzeit in Frage gestellt.

Im Mai 2010 verloren die Finanzmärkte das Vertrauen in die Fähigkeit Griechenlands, sein Haushaltsdefizit zu bewältigen und seine Schulden zurückzuzahlen. Die Furcht vor einem Zahlungsausfall begann, andere Länder in Mitleidenschaft zu ziehen – von den 16 Mitgliedsstaaten der Eurozone etwa Portugal und Spanien. Als Reaktion vereinbarten die europäischen Regierungen, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds, um die Finanzstürme zu beruhigen, ein Rettungsprogramm für die Eurozone im Umfang von € 700 Milliarden.
 
 
 
Copyright: Project Syndicate 2010
Aus dem Englischen von Jan Doolan
 

Das aktuelle Buch des Börsenkolumnisten Bernd Niquet
 
 
hebt sich von diesen Kassandra - Rufen ab; es ist der Erfahrungsbericht eines von den Auswirkungen der Finanzkrise betroffenen Anlegers. Auf dieses Buch hat Blick Log hingewiesen.













Montag, 7. Juni 2010

Lebensdauer von Unternehmen und ewige Rente


Die Berechnung des Restwerts eines Unternehmens mithilfe der Formel der "ewigen Rente" sorgt für Diskussionen. Es lässt sich zeigen, dass die darin implizierte angenommene Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens unrealistisch lang ist; siehe 

Ewig Ärger mit ewiger Rente in der Unternehmensbewertung.

Sebastian LOBE hat sich in einer aktuellen Arbeit mit dieser Problematik befasst. Er geht davon aus, dass die mit der "ewigen Rente" verbundene Vorgehensweise unbestritten nationaler wie internationaler Standard ist.
 
 
 Sebastian Lobe, akademischer Oberrat am Center of Finance und Lehrstuhl für Finanzdienstleistungen, Universität Regensburg

 
LOBE stellt dar, dass dass der Ansatz der ewigen Rente dann ökonomisch gut begründet ist, wenn angenommen werden kann, dass der Wert der Verfügungsrechte am Ende der Firmenlebensdauer deutlich über null anzusiedeln ist. Seines Erachtens ist es für den Fall der Insolvenz in der Tat sinnvoll zu unterstellen, dass an die Eigentümer keine Zahlungen mehr geleistet werden. Die Bedeutung der Insolvenz relativiert er aber wie folgt:

"Empirische Belege in einem globalen Kontext sprechen jedoch klar dafür, dass der Fall der Insolvenz mit einer Quote von unter 2 % p.a. keineswegs als Regelfall anzusehen ist."

Damit sei die Annahme der ewigen Rente auch empirisch begründbar. 

Für den Fall der Insolvenz bezieht LOBE sich auf Daten nach CLAESSENS / KLAPPER (American Law and Economics Review 2005, S. 262), wonach die Anzahl der jahresdurchschnittlichen Insolvenzen zum jahresdurchschnittlichen Bestand an Unternehmen ins Verhältnis gesetzt wird. 

Dieser sehr grobe empirische Beleg lässt zwei wichtige Argumente außer acht:

  1. Zum Bewertungsstichtag werden im Grunde die relativen Wettbewerbsvorteile des Unternehmens bewertet. Erfahrungsgemäß fällt das Unternehmen jedoch innerhalb weniger Jahre aus diesem Geschäftsmodell heraus, wodurch die zum Bewertungsstichtag getroffenen Annahmen hinfällig werden.

  2. Empirische Untersuchungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), Bonn, haben ergeben, dass Familienunternehmen - mehr als 90 % der in Deutschland tätigen Unternehmen fallen in diese Kategorie - eine Lebensdauer von durchschnittlich 24 Jahren haben.
 
LOBE ist sich dieser Problematik wohl stillschweigend bewusst, wenn er konstatiert,
 
dass der Methodenbaukasten für die Bestimmung des Endwerts in der Unternehmensbewertung wesentlich mehr zu bieten hat als der einer unbegrenzt geometrisch wachsenden Annuität.

(Lobe, Sebastian: Lebensdauer von Firmen und ewige Rente: Ein Widerspruch?, in: CORPORATE FINANCE biz 3/2010, S. 179-182)



 

Freitag, 4. Juni 2010

Flucht in die Qualität



J. Bradford deLong:

BERKELEY – Ende Mai lag die Endfälligkeitsrendite 30-jähriger US-Treasury Bonds bei 4,07 Prozent – also einen halben Prozentpunkt niedriger als zu Beginn des Monats. Das heißt, dass der Preis für 30-jährige Treasury Bonds um über 15 Prozent gestiegen ist. Ein Grenzinvestor war also am Ende des Monats bereit, über 15 Prozent mehr Geld und über 30 Prozent mehr Anteilspapiere für Treasury Bonds zu bezahlen als zu Beginn des Monats. Das signalisiert eine bemerkenswerte Veränderung der relativen Nachfrage nach hochwertigen und liquiden Finanzanlagen – nämlich einen außergewöhnlichen Anstieg der Überschussnachfrage auf dem Markt nach derartigen Anlagen.  

Warum ist das nun von Belang? Weil der Überschussnachfrage nach Geld (oder nach anderen hochwertigen und liquiden Anlagen) ein Überschussangebot von allem anderen gegenübersteht, wie der Ökonom John Stuart Mill in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts feststellte. Was Ökonomen drei Generationen später als das Walras-Gesetz bezeichneten, ist das Prinzip, dass jeder Markt, auf dem Menschen planen, mehr zu kaufen als erhältlich ist, durch einen Markt oder mehrere Märkte aufgewogen werden muss, wo die Menschen planen, weniger zu kaufen.



Copyright: Project Syndicate 2010
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier