Donnerstag, 11. Februar 2010

Der "Marktpreis des Risikos" in der Unternehmensbewertung


In den als "marktwert" - orientiert benannten Bewertungsmodellen wird zur Ermittlung so genannter Eigenkapitalkosten (Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber) auf drei grundlegende Modelle zurückgegriffen:

  • Zuschlagsmethode,
  • Capital Asset Pricing Model (CAPM),
  • Fama - French Drei Faktoren - Modell.

Üblicherweise wird das CAPM herangezogen. Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das zu bewertende Unternehmen ergibt sich dabei aus der Summe der Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen und einem Risikozuschlag, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Beta - Faktor ergibt. Rechnerisch ist die Marktrisikoprämie die Differenz aus der erwarteten Marktrendite und der Rendite "risikofreier" Anlagen.

Die Marktrisikoprämie wird auch als "Marktpreis des Risikos" oder "Marktrisiko" bezeichnet. Dieser Begriff verdeutlicht, dass es sich dabei um ein sytematisches Risiko handelt, das nicht "wegdiversifiziert" werden kann; dieses Risiko kann also nicht durch Wertpapiermischung beseitigt werden. Das Marktrisiko drückt die Sensibilität von erwarteten Renditen gegenüber allgemeinen, nicht vermeidbaren, Marktschwankungen aus.  Derartige Marktschwankungen können beispielsweise aus Veränderungen des globalen konjunkturellen Umfelds resultieren. Für zu bewertende Unternehmen, die nicht Bestandteil eines Portfolios sind, ist die Anwendung einer Marktrisikoprämie allerdings nicht zweckentsprechend.

In den Modellen zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten ist die Marktrisikoprämie, ebenso wie die Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen, eine  als gegeben angenommene Schätzgröße. Die Renditeerwartung des Kapitalanlegers wird also allein durch den variablen Beta - Faktor bestimmt.

Generell gibt es zwei Wege, Marktrisikoprämien zu schätzen. Man kann historische Daten oder die Erwartungen des Marktes in Form impliziter Risikoprämien verwenden:
  • Wer historische Daten verwendet, folgt der Annahme, dass die Vergangenheitsdaten repräsentativ für die Erwartungen sind.
  • Wer Marktprojektionen verwendet, nimmt an, dass es zuverlässige Prognosemodelle gibt.
Die Verwendung historischer Daten ist umstritten. Diverse Untersuchungen nominaler Renditen führten zu folgenden Schätzungen der Marktrisikoprämie als geometrisches Mittel (Ballwieser: Unternehmensbewertung, Stuttgart 2004, S. 95):

Dimson/Marsh/Staunton  1900 - 2000  6,7 %
Conen/Väth 1949 - 1992  6,8 %
Bimberg 1954 - 1955  5,3 %
Stehle/Hartmond 1954 - 1988  4,6 %
Morawietz 1950 - 1992  4,4 %
Stehle 1969 - 1998  3,2 %
Baetge/Krause 1967 - 1991  2,65 %
Gielen 1960 - 1993  1,2 %

Bei der Betrachtung dieser Ergebnisse gewinnt man den Eindruck, dass die Schätzung der Marktrisikoprämie umso höher ausfällt, je weiter der Betrachtungszeitraum von der Gegenwart entfernt ist bzw. je länger er ist. 

Ob bei der Schätzung der Marktrisikoprämie das geometrische oder das arithmetische Mittel zu nehmen ist, wird kontrovers diskutiert. Es lässt sich zeigen, dass das arithmetische Mittel die Obergrenze für das geometrische Mittel ist. 

Für die Verwendung erwarteter Marktrisikoprämien spricht vor allem, dass sie im Rahmen der Unternehmensbewertung in Kalkulationszinssätze einfließen, mit denen künftige Zahlungsströme abgezinst werden. 

Aus der Sicht des Zukunftsbezogenheitsprinzips der Unternehmensbewertung ist die in der Praxis häufig anzutreffende Vermengung künftiger Zahlungsströme mit historischen Marktrisikoprämien konzeptionell unbefriedigend. Andererseits wird mit der Verwendung eines einzigen Eigenkapitalkostensatzes der laufzeitkongruenten Bewertung der einzelnen Zahlungsströme nicht Rechnung getragen. Benjamin RAUSCH hat in seiner 2007 als Dissertation angenommenen Arbeit mit dem Titel 

 


diese Probleme aufgegriffen. Er sucht darin nach Möglichkeiten, die Bestandteile der erwarteten periodenspezifischen Eigenkapitalkostensätze unter Beachtung des Zukunftsbezogenheitsprinzips ohne Verwendung historischer Renditen zukunftsorientiert zu schätzen. Seine Überlegungen leitet RAUSCH aus den Grundlagen der Unternehmensbewertung sowie der Preisbildung am Kapitalmarkt ab. Er kommt zu dem folgenden Ergebnis:

Aus theoretischer Sicht ist die zukunftsorientierte Schätzung der erwarteten Rendite des Marktportfolios aus dem Marktpreis eines Derivats auf den Marktindex unmöglich, da der Preis eines duplizierten zustandsabhängigen Zahlungsanspruchs auf einem arbitragefreien Kapitalmarkt nicht von der erwarteten Rendite des Marktindexes der Kapitalmarktteilnehmer abhängt. Daher muss die erwartete Rendite des Marktportfolios weiterhin mit Hilfe alternativer Verfahren geschätzt werden.

In der Bewertungspraxis wird meist eine Marktrisikoprämie von 5% - 6% verwendet.

Unabhängig von methodischen Diskussionen zur Schätzgröße bezeichnet Thomas HERING Renditeforderungen und ihre empirische Ermittlung aus guten Gründen als generell fragwürdig:

Im Zusammenhang mit der Spaltung des Kalkulationszinses ist auch der "schillernde" Begriff der "Eigenkapitalkosten" zu diskutieren. Ausschüttungen an die Eigenkapitalgeber sind nicht vertraglich festgelegt, sondern dispositionsabhängig und ergeben sich aus einem residualen Gewinnanspruch. Da Gewinngrößen nicht als Kosten ausgegeben werden sollten, ist das Wort Eigenkapitalkosten schon semantisch schlecht gewählt. Es dient aber auch ökonomisch betrachtet nicht gerade der Klarheit, das Eigenkapital rechentechnisch nur als eine teurere Variante des Fremdkapitals abzubilden, die in Höhe der "Renditeforderung" zu verzinsen sei. Eigenkapitalgeber sind nicht wie Gläubiger mit einem - wenn auch risikoadjustierten - Festzins "abzuspeisen", sondern streben nach Maximierung ihres Vermögens oder Einkommens, vielleicht auch des "Marktwerts". Die praxisübliche Vorgabe eines mit hohen Risikoprämien versehenen Schwellenwerts für die Eigenkapitalrendite steht aber (erst recht mangels eines geeigneten Mehrperioden - CAPM) in keinem modelltheoretisch nachweisbaren Zusammenhang mit dem zu optimierenden Konsumzahlungsstrom oder dem zu maximierenden Marktwert.



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