Die Finanzwirtschaft hat der Realwirtschaft zu dienen. Es ist erneut die Verkehrung dieser Regel, die einen höheren Erfüllungsgrad aufweist als die vernünftige Regel selbst. Wieder gefährdet der Selbstzweck der Spekulation Finanzinstitutionen, deren Geschäftspartner und infolgedessen Unternehmen der Realwirtschaft.
Im Zentrum der Kritik stehen Kreditderivate, insbesondere Credit Default Swaps (CDS), mit deren Hilfe Spekulanten von der sinkenden Bonität vor allem griechischer Staatsanleihen profitieren wollen oder bereits profitiert haben. An sich sind Kreditderivate innovative Instrumente, die den Handel mit Kreditrisiken erleichtern. Als bilaterale Finanzkontrakte werden sie genutzt, um das Kreditrisiko von anderen Risiken einer Kapitalanlage bzw. eines Finanzierungsinstruments zu isolieren und es an einen Kontrahenten weiter zu leiten, ohne das Eigentum an der Kapitalanlage / dem Finanzierungsinstrument transferieren zu müssen.
Gefährlich wird es dagegen, wenn der Erwerber von CDS - beispielsweise auf griechische Staatsanleihen - die dadurch abzusichernden Kapitalanlagen überhaupt nicht besitzt. Das Volumen der CDS, die außerbörslich gehandelt werden, wird aufgebläht, weil der Erwerber nicht an den Besitz risikotragender Finanzinstrumente gebunden ist. Ebenso könnte man es jedem von uns erlauben, Versicherungen auf Kraftfahrzeuge anderer Leute abzuschließen; in der Hoffnung, sie erleiden Schaden!
Unter dem Titel
Transparenz hilft am besten gegen das vermeintliche Teufelszeug CDS (bei Handelsblatt.com am 22.02.2010 veröffentlicht)
schreibt Nicole Bastian:
Politiker haben im Monat drei der Griechenland - Krise einen dankbaren bösen Buben gefunden: Kreditausfallversicherungen oder Credit Default Swaps (CDS). Der Vorwurf lautet, Hedge - Fonds hätten mit spekulativen CDS - Käufen die Probleme Griechenlands am Finanzmarkt verschärft. Die Ideen dagegen reichen von Mindesthaltefristen für die ursprünglich zur reinen Absicherung gedachten CDS über ein Verbot der Ausfallversicherungen auf Staaten bis zu einem Verbot aller CDS, die nicht der Absicherung eigener Risiken dienen.
Das Problem ist keineswegs neu. Wie man 20 Mrd. USD an der Finanzkrise verdient hatte Gregory Zuckerman bereits am 15.11.2009 im WSJ beschrieben.
Auch die EZB hatte sich im vergangenen Jahr ausführlich mit CDS befasst: Credit default swaps and counterparty risk / August 2009; dort ist ab Seite 29 nochmals kurz das Debakel der AIG beschrieben.
Die Risiken der CDS liegen vor allem bei der so genannten Gegenpartei, das ist der Kreditausfall - Versicherer. Aktuell stellt sich die Frage, ob ein zweiter Fall, wie beim amerikanischen Versicherungskonzern AIG, der sich mit CDS massiv verspekulierte, passieren kann. AIG hatte über einen kurzen Zeitraum durch eine Tochtergesellschaft hohe Positionen an Kreditversicherungen verkauft. AIG konnte die daraus entstehenden Risiken nicht verkraften, weil sie nicht besichert waren.
Nicole Bastian spricht sich in ihrem Artikel vor allem für mehr Transparenz aus. Wie wird das bewerkstelligt? Ein Lösungsweg, der im Sommer 2009 beschritten worden ist, ist das Zentrale Clearing; es leistet Risikotranzparenz und eine vollständige Besicherung offener Positionen. Jeder Marktteilnehmer kann also nur so viel Risiko aufnehmen, wie er auch beherrschen kann.
EUREX Clearing hatte im September 2009 zusammen mit der DEUTSCHEN BÖRSE ein White Paper herausgegeben, in welchem eine Marktstruktur vorgestellt worden ist, die den absehbaren Entwicklungen gerecht werden sollte. Auch die G20 hatte auf ihrem Treffen in Pittsburgh die Bedeutung einer zentralen Gegenpartei für die globalen Finanzmärkte unterstrichen und ein Clearing für alle standardisierten Over The Counter (OTC) - Derivatekontrakte bis spätestens Ende 2012 gefordert.
EUREX Clearing, Europas größter zentraler Kontrahent, trug dieser politischen Forderung durch die Entwicklung und Einführung von Eurex Credit Clear Rechnung. Eurex Credit Clear ist die europäische Lösung für das zentrale Clearing von CDS. Neun große Handelshäuser hatten sich im Februar 2009 gegenüber der Europäischen Kommission selbst verpflichtet, einen in der EU ansässigen zentralen Kontrahenten für die Verrechnung europäischer CDS - Kontrakte zu nutzen. Fünf Monate später, am 30. Juli 2009, wurde dann der erste Eurex - Clearing - Zyklus erfolgreich abgeschlossen. Bei Eurex Clear werden sämtliche offenen Positionen aller Marktteilnehmer gegeneinander verrechnet (multilaterales Netting). Dies minimiert die von den Teilnehmern zu stellenden Sicherheitsleistungen (Margins) im Vergleich zu einer bilateralen Besicherung.
Insgesamt hat Eurex Clearing 2009 jeden Monat Bruttorisiken im Gegenwert von 48 Milliarden € um im gesamten Jahr knapp 1,8 Milliarden Transaktionen verarbeitet. Davon entfällt ein Anteil von rund 40 Prozent auf das Clearing von OTC - Geschäften. Die Zahl der Clearing - Teilnehmer stieg 2009 um acht auf insgesamt 101 Institute.
Nicole Bastian sagt in ihrem Handelsblatt - Artikel:
Regulierung ist nötig, muss Widersprüche aber vermeiden
Bei Einhaltung der eingangs genannten Regel - die Finanzwirtschaft hat der Realwirtschaft zu dienen - entstehen keine Widersprüche!
Fünf frühere US - Finanzminister fordern in ihrem Leserbrief vom 22.02.2010 an das WSJ im Grunde, dass Spekulanten auf dem Finanzmarkt isoliert und vom kommerziellen Bankgeschäft abgetrennt werden; sie sollen also aus dem dichten Netz des Finanzmarktes "herausgeschnitten" werden:
We who have served as secretary of the Treasury in both Republican and Democratic administrations write in support of the proposed legislation to prohibit certain proprietary activities of commercial banking organizations - the so called Volcker rule - as part of needed financial reform.
The principle can be simple stated. Banks benefiting from public support by means of access to the Federal Reserve and FDIC insurance should not engage in essentially speculative activity unrelated to essential bank services.
Hedge funds, private - equity funds, and trading for speculative gains are activities carried out by thousands of nonbanking firms. These firms and funds are and should also be free to compete and to innovate. They should, like other private business, also be free to fail without explicit or implicit taxpayer support. Those few nonbank firms that present systemic risk should be subject to reasonable restrictions on capital, leverage and liquidity.
We fully understand that the restriction of proprietary activity by banks is only one element in comprehensive financial reform. It is, however, a key element in protecting our financial system and will assure that banks will give priority to their essential lending and depository responsibilities.
We urge the United States to take the lead in the forthcoming G-20 meeting and other appropriate forums to achieve broad agreement on this principle among the leading financial centers.
W. Michael Blumenthal
Nicholas Brady
Paul O'Neill
George Shultz
John Snow
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