Unter dem Begriff Investitionsrechnung werden von der Investitionstheorie entwickelte Rechenverfahren zusammengefasst, die eine rationale und reproduzierbare Beurteilung von Investitionsvorhaben ermöglichen. Die Zukunftserfolgswertverfahren, wie das investitionstheoretisch fundierte Ertragswertverfahren und das finanzierungstheoretisch begründete Discounted Cash Flow - Verfahren beruhen auf der gleichen konzeptionellen Grundlage, nämlich der Ermittlung des Barwertes zukünftiger finanzieller Überschüsse. Diese Kapitalwertmethode zählt als dynamisches Verfahren neben der Methode des internen ZInsfusses und der Annuitätenmethode zu den klassischen Barwertmethoden zur Berechnung der Vorteilhaftigkeit von Einzelinvestitionen bei Sicherheit. Dynamische Investitionsrechnungen fassen Größen mehrerer Perioden in sich zusammen, es sind Mehrperiodenmodelle.
Investitionsentscheidungen, wie der Kauf von Unternehmen, werden nach verschiedenartige Entscheidungskriterien getroffen, die ihrem Charakter nach in wirtschaftliche, soziale, ökologische, ethische und psychologische Kriterien gegliedert werden können. Die Investitionsrechnung berücksichtigt lediglich wirtschaftliche Größen bzw. die finanziellen Auswirkungen der anderen Einflussfaktoren.
Für die Unternehmensbewertung gilt stets das Prinzip des Alternativenvergleichs, wonach die, durch das Investitionsvorhaben verdrängte, beste Handlungsmöglichkeit den Wert eines Unternehmens bestimmt. Beim Alternativenvergleich orientiert sich die Unternehmensbewertung grundsätzlich an Zahlungsströmen. Dagegen sind Erfolgsgrößen aus der Gewinn- und Verlustrechnung, wie der Jahresüberschuss, grundsätzlich nicht als Zählergrößen eines Kapitalwertkalküls geeignet. Erfolgsgrößen zeigen nicht die konkrete Verwendung des erzielten Überschusses, wie Ausschüttung oder Reinvestition. Wird jedoch von den jeweiligen Periodengewinnen die Verzinsung der thesaurierten Gewinnanteile abgezogen und anschließend der Kapitalwert dieser Netto – Größen gebildet, dann entspricht dieser diskontierte Wert dem Kapitalwert der korrespondierenden Zahlungsströme. Dieser Zusammenhang ist als Preinreich / Lücke – Theorem bekannt. Allerdings gilt dieses Lücke – Theorem nur unter der Voraussetzung des so genannten Kongruenzprinzips, d.h. der Bedingung, dass ab dem Bezugszeitpunkt die Summe der Periodeneinzahlungsüberschüsse gleich der Summe der Periodengewinne sein muss. Die Bedingung ist genau dann gewahrt, wenn jede Eigenkapitaländerung, die nicht durch Einlagen oder Ausschüttungen induziert ist, zu einer korrespondierenden Änderung des Jahresüberschusses führt, und umgekehrt.
So genannte Residualgewinnmodelle haben als Bewertungskalküle eine gewisse Attraktivität, weil bei Gültigkeit des Kongruenzprinzips eine Unternehmensbewertung auf der Grundlage einer Trendprognose der Entwicklung von Jahresüberschüssen und Eigenkapital möglich ist. Das bedeutendste dieser Konzepte ist unter dem Namen Economic Value Added (EVA) bekannt. EVA repräsentiert die nachhaltige Wertschöpfung einer Periode, die über die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals hinaus erwirtschaftet wurde.
Bislang nicht durchgesetzt haben sich dagegen komplexere Kalküle, die den Grenzpreis aus einer Programmplanung abzuleiten versuchen, in der das Entscheidungsfeld des Investors umfassender abgebildet wird. Diese Diskussion um die Programmplanung ist in jüngerer Zeit von HERING mit seiner Konzeption eines allgemeinen Zustands – Grenzpreismodells (ZGPM) wiederbelebt worden. Das ZGPM ist der gedankliche Ausgangspunkt einer einheitlichen finanzwirtschaftlichen Bewertungstheorie, von dem aus durch nähere Spezifikation sowohl die Investitions- als auch die Finanzierungstheorie abgeleitet und mit Hilfe immer speziellerer Annahmen die aus der Literatur bekannten Modelle entwickelt werden können (Hering, Thomas: Unternehmensbewertung, 2. Auflage, München 2006, S. 248). Es ist geeignet, die investitions- und finanzierungstheoretischen Bewertungsansätze zu einer einheitlichen Theorie zusammenzuführen und einer ausufernden „Methoden“ – Vielfalt entgegenzuwirken. Wenn man das ZGPM als mathematisches Grundmodell auffasst, eröffnet es darüber hinaus die Möglichkeit, eine vereinheitlichte Investitions- und Finanzierungstheorie zu begründen.
Kapitalwert
Der Kapitalwert ist in der Regel die Summe aller auf den zeitlichen Bezugspunkt t0 ( = zeitlich unmittelbar vor der Anfangsauszahlung) mit dem Kalkulationszinsfuss abgezinsten Einnahmeüberschüsse (ohne Zinszahlungen), die nach dem Zeitpunkt t (Anfangsauszahlung) am jeweiligen Periodenende entstehen. Der Kapitalwert repräsentiert die gesamte Zahlungsreihe durch einen Betrag. Der Kapitalwert ist mithin das Äquivalent für die Zahlungsreihe einer Investition, das der Investor genauso hoch einschätzt wie die Zahlungsreihe. Welcher Zeitpunkt als Bezugspunkt gewählt wird, ist für den Vorteilsvergleich unerheblich, sofern nur für die zu vergleichenden Investitionen ein einheitlicher Bezugspunkt gewählt wird. In Theorie und Praxis legt man meistens eine nachschüssige Verzinsung zugrunde:
(1) Variable Einzahlungsüberschüsse
mit
C = Kapitalwert
A = Anfangsauszahlung
EÜ = Einzahlungsüberschuss
q = (1 + i), i = Kalkulationszinsfuss
RW = Restwert
(2) Konstante Einzahlungsüberschüsse
Beurteilt man isoliert eine einzige Investition, so ist Rentabilität gegeben, wenn der Kapitalwert bei einem gegebenen Kalkulationszinsfuss positiv ist. Bei der Bewertung von mehreren sich gegenseitig ausschließenden Investitionsvorhaben zeigt der höchste positive Kapitalwert die rechnerisch vorteilhafteste Investition an, sofern die der Methode innewohnende Prämisse über die so genannte Ergänzungsinvestition (Wiederanlage) der Wirklichkeit entspricht oder wenigstens nahe kommt. Führt man diese Ergänzungsinvestition nicht ausdrücklich in den Kalkül ein, werden implizit trotzdem folgende „versteckte“ Ergänzungsinvestition wirksam: Soweit im Kalkulationszeitpunkt keine Pläne über die Verwendung der im Bezugszeitpunkt t0 nicht benötigten Investitionsmittel und der künftigen Einzahlungsüberschüsse bestehen, wird für die Anwendung der einfachen Kapitalwertmethode unterstellt, dass der Kapitalwert der Ergänzungsinvestition Null ist.
Die Kapitalwertmethode unterstellt demnach eine Anlagemöglichkeit zum Kalkulationszinsfuss. Diese Wiederanlageprämisse ist sinnvoll, wenn der Kalkulationszinsfuss nach der erwarteten Rendite von Alternativanlagen bemessen wird und anzunehmen ist, dass er sich in Zukunft nicht ändern wird. Somit hat die Wiederanlageinvestition mit ihrem Kapitalwert von Null keinen Einfluss auf den Kapitalwert der ursprünglichen Investition.
Mit der Prämisse, dass die Einzahlungsüberschüsse zum Kalkulationszinsfuss angelegt werden, wird derselbe Zinsfuss für die Ermittlung des Zinsertrages und für die Abzinsung benutzt. Das ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass der Kapitalwert einer Investition Null ist. Der Kapitalwert von Wiederanlageinvestitionen ist damit auch dann Null, wenn die Ergänzungsinvestition zu einem anderen als dem Kalkulationszinsfuss angelegt und die Zinseinnahmen mit diesem Zinssatz auch abgezinst werden. Die Abweichung vom Kalkulationszinsfuss kann auf unterschiedlichen Risikoeinschätzungen der Ursprungs- und der Ergänzungsinvestition beruhen. Der Kapitalwert der Ergänzungsinvestition ist jedoch ungleich Null, wenn das Geld zu einem anderen als dem für die Abzinsung benutzten Zinsfuss angelegt wird.
Die Höhe des Kalkulationszinsfusses ergibt sich aus einem Vergleich des Investitionsvorhabens mit einer Alternativanlage, wobei sich deren Vergleichbarkeit an der Einhaltung von Äquivalenzprinzipien misst: Die Fristigkeit muss kongruent sein (Laufzeitäquivalenz). Falls der Investor selbst im zu bewertenden Unternehmen tätig wird, ist bei der Bewertung Arbeitseinsatzäquivalenz herzustellen; das bedeutet, dass entweder von den Einzahlungsüberschüssen im Zähler des Kapitalwertkalküls ein Unternehmerlohn abzuziehen ist, oder die höhere Rückflusserwartung des seine Arbeitskraft investierenden Unternehmers wird als Zuschlag zum Kapitalisierungszinssatz im Nenner berücksichtigt. Weiterhin muss der Liquiditätsgrad beider Anlagen kongruent sein (Verfügbarkeitsäquivalenz). Verfügbarkeitsabschläge für nicht börsennotierte Unternehmen sind leider nicht beobachtbar; es können also keine empirischen Daten gewonnen werden. Näherungsweise ermittelt beispielsweise DAMODARAN anhand einer Regressionsstudie auf der Grundlage von Abschlägen für an amerikanischen Börsen notierten restricted stocks Abschläge von bis zu 35 %. Ein wichtiger Sonderfall der Verfügbarkeitsäquivalenz ist die Besteuerungsäquivalenz. Das bedeutet, Zähler- und Nennergröße des Kapitalwertkalküls müssen auf der gleichen Ebene der Besteuerung angesiedelt sein (z.B. vor / nach Einkommensteuer). Aus Gründen der Homogenität enthalten Zähler und Nenner entweder nur reale oder nur nominale Größen (Kaufkraftäquivalenz). Schließlich soll die Alternativanlage das gleiche Risiko aufweisen wie die zu bewertenden Zahlungsströme (Risikoäquivalenz).
Besteht bei den zu vergleichenden Alternativen keine Äquivalenz bezüglich Kapitaleinsatz und Berechnungszeitraum, so ist eine Vergleichbarkeit durch Berücksichtigung von Differenzinvestitionen herzustellen. Differenzinvestitionen sind zusätzliche, in die Berechnung aufgenommene, fiktive Zahlungsströme, um eine einheitliche Laufzeit für Investitionsvorhaben und Alternativanlage herzustellen.
Die Annuitätenmethode ist eine Variante der Kapitalwertmethode. Der Kapitalwert wird umgewandelt in eine Reihe gleich hoher Zahlungen (Annuitäten). Im Vergleich zur Kapitalwertmethode bietet die Annuitätenmethode keine zusätzlichen Erkenntnisse bei erhöhter Gefahr der Fehlinterpretation. Ihre praktische Bedeutung ist sehr gering, während die Kapitalwertmethode weit verbreitet ist.
Prämissen der einfachen Kapitalwertmethode
Die Höhe der pro Periode erwarteten Einzahlungsüberschüsse und der Planungshorizont werden als sichere Größen angenommen.
Die Finanzierung des Investitionsvorhabens ist nicht explizit im Kalkül enthalten, sondern wird nur implizit durch den Kalkulationszinsfuss berücksichtigt.
Es besteht ein vollkommener Kapitalmarkt, auf welchem nur ein einziger, von der Laufzeit unabhängiger, Zinssatz für Kapitalaufnahmen sowie für Kapitalanlagen existiert. Damit wird unter anderem unterstellt, der Investor habe eine einwandfreie Bonität und ihm stünden unbeschränkte Finanzierungsmittel zu einem nicht – risikoadjustierten Zinssatz zur Verfügung.
Der Kalkulationszinsfuss ist im Zeitablauf konstant, die Zinsstrukturkurve verläuft also horizontal zur Zeit – Achse eines Zinsstruktur – Diagramms.
Diese Prämissen entsprechen nicht der Realität, sie sind die Voraussetzungen für die Gültigkeit „idealer“ Lösungen. Sofern hiervon abgewichen wird, ist die Allgemeingültigkeit der Aussagekraft des Kapitalwertes nicht mehr gesichert. Dies ist bei der ökonomischen Interpretation der Rechenergebnisse zu beachten.
Kapitalwertfunktion
Bei einem Kalkulationszinsfuss von 0 % ist der Kapitalwert gleich der Summe aller – ex definitione nicht diskontierten – zukünftigen Einzahlungsüberschüsse. Mit steigendem Zinsfuss i schneidet C0 (i) gewöhnlich die i- Achse des Diagramms. Diesen Schnittpunkt, bei dem C0 = 0 ist, bezeichnet man als internen Zinsfuss. Der interne Zinsfuss ist in Theorie und Praxis von solcher Bedeutung, dass er zu einem speziellen Auswahlkriterium der Vorteilhaftigkeit von Investitionen wurde.
Kriterium der Vorteilhaftigkeit
Das Kriterium der Akzeptanz einer Investition im Sinne von Vorteilhaftigkeit gegenüber der alternativen Anlage des Geldes zum Kalkulationszinsfuss lautet
C0 > 0 (3)
und im Sinne der Indifferenz
C0 = 0 (4)
und zusammengefasst
Nach der Kapitalwertmethode wird also ein Investitionsvorhaben mit der besten alternativen Geldanlage zum Kalkulationszinsfuss i verglichen. Die Investition lohnt sich, wenn sie nicht schlechter ist als die alternative Geldanlage.
Stehen – außer der Anlage zum Kalkulationszinsfuss i – mehrere alternative Investitionsvorhaben zur Verfügung, die isoliert betrachtet alle akzeptabel sind, d.h.
gilt, wird die Investition mit dem höchsten Kapitalwert bei gegebenem i gewählt.
Im Kapitalwertkalkül wird Kapitalwertmaximierung angestrebt.
Gelten weitere plausible Annahmen über die Zeitpräferenz der Investoren, lässt sich mit Hilfe des Kapitalwertes ein allgemein gültiges mikroökonomisches Entscheidungsprinzip begründen. Es handelt sich dabei um die Fisher – Separation. Unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes, sicherer Erwartungen und zeitlich – substitutionaler Konsumstrukturen führt eine Kapitalwertrechnung stets zur richtigen Investitionsentscheidung. Der Kapitalwert zeigt dem Investor dann das in Geldbeträgen gemessene gegenwärtige Nutzenpotenzial von Investitionsprojekten. Die Investitionsentscheidung lässt sich von der Entscheidung über die zeitpräferenzgeleitete Verteilung der für den Konsum zur Verfügung stehenden Geldmittel separieren.
Die Veränderung des Kalkulationszinsfusses kann die Rangfolge der Kapitalwerte alternativer Investitionen verschieben. Mit steigendem Kalkulationszinsfuss wirken sich die weiter in der Zukunft liegenden Einzahlungsüberschüsse schwächer und die nahe am Bezugszeitpunkt liegenden Zahlungen, wie die Anfangsauszahlung, stärker auf den Kapitalwert aus. Die Anzahl der zur Auswahl stehenden Investitionsvorhaben sinkt, wenn mit wachsendem i die C0 einzelner Investitionen negativ werden.
Gewöhnlich versteht man den Kalkulationszinsfuss als die Renditeforderung des Investors, die sich nach seinen alternativen Anlagemöglichkeiten richtet. In diesem Sinne ist der Kalkulationszinsfuss ein Opportunitätskostensatz.
Berücksichtigung der Finanzierung
Der Kapitalwert fremdfinanzierter Unternehmen kann grundsätzlich nach der Netto- oder nach der Bruttomethode bestimmt werden. Beide Verfahren führen bei strenger Beachtung spezifischer Anwendungsvoraussetzungen zum selben Ergebnis. Da sowohl die Netto- als auch die Bruttomethode in der Unternehmensbewertung eingesetzt werden, ist es wichtig, diesen Zusammenhang herauszuarbeiten.
a) Nettokapitalisierung
Den einfacheren, auch unmittelbar plausibleren Weg, den Kapitalwert zu berechnen, beschreibt die Nettomethode. Sie ermittelt den Ausschüttungsstrom eines Projektes nach Abzug sämtlicher erwarteter Zahlungen an Fremdkapitalgeber (Netto Cash – Flow) und zinst ihn in Höhe der Renditeforderung der Unternehmenseigner ab. Dabei erhöhen aufgenommene Kredite die Zahlungsüberschüsse und Tilgungszahlungen mindern die ausschüttbaren Beträge. Das charakteristische Kennzeichen der Nettomethode ist die ausschließliche Betrachtung der Zahlungsströme an die Unternehmenseigner. Im Zähler des Kapitalwertkalküls stehen die um geplante Zahlungen an die Fremdkapitalgeber gekürzten Einzahlungsüberschüsse, im Nenner der Kapitalisierungszinssatz in Höhe der Renditeforderung der Unternehmenseigner. Wenn sich dieser Kapitalisierungszinssatz ausschließlich nach der Verzinsung einer äquivalenten Alternativanlage bemisst, ist der Ansatz der Nettokapitalisierung mit dem investitionstheoretisch fundierten Ertragswertverfahren identisch.
b) Bruttokapitalisierung
Die Bruttomethode erfasst im Zähler der Kapitalwertformel nur die Einzahlungsüberschüsse, die sich bei einer fiktiven vollständigen Eigenfinanzierung des Investitionsprojektes ergeben hätten (Brutto Cash – Flows). Sämtliche mit der Kreditvereinbarung verbundenen Zahlungen schlagen sich in dem im Nenner stehenden Kalkulationszinssatz nieder. Der Kalkulationszins hat damit eine doppelte Funktion zu erfüllen: Zum einen muss er die Renditeforderung der Unternehmenseigner und zum anderen die Zinsforderungen der Fremdkapitalgeber widerspiegeln. In der Bewertungspraxis wird er deshalb als gewichteter Kapitalkostensatz festgelegt. Die Gewichtung von Eigenkapital- und Fremdkapitalaufwand richtet sich nach den Anteilen der jeweils eingesetzten Finanzierungsart am Bruttokapitalwert (= Barwert Eigenkapital + Barwert Fremdkapital).
Im Rahmen des Kapitalwertkalküls ist streng zu beachten, dass die Einhaltung dieser Voraussetzung nicht an Buchwerten, sondern an Barwerten gemessen werden muss. Es gilt eine im Zeitablauf konstante Zielkapitalstruktur bei der Investitionsplanung zu berücksichtigen und zwar auf der Basis des Verhältnisses der Barwerte der Eigen- und Fremdkapitalgeber. Der Gegenwartswert der Brutto Cash – Flows abzüglich der Investition (Anfangsauszahlung) ergibt einen Bruttokapitalwert (Unternehmensgesamtwert), an dem sich die konkrete Zielkapitalstruktur ausrichtet.
Dieses Rechenverfahren stößt dabei auf das Problem der Zirkularität: Die Berechnung des gewichteten Kapitalkostensatzes setzt die Kenntnis des Bruttokapitalwertes des Unternehmens (Unternehmensgesamtwert) voraus und umgekehrt. Rechentechnisch kann das Zirkularitätsproblem durch das Näherungsverfahren der Iteration bewältigt werden.
Entscheidungen mit Hilfe der Kapitalwertmethode ermöglichen auch die explizite Berücksichtigung der Kreditfinanzierung von Investitionsvorhaben. Bei Unternehmenskäufen ist dies erfahrungsgemäß regelmäßig der Fall. Ein für die Finanzierung eines Investitionsvorhabens erforderlicher Kreditbetrag sowie seine Verzinsung und Tilgung werden dem entsprechenden Investitionsobjekt für die Dauer der Inanspruchnahme zugeordnet und in den Investitionskalkül einbezogen. Für den Kredit wird – analog zur Investition – eine Zahlungsreihe gebildet. Sie besteht aus Kreditaufnahme, Zinszahlungen und Tilgungen. Der Kalkulationszinssatz i wird unabhängig vom Zinssatz für Fremdkapital iFK gewählt. Der Kreditzins wird durch den Kapitalmarkt vorgegeben. Würde der Kalkulationszinssatz i im Sinne eines Opportunitätskostensatzes aus einer einfachen zinsbringenden Kapitalanlage resultieren, ist bei gleichen Laufzeiten allgemein davon auszugehen, dass der Kreditzins iFK den Kalkulationszins i übersteigt. Sofern Literaturbeiträge für den Kalkulationszinssatz i im Sinne einer Renditeforderung einen Wert oberhalb des Fremdkapitalzinses iFK festlegen, lässt sich dies in erster Linie durch einen Risikozuschlag zum risikolosen Zins begründen. Zugleich wäre dann aber auch angenommen, dass Gläubiger zumindest nicht im gleichen Maße um ihr Geld fürchten. Wäre dies der Fall, hätten auch sie einen entsprechenden Risikozuschlag ansetzen müssen. Je nachdem, ob
oder
gilt, und je nach Struktur der Zahlungsreihe hinsichtlich Laufzeit des Kredites, Tilgungsmodus, Höhe des Kreditbetrages ergibt sich ein unterschiedlicher Einfluss auf den Kapitalwert der Investition.
Wendet man die oben beschriebene Nettomethode des Kapitalwertkalküls auf die Finanzierung des Kaufpreises für das zu bewertende Unternehmen an und ist dieser Kaufpreis vollständig fremdfinanziert, mag die alleinige Ausrichtung der Betrachtung auf die Zahlungsströme des Eigenkapitalgebers auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, da im Investitionsprojekt zunächst gar kein Eigenkapital eingesetzt wird, das an einer anderen Stelle des Entscheidungsfeldes des Investors Erträge abwerfen könnte. Die Alternative wäre vielmehr das Unterlassen der Investition und der Fremdfinanzierungsaufwand sollte dann nicht mehr im Zähler, sondern ausschließlich im Diskontierungszins der Kapitalwertformel erfasst werden. Die Nettomethode kann daher den Kalkulationszins im Fall vollständiger Fremdfinanzierung nicht aus einem im Entscheidungszeitpunkt verdrängten Eigenkapitaleinsatz bestimmen. Es ist vielmehr die Annahme, dass frei werdende Gelder zur Renditeforderung wieder angelegt werden, die die Begründung der Verfahrensweise in diesem Extremfall liefert.
Berücksichtigung von Steuern des Investors
Will man den Einfluss der Einkommensteuer auf den Wert eines Investitionsvorhabens bestimmen, so bietet sich das Standardmodell an. Es findet Anwendung, wenn man den Einfluss einer sich ändernden Steuerbelastung auf die Attraktivität eines Investitionsvorhabens untersuchen will. Bei im Zeitablauf schwankenden Einzahlungsüberschüssen kann die Einkommensteuer Einfluss auf den Unternehmenswert haben; im Falle wachsender Unternehmen hängt der Unternehmenswert sogar äußerst sensibel vom Einkommensteuersatz ab.
Bei diesem Modell werden im Nenner die Kapitalkosten um den Term (1 – s) gekürzt, wobei s den persönlichen oder einen typisierten Steuersatz darstellt. Ein Beweis dieser Standardgleichung ist u.a. von folgender Annahme abhängig: Auch eine Alternativanlage am Kapitalmarkt unterliegt der Besteuerung. Daher bestimmt sich der Kapitalkostensatz nach Steuern als lineares Vielfaches des Kapitalkostensatzes vor Steuern. Aus der Kenntnis des Vorsteuer – Kapitalkostensatzes kann also sofort auf die Höhe des Kapitalkostensatzes nach Steuern geschlossen werden.
Betrachtet man dieses Standardmodell unter Unsicherheit im Rahmen eines einfachen Binominalmodells, zeigt sich, dass dieses Modell bei der Wahl geeigneter, durchaus realistischer, Parameter eine Arbitragegelegenheit erzeugt und der vorgenannte Zusammenhang von Vor- und Nach- Steuer – Kapitalkosten nicht aufrecht erhalten werden kann.
Bei der Anwendung eines von Andreas LÖFFLER vorgetragenen Alternativmodells zeigt sich, dass eine Erhöhung des Einkommensteuersatzes zu einer Verringerung des Unternehmenswertes führt (Löffler, Andreas: Das Standardmodell unter Unsicherheit ist ökonomisch unsinnig, Diskussionspapier der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hannover, 2003).
Berücksichtigung des Risikos
Die Höhe eines nach den Opportunitäts- oder nach den Kapitalkosten bemessenen Kalkulationszinsfusses wird von dem Ausmaß der Risikoprämien mitbestimmt, die in diesen Sätzen enthalten sind. Dem wird die Konzeption gegenübergestellt, einen Zinssatz für risikolose Anlagemöglichkeiten als Kalkulationszinssatz zu wählen und das Risiko des Investitionsvorhabens über Sicherheitsäquivalente in den Einnahmeüberschüssen oder durch Einführung von Abschlägen auf die Erwartungswerte für die zukünftigen Einzahlungsüberschüsse zu berücksichtigen.
Ein häufig anzutreffender Bewertungsfehler ist die Doppelerfassung von Risiken. Dieser Fall liegt vor, wenn man mit Verweis auf die Unsicherheit der Zukunft bereits von hohen Abschläge vom Erwartungswert der Einzahlungsüberschüsse ausgeht, zugleich aber eine spürbare Risikoprämie auf den Basiszins addiert
Berücksichtigung von Preisänderungen
In der realen Welt variierender Preise und mangelnder Preisniveaustabilität stellt sich die Frage, ob und wenn ja, inwieweit Preisänderungen die Ermittlung von Kapitalwerten und somit die Vorteilhaftigkeit einer Investition beeinflussen.
a) Gleichmäßige Preisänderungen aller in das Modell eingehenden Größen
Geht man davon aus, dass eine einheitliche Inflations- oder Deflationsrate p sowohl für Aufwendungen wie für Erträge gilt, und schlägt sich diese Inflationsrate auch im Kapitalmarktzins (Nominalzins) nieder, so ergibt sich für den Kapitalwertkalkül:
(6)
Nach dem Kürzen des Terms (1+p)t gilt wieder
(7)
Sowohl bei den Auszahlungen wie bei den Einzahlungen und im Kalkulationszinsfuss ist die Inflationsrate p berücksichtigt. Unter der vereinfachten Prämisse einer allgemein gültigen Rate der Preisänderung ist mithin eine explizite Berücksichtigung der Inflation im Kapitalwertkalkül nicht erforderlich. In der Bewertungspraxis wird daher der Kapitalwertkalkül häufig auf der Basis der im Bezugszeitpunkt geltenden Preise aufgemacht und unterstellt, dass Erhöhungen der Faktorpreise vollständig auf die Verkaufspreise überwälzt werden.
b) Unterschiedliche Preisänderungen der in das Modell eingehenden Größen
Gewöhnlich unterscheiden sich jedoch die Preisänderungsraten der Einzahlungen von denen der Auszahlungen. Außerdem können sie, wie die allgemeine jährliche Inflationsrate, im Zeitablauf variieren oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzen.
Bei differenzierten Preisänderungen ist eine explizite Berücksichtigung der Inflation im Kalkül notwendig. Die Inflationsraten und deren Einfluss auf den Kalkulationszinsfuss können nur unter großer Unsicherheit prognostiziert werden. Werden die einzelnen Preisänderungsraten und die allgemeine Inflationsrate im Zeitablauf als konstant angenommen, so gilt:
(8)
mit
EZ = periodische Einzahlungen,
AZ = periodische Auszahlungen.
Aus der Formel (8) ist ersichtlich, dass bei der Berechnung des realen Kapitalwertes grundsätzlich zwei Vorgehensweisen möglich sind:
Entweder deflationiert man zunächst die nominellen Zahlungsreihen mit dem Term
(1+p)t
und diskontiert die sich dann ergebenden realen Zahlungsreihen mit dem realen Diskontierungsfaktor (1+ir)t (Realrechnung),
oder man geht von nominellen Zahlungsreihen aus und verwendet einen inflationsadjustierten Zinssatz (Nominalrechnung):
Formel (9) kann auch dafür verwendet werden, einen nominellen Zinsfuss in einen realen Zinsfuss zu transformieren, z.B. einen aufgrund nomineller Zahlungsreihen ermittelten „nominellen“ internen Zinsfuss in einen realen:
.
(10)
Diese Transformation setzt selbstverständlich voraus, dass die Inflationsrate über alle Perioden hinweg konstant ist. Sofern die allgemeine Inflationsrate voraussichtlich von Periode zu Periode schwankt, führt eine pauschale Korrektur des Kalkulationszinsfusses zu Verzerrungen.
Kritik an der Kapitalwertmethode
Es wird kritisiert, dass die Kapitalwertmethode nicht in der Lage sei, den ökonomischen Wert von sich im Zeitablauf ergebenden Investitionsmöglichkeiten richtig zu erfassen und deshalb tendenziell zu einer Unterbewertung von Projekten führe, die Handlungsspielräume enthalten. Insbesondere vernachlässige sie den Wert unternehmerischer Flexibilität. Um diesen zu berücksichtigen, wird vorgeschlagen, die Bewertung unternehmerischer Handlungsspielräume analog zur Bewertung von Finanzoptionen vorzunehmen. Dabei werden unternehmerische Handlungsspielräume als Optionen auf reale Vermögensgegenstände betrachtet. Zur Unterscheidung gegenüber Finanzoptionen hat sich die Bezeichnung Realoptionen etabliert.
Einzelne Investoren entwickeln im Allgemeinen unterschiedliche Präferenzen für die Beurteilung von Konsumeinkommensströmen. Von besonderer Bedeutung sind die zeitliche Struktur und die Unsicherheit der zu erwartenden Ausschüttungen, die von verschiedenen Wirtschaftssubjekten durchaus unterschiedlich bewertet werden können. Diese Frage nach den Zeitpräferenzen von Investoren bereitet Schwierigkeiten in der präzisen Ermittlung individueller Vorlieben, beispielsweise für Gegenwartskonsum gegenüber dem künftigen Verbrauch von Geldmitteln. Diese Problematik wird deshalb im Kapitalwertkalkül regelmäßig ausgeklammert.
Die Kapitalwertmethode ist eine starke Reduktion des Komplexitätsgrades ökonomischer Zusammenhänge. Betrachtet man im Einklang mit der Entscheidungstheorie Unternehmensbewertung als die Ermittlung eines Entscheidungswertes durch simultane Optimierung eines Investitionsprogramms mit vorgegebenen Alternativinvestitionen, ergibt sich der Unternehmenswert als Zielgröße des Optimierungsalgorithmus. Der Kapitalwertkalkül ist nichts anderes als eine heuristische Annäherung an dieses Optimum, dessen Ermittlung in der Praxis häufig an hoher Komplexität scheitert. Die oben aufgezählten Äquivalenzprinzipien sorgen dafür, dass Kapitalwertkalküle Minimalanforderungen bezüglich ihrer entscheidungslogischen Konsistenz erfüllen.
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