Mittwoch, 10. Februar 2010

MOXTERs Typisierungsprinzip in seinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung

 
Nach MOXTER tritt das Typisierungsprinzip an die Stelle des Subjektivitätsprinzips, wenn sich subjektbezogene Unternehmenswerte nicht ermitteln lassen; man legt dann nicht die Grenzpreisdeterminanten zugrunde, die für den jeweiligen präsumtiven Käufer (Verkäufer) gelten, sondern "übliche", im Durchschnitt anzutreffende Grenzpreisdeterminanten.

Soweit typisiert werden muss, bleibt die Unternehmensbewertung doch eignerbezogen; es wird der Wert ermittelt, der für jene Gruppe von Eignern gilt, von der man hinreichende Informationen über deren Grenzpreisdeterminanten hat.

Das Prinzip "eignerbezogene" Unternehmensbewertung besagt, dass ein "Wert für die Unternehmenseigner" gesucht ist, nicht etwa ein "Wert des Unternehmens an sich", der von Unternehmenseignern (wie von anderen Personen) abstrahiert.
 
 
Eignerbezogenheitsprinzip


I.Subjektivitätsprinzip
II. Typisierungsprinzip

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 Typisierungsprinzip
 
1. Eine strikt auf die jeweilige Person des Eigners bezogene Unternehmensbewertung scheitert oft schon am Vereinfachungserfordernis; die Informationen, die für eine in diesem Sinne subjektive Unternehmensbewertung notwendig sind, lassen sich häufig nicht mit vertretbarem Aufwand beschaffen. Es bleibt dann nur übrig, anstelle der für die betreffenden Eigner spezifischen Wertdeterminanten von "typisierten" Wertdeterminanten auszugehen. Man orientiert sich nicht an den (unbekannten) besonderen Verhältnissen des jeweiligen Käufers bzw. Verkäufers, sondern an den Verhältnissen, die für Käufer bzw. Verkäufer in "vergleichbarer" Situation als üblich, als typisch gelten können.

2. Die im gerade erwähnten Sinne typisierende Unternehmensbewertung darf nicht mißverstanden, ihre Schwierigkeiten dürfen nicht verkannt werden. Vor allem ist zu beachten, daß auch eine typisierende Unternehmensbewertung eignerbezogen bleibt; Eignerbezogenheits - Prinzip und Typisierungs - Prinzip stehen also nicht etwa im Widerspruch zueinander. Bei der typisierenden Unternehmensbewertung wird lediglich von den Besonderheiten der jeweiligen Eigner (potentiellen Käufer bzw. Verkäufer) abstrahiert; es wird nicht etwa ein Unternehmenswert ermittelt, der für das "Unternehmen an sich" gilt, also jedweden Eignerbezug leugnet.

Selbst wenn man bei der Bewertung auf das abstellt, was als "markttypisch" zu gelten hat, bleibt die Eignerbezogenheit erhalten. Freilich orientiert sich die Bewertung dann nicht an den besonderen Verhältnissen des jeweiligen potentiellen Käufers oder Verkäufers, doch wird auch nicht etwa ein Wert bestimmt, der statt an den Interessen von Eignern an den Interessen von irgendwelchen Gruppen oder an einem fiktiven Selbstwert des Unternehmens ausgerichtet ist.

Das Prinzip der Eignerbezogenheit wird erst verletzt, wenn ein Unternehmenswert ohne erkennbaren Bezug auf Eignerinteressen ermittelt wird, wenn sich der Unternehmenswert also nicht einmal als potentieller Marktpreis des Unternehmens verstehen läßt. Das Subjektivitätsprinzip dagegen wird bereits verletzt, wenn die besonderen Verhältnisse der jeweiligen potentiellen Käufer oder Verkäufer unberücksichtigt bleiben: Das Typisierungsprinzip stellt eine häufig notwendige Verletzung des Subjektivitätsprinzips dar. Das Typisierungsprinzip wiederum kann ebenfalls verletzt werden: durch eine Orientierung an dem, was untypisch, was nicht repräsentativ ist. Verstöße gegen das Typisierungsprinzip sind um so naheliegender, als sich das, was als typisch gelten darf, nicht präzise bestimmen lässt: Der Typus hat fließende Grenzen.

3. Der Bewerter muß sich vor Übertypisierungen hüten; er darf den Typus nicht von vornherein zu weit interpretieren: Nur selten ist es sinnvoll, auf einen abstrakten Jedermann - Eigner zu rekurrieren. Ist etwa, wie im mehrfach erwähnten Beispiel, eine Metzgerei zu bewerten und interessiert der für einen jungen Metzgermeister geltende Grenzpreis, so wäre es absurd zu fragen, was ein beliebiger "Kapitalanleger" für diese Metzgerei maximal zahlen darf. Typisierende Unternehmensbewertung bedeutet in einem solchen Fall vielmehr, nicht beschaffbare Informationen über grenzpreisbestimmende Eigenschaften des Metzgermeisters dadurch zu ersetzen, daß man von den grenzpreisrelevanten Eigenschaften eines "durchschnittlichen" Metzgermeisters ausgeht.

Ist der Grenzpreis gesucht, der für einen bestimmten Käufer oder Verkäufer gilt, so dürfen fehlende Informationen nicht von vornherein durch fiktive Informationen ersetzt werden. Erweisen sich Informationen als nicht beschaffbar, so läßt sich hieraus noch nicht ohne weiteres auf die Zulässigkeit der Typisierung schließen; denn die Typisierung kann dem Bewertungszweck zuwiderlaufen. Wenn ein potentieller Käufer, der spezifische Affinitäten zu dem zu bewertenden Unternehmen aufweist, seinen Maximalpreis erfahren will, ist diesem Mandanten wegen seiner spezifischen Verhältnisse nicht damit gedient, über einen für irgendwelche Dritte geltenden Maximalpreis belehrt zu werden.

4. Typisierung darf nicht mit Objektivierung verwechselt werden: Ziele und Wege beider Instrumente sind jedenfalls teilweise verschieden. Typisiert wird, um anders nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand beschaffbare Informationen zu erlangen; Objektivierung dient der Ausschaltung (Beschränkung) des Bewerterermessens. Typisierungen orientieren sich an an denjenigen bekannten Informationen, von denen vermutet werden darf, daß sie den gesuchten Informationen am nächsten kommen; bei Objektivierungen gilt zusätzlich die Bedingung, daß nur auf Informationen rekurriert werden darf, die sich ermessensfrei (oder mindestens ermessensbeschränkt) verwerten lassen. Eine Orientierung an den Vergangenheitserträgen z.B. geschieht, jedenfalls primär, aus Objektivierungserwägungen; denn eine Vergangenheitsreproduktion muß dann, wenn es sich nicht um stationäre Wirtschaftssektoren handelt, als etwas Untypisches gelten: Einzelne Vergangenheitsjahre haben stets die Vermutung des Atypischen für sich; für eine Zusammenfassung vieler Vergangenheitsjahre gilt, daß die Ergebnisse insofern atypisch werden, als man sich damit von der Gegenwart zu stark entfernt.

(Adolf MOXTER: Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 25-26)

Die von MOXTER gut begründete Unterscheidung zwischen Typisierung und Objektiverung wird im IDW S 1 i.d.F. 2008 leider nicht beachtet:
Tz. 29

.... Wegen der Wertrelevanz der persönlichen Ertragsteuern sind zur Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts anlassbezogene Typisierungen der steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner erforderlich.

Tz. 31

Bei gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Bewertungsanlässen (z.B. Squeeze Out) wird der objektivierte Unternehmenswert im Einklang mit der langjährigen Bewertungspraxis und deutschen Rechtsprechung aus der Perspektive einer inländischen unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person als Anteilseigner ermittelt. Bei dieser Typisierung sind demgemäß zur unmittelbaren Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern sachgerechte Annahmen zu deren Höhe sowohl bei den finanziellen Überschüssen als auch beim Kapitaliserungszinssatz zu treffen.

Tz 43

Von der Unternehmensbewertungstheorie und -praxis sowie der Rechtsprechung ist die Notwendigkeit der Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern allgemein anerkannt (vgl. Tz. 28 - 31). Daher sind die wertrelevanten steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswertes im Bewertungskalkül sachgerecht zu typisieren.

Tz 44

... Die praktische Umsetzung der Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern im Rahmen der objektivierten Unternehmensbewertung erfordert daher grundsätzlich Typisierungen hinsichtlich der Höhe des effektiven persönlichen Steuersatzes des Anteilseigners als Ausfluss seiner steuerlich relevanten Verhältnisse und Verhaltensweisen. ...

Tz 93

Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern im Kapitalisierungszinssatz

Die finanziellen Überschüsse aus dem Unternehmen sind mit den aus einer gleichartigen Alternativinvestition in Unternehmen zu erzielenden finanziellen Überschüssen zu vergleichen. Hierzu ist bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes typisierend auf Renditen eines Bündels von am Kapitalmarkt notierten Unternehmensanteilen (Aktienportfolio) als Ausgangsgröße abzustellen.  ...

Dagegen wird von PEEMÖLLER (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, das Typisierungsprinzip wiederum anerkannt:

Rz. 151

Die Ausrichtung der Unternehmensbewertung auf das Bewertungssubjekt schließt eine Orientierung an typischen Verhältnissen nicht aus. Der notwendige Zwang zur Typisierung beruht auf fehlenden Informationen über die individuellen Verhältnisse bzw. subjektiven Wertvorstellungen (Moxter, S. 25) und deren ungenügender Nachprüfbarkeit. Insbesondere diese mangelnde Nachprüfbarkeit  soll jedoch nicht dazu führen, den Ermessensspielraum des Bewerters dahingehend einzuschränken, dass die Wertvorstellungen von ihren subjektiven Einflüssen weitgehend befreit, d.h. objektiviert werden (zur Abgrenzung zwischen Typisierung und Objektivierung vgl. Künnemann, S. 135 ff.) Die Konkretisierung der Elemente des Bewertungsmodells durch in der Realität vorzufindende typische Verhältnisse dient letztlich einer Reduzierung der Komplexität des Entscheidungsproblems.

Rz 152

Unbestritten kann die Durchführung der Vergangenheits- und Lageanalyse dem Bewerter Datenbeschaffungsprobleme bereiten. Gleichwohl sollte dies nicht als Argument für die Vernachlässigung der Vergangenheitsdaten missverstanden werden. Vielmehr müssen und können diese Informationslücken durch Typisierungen geschlossen werden.








 

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