Freitag, 31. Juli 2009

Kommentar: Unternehmensbewertung und ihre Plausibilität


Am 20. Juli hat Herr Dr. Klaus Jennewein in seinem
Blog einen höchst interessanten Praxisfall ausführlich geschildert. Es geht um die gutachterliche Bewertung eines 2007 gegründeten Einzelunternehmens der Fertighausbranche, das mit Wirkung zum 30.09.2008 im Wege der Sachgründung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingebracht wurde. Das Gutachten war anlässlich dieser Sachgründung zu erstellen. Adressat des Gutachtens ist das Firmenbuchgericht, das Zweifel daran hat, dass der gutachterlich ermittelte Unternehmenswert einem Drittvergleich standhält. Ich folge gerne der Einladung des Herrn Dr. Jennewein, diesen Praxisfall zu kommentieren:


In Ergänzung zur subjektiven Bewertungslehre wurde in den 1970er Jahren die funktionale Unternehmensbewertung entwickelt. Mit dieser so genannten Kölner Funktionenlehre ist das Spektrum der Aufgabenstellung der Unternehmensbewertung erweitert worden, indem generell gefordert wurde, dass der jeweilige Bewertungszweck die Bewertungsmethode zu bestimmen habe. So wurden einzelnen Funktionen (Aufgaben) entsprechende Zwecksetzungen (Ziele) zugeordnet.


Hauptfunktionen sind die Beratungsfunktion, die Vermittlungsfunktion und die Argumentationsfunktion. Davon zu trennen sind Nebenfunktionen, die vor allem auf Rechtsvorschriften und nicht auf ökonomischen Fragestellungen basieren - beispielsweise Wertbestimmungen zum Zwecke der Besteuerung oder zum Ansatz von Bilanzpositionen.


Die Kölner Funktionenlehre ist das Fundament für das Fachgutachten des Fachsenats für Betriebswirtschaft und Organisation des Instituts für Betriebswirtschaft, Steuerrecht und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Unternehmensbewertung (beschlossen am 27.2.2006).


Demnach hat sich ein Gutachter im ersten Schritt Klarheit über die ihm gestellte Aufgabe zu verschaffen. In dem vorliegenden Fall der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH hat das Gutachten eine Informationsfunktion. Es dient der Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit des Einbringungsvorganges. Der gutachterlich ermittelte Unternehmenswert muss einem Drittvergleich standhalten.


Wenn der Unternehmenswert einem Drittvergleich standhalten muss, besteht der Zweck des Gutachtens in der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes. Weiterhin ist bei der Auswahl der Bewertungsmethode zu berücksichtigen, dass das zu bewertende Unternehmen nicht an der Börse notiert ist.


An Gutachten, die an Gerichte adressiert sind, werden besondere Anforderungen an die Vorgehensweise und an die Resultatsherleitung gestellt. Dem Gutachten ist ein widerspruchsfreies Normensystem zugrunde zu legen. Dadurch wird eine doppelte Schutzfunktion erreicht: Vermeidung von "Kunstfehlern" des Bewerters sowie Vermeidung von Schädigungen des Bewertungsadressaten. Quellen dieses Normensystems sind Gesetzgebung und Rechtsprechung, die Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (im folgenden kurz Fachgutachten genannt) sowie Wissenschaft und Forschung. Dieses Normensystem lässt sich auf drei heute herrschende Rahmenprinzipien der Unternehmensbewertung verdichten.


Bewertungseinheit: das Unternehmen werden als "sozio - technische" Gebilde betrachtet und sind als Ganzes zu bewerten.


Zukunftsbezogenheit: Es werden ausschließlich zukünftige Erfolge gemessen. "Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts".


Subjektivität: Die Unternehmensbewertung basiert auf einem Vergleich zwischen dem erzielbaren Nutzen aus dem Unternehmen und der optimalen alternativen Dispositionsmöglichkeit. Der Unternehmenswert hängt von den jeweiligen Zielen und den individuellen Handlungsalternativen des Unternehmenseigners ab. Aufgrund dieser Subjektorientierung kann der Unternehmenswert keine objektive Größe sein. Durch eine Typisierung des Nutzens und der Handlungsalternativen kann er jedoch objektiviert werden.


Aus dem Zweck des Gutachtens ist die Bewertungsmethode abzuleiten. Dabei stehen gemäß dem Fachgutachten zwei Verfahren zur Verfügung: Ertragswertverfahren und DCF - Verfahren. Das investitionstheoretisch fundierte "Ertragswertverfahren ermittelt den Unternehmenswert durch Kapitalisierung der Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner" (Fachgutachten, S.18). Die kapitalmarktorientierten DCF - Verfahren "ermitteln den Unternehmenswert durch Kapitalisierung von Cash - Flows, die je nach Verfahren unterschiedlich definiert werden. Sie werden im Allgemeinen zur Bewertung von Kapitalgesellschaften herangezogen" (Fachgutachten, S. 19).


Da das zu bewertende Unternehmen weder körperschaftlich organisiert noch an der Börse notiert ist, scheiden die DCF - Verfahren und das mit ihnen verbundene CAPM zur Bestimmung von Eigenkapitalkosten (Renditeforderung der Eigenkapitalgeber) aus. Auf die theoretischen Unterschiede bzw. auf die Verbindungen zwischen Ertragswert- und DCF - Verfahren soll an dieser Stelle aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden. Nur so viel: DCF - Verfahren implizieren, dass mit Hilfe von Gleichgewichtsmodellen ein Kapitalmarktgeschehen rechnerisch fingiert wird, welches zu einem arbitragefreien Unternehmenswert führt. In dieser Theorie stimmen Preis und Wert eines Unternehmens stets überein.


Vor diesem Hintergrund ist gegen die Wahl der Ertragswert - Methode nichts einzuwenden. Der Zweck des Gutachtens bedingt jedoch die Ermittlung eines objektivierten Ertragswertes; dies ist bei den folgenden Bewertungsschritten stets zu beachten.


Prognose der finanziellen Überschüsse


Laut Fachgutachten (S. 12) sind "alle Informationen zu erheben, die für die Prognose der finanziellen Überschüsse des Unternehmens von Bedeutung sind. Dazu gehören in erster Linie zukunftsbezogene unternehmens- und marktorientierte Informationen. Unternehmens-bezogene Informationen sind insbesondere interne Plandaten sowie Analysen der Stärken und Schwächen des Unternehmens und der von diesem angebotenen Leistungen. Marktbezogene Informationen sind unter anderem Daten über die Entwicklung der Branche, der Konkurrenzsituation und der bearbeiteten Absatzmärkte, aber auch langfristige gesamtwirtschaftliche sowie länder- und branchenspezifische Trendprognosen."


Im Praxisfall wurden dem Gutachten lediglich unternehmensbezogene Zahlen in einer nicht - integrierten Form zugrunde gelegt. Eine systematische Stärken- und Schwächen- / Chancen- und Risiko - Analyse (SWOT) wurde nicht durchgeführt. Marktbezogene Informationen beschränken sich auf kurze verbale Einschätzungen. Ein Unternehmenskonzept scheint nicht dokumentiert zu sein. Auf dieser schmalen Informationsbasis ist es unmöglich, einen intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolg zu bestimmen. Ein objektivierter Unternehmenswert setzt diese intersubjektive Nachprüfbarkeit aber voraus.


Aus dem Praxisfall ist auch nicht ersichtlich, wie die zu kapitalisierenden Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner bestimmt worden sind. Zu diesem Zweck ist eine in die GuV – und Bilanzplanung integrierte Kapitalflussrechnung nötig. Nettozuflüsse lassen sich nicht allein aus der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens ableiten. Der Cash Flow aus der operativen Tätigkeit ist zu ergänzen um Cash Flows aus der Finanzierung (Kredittilgungen, - aufnahmen) und aus Investitionen.


Im Hinblick auf die zu treffende Ausschüttungsannahme ist von "denjenigen finanziellen Überschüssen auszugehen, die entsprechend der Planungsrechnung unter Berücksichtigung des zum Bewertungsstichtag dokumentierten Unternehmenskonzepts und rechtlicher Restriktionen zur Ausschüttung zur Verfügung stehen" (Fachgutachten, S. 10). Aus dem Praxisfall ist nicht ersichtlich, ob eine entsprechende Annahme getroffen worden ist.


Das zu bewertende Unternehmen ist ein erst im Jahre 2007 gegründetes Einzelunternehmen der Bauwirtschaft. Es unterliegt in dreifacher Hinsicht einem besonderen Insolvenzrisiko. Für das Jahr 2008 zeigt die österreichische Insolvenzstatistik für Unternehmen und Private folgende Zahlen:


3.270 eröffnete Insolvenzverfahren, davon


1.279 Einzelunternehmen (39 %),

56 % mit einem Gründungsjahr ab 2000,

662 Fälle aus der Bauwirtschaft (52 %).


Angesichts dieser Tatsachen kommt man als Gutachter nicht umhin, Annahmen zur Überlebenswahrscheinlichkeit des zu bewertenden Unternehmens zu treffen.


Dies soll am Beispiel des Charakteristikums „junges Unternehmen“ skizziert werden. Leider sind dem Verfasser für den deutschsprachigen Raum keine neueren empirischen Studien zur „Überlebensrate“ junger Unternehmen bekannt. Für die USA gab es dagegen eine umfassende Studie, deren Ergebnisse hier verwendet werden. Nach dieser Studie hatte die Gesamtheit der Unternehmen, die im Jahre 1998 gegründet worden sind, die folgenden Überlebensraten:


Jahr

1

2

3

4

5

6

7

81,24%

65,77%

54,29%

44,36%

38,29%

34,44%

31,18%


Diese Daten können als Eintrittswahrscheinlichkeiten (EW) für die von dem zu bewertenden Unternehmen geplanten Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner verwendet werden:


Jahr

2009

2010

2011

2012

2013

ab 2014

Nettozuflüsse vor Risikoabschlägen des Gutachters

110.790

110.790

110.790

111.429

111.429

110.000

EW

65,77 %

54,29 %

44,36 %

38,29 %

34,44 %

31,18 %

Nettozuflüsse (EW)

72.867

60.148

49.146

42.666

38.376

34.298



Laut Gutachten beträgt der Restwert des Unternehmens, der für die Zeit ab 2014 auf Basis einer ewigen Rente berechnet wurde, 1.044.315, 41 €. Bei einem von dem Gutachter festgestellten Unternehmenswert i.H.v. 1.500.000,00 € hat dieser Restwert somit einen Anteil von rund 70 % (die von mir nachvollzogenen Werte sind etwas niedriger als die im Gutachten genannten Zahlen). In der Bewertungsliteratur wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Restwert meistens den größten Anteil des Unternehmenswertes ausmacht.


Der Restwert des Unternehmens am Ende der Detailplanungsphase kann auf der Basis von pauschalierten Annahmen zur Entwicklung der künftigen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner berechnet werden. Grundsätzlich lassen sich einphasige und mehrphasige Modelle unterscheiden. Während bei den einphasigen Modellen im Zeitablauf unveränderte Daten zugrunde gelegt werden, werden bei den mehrphasigen Modellen im Zeitablauf veränderliche Daten unterstellt. In dem vorliegenden Fall hat sich der Gutachter für ein einphasiges Modell entschieden. In seinem Modell verwendet er die Formel der ewigen Rente.


Die Ermittlung eines auf der ewigen Rente beruhenden Restwertes ist stets mit der Schwierigkeit verbunden, drei Fragen beantworten zu müssen: 1. Erreicht das Unternehmen einen stabilen Wachstumspfad? 2. Wann wird dies der Fall sein? Welche Nettozuflüsse erzeugt das Unternehmen auf diesem stabilen Wachstumspfad?


Im Hinblick auf die weiter oben genannten Insolvenzrisiken ist die Annahme eines Restwertes auf Basis einer ewigen Rente als radikal zu bezeichnen. Eine derartige Annahme setzt einen „eingeschwungenen Gleichgewichtszustand“ des zu bewertenden Unternehmens voraus. Dieser Gleichgewichtszustand ergibt sich in der Regel aus dem immateriellen oder dem materiellen Anlagevermögen. Zum Beispiel können Einzahlungen, die aus lang laufenden Lizenzverträgen resultieren, als in einem Gleichgewichtszustand befindlich betrachtet werden. In dem vorliegenden Fall gibt es aber dafür keinerlei Anhaltspunkte. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der gegenwärtige Unternehmenseigner nicht ewig als Erfolgsfaktor zur Verfügung steht. Die wesentlichen Erfolgsfaktoren wohnen also nicht dem Unternehmen inne, sondern sind an die Person des Unternehmenseigners gebunden.


Der Gutachter hat in seinem Restwert - Modell unterstellt, dass die künftigen finanziellen Überschüsse des Unternehmens nach dem Planungshorizont nicht mehr wachsen, die Wachstumsrate (g) der Nettozuflüsse also gleich null ist (Formel der ewigen Rente ohne Wachstum). In Teilen der Literatur wird vorgetragen, dass die Anwendung der Formel der ewigen Rente ohne Wachstum insoweit erhebliche Schwächen aufweist, als die Wachstumschancen des Unternehmens nach dem Detail - Planungshorizont unberücksichtigt bleiben. Andere Autoren verweisen darauf, dass zumindest inflationäre Entwicklungen zu berücksichtigen seien, die in der Konsequenz zu steigenden nominalen finanziellen Überschüssen nach dem Ende des Detailplanungszeitraumes führen. Ich folge dieser Argumentation und nehme eine Wachstumsrate (g) von 2 % an.


Zur Annahme eines rentenbasierten Restwertes ohne Wachstum gibt es folgende Alternative:


Das Unternehmen wird am Ende des Planungshorizonts (2014) liquidiert. Dann entspricht der Liquidationswert betriebsnotwendiger Aktiva dem Restwert.


Aus diesen Überlegungen ergibt sich ein Alternativ – Szenario:


Alternativ – Szenario

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Nettozuflüsse (EW) vor

Liquidation

72.867

60.148

49.146

42.666

38.376

34.298

Liquidationserlöse

0

Nettozuflüsse nach

Liquidation

72.867

60.148

49.146

42.666

38.376

34.298



Der Zeithorizont dieses Szenarios ergibt sich aus der Reichweite der vom Unternehmen gemeinsam mit dem Gutachter vorgelegten Detail – Planung. Die Annahme des Planungsendes für das Jahr 2014 wird dadurch gestützt, dass im siebten Jahr des Bestehens (Gründung 2007) die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz am höchsten ist.


Da das Unternehmen gemäß Einbringungsbilanz keine nennenswerten wertbeständigen Vermögensgegenstände hat, wird der Liquidationswert im Jahre 2014 realistischerweise mit 0 angesetzt.


Kapitalisierungszinssatz

Der Kapitalisierungszinssatz ergibt sich laut Fachgutachten aus einem risikolosen Basiszinssatz und einem Risikozuschlag. Der Risikozuschlag ist die Renditedifferenz zwischen einer risikolosen Anlage und einer hinsichtlich Laufzeit, Risiko und Verfügbarkeit adäquaten Anlage in Unternehmensanteilen (Aktienportefeuille).


Der Basiszinssatz kann unter Berücksichtigung der Laufzeitäquivalenz zum zu bewertenden Unternehmen aus der zum Bewertungsstichtag gültigen Zinsstrukturkurve abgeleitet werden. Alternativ kann die zum Bewertungsstichtag bestehende Effektivrendite einer Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 bis 30 Jahren herangezogen werden (Fachgutachten, S. 15-16). Im Beispielfall hat sich der Gutachter für die Effektivrendite einer laufzeitäquivalenten Staatsanleihe entschieden, die mit 3,48 % p.a. angegeben wird. Aus der Fallbeschreibung ist allerdings nicht ersichtlich, dass dies die Effektivrendite zum Bewertungsstichtag 30.09.2008 war.


Als typisierte Renditeforderung einer adäquaten Anlage in Unternehmensanteilen können 9,50 % p.a. angenommen werden. Unter dieser Annahme beträgt der Risikozuschlag rund 6 % p.a. (9,50 % - 3,48 %). Ein Risikozuschlag in Höhe von 6 % entspricht dem langfristigen Durchschnitt der in der Vergangenheit beobachteten Risikoprämien.


Dagegen hat der Gutachter den risikolosen Zinssatz als Basis für den Risikozuschlag genommen. Dieses Vorgehen ist schon theoretisch falsch. Denn dies impliziert, dass die Effektivrendite für Staatsanleihen als zu niedrig erachtet wird. Eine Justierung der Effektivrendite für Staatsanleihen war vom Gutachter aber nicht gewollt.


Bei einer theoretisch und praktisch richtigen Vorgehensweise geht man von der Renditeforderung für eine äquivalente, am Kapitalmarkt notierte, Anlage in Unternehmensanteile aus, wobei diese Renditeforderung den risikolosen Zinssatz enthält (9,50 % p.a. – 3,48 % p.a. = 6 % p.a. Risikozuschlag).


Der Gutachter des Beispielfalls hat in einem weiteren Schritt der Personenbezogenheit des Unternehmenserfolgs fälschlich durch einen Zuschlag auf den risikolosen Zinssatz Rechnung getragen. Richtig wäre eine Berücksichtigung dieses Risikos bei der Planung der Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner. Mit dem Kapitalisierungszinssatz soll ein „sicherer“ Nettozufluss kapitalisiert werden. Das Fachgutachten führt zu diesem Thema aus: Soweit bei personenbezogenen Unternehmen die in der Person des Eigners (der Eigner) begründeten Erfolgsbeiträge in Zukunft nicht realisiert werden können, sind sie bei der Prognose der finanziellen Überschüsseaußer Acht zu lassen. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte für die Höhe dieses Zuschlags (75 %). Es ist kein entsprechendes Datenmaterial zitiert worden. Die Annahme von 75 % erscheint deshalb willkürlich.


Ebenso willkürlich erscheint ein Mobilitätszuschlag von 50 %. Vermutlich soll dadurch der mangelnden Fungibilität der Unternehmensanteile, d.h. deren Immobilität, Rechnung getragen werden. Die Höhe des Zuschlags wird jedoch nicht begründet. Dieser Zuschlag wird auch nicht theoretisch fundiert. Ansatzpunkte für eine Begründung wären empirische Studien, in denen die Renditen von am Kapitalmarkt notierten fungiblen und nicht fungiblen Unternehmensanteilen verglichen werden. Ein kommentarlos angenommener Zuschlag ist abzulehnen.


Des weiteren hat der Gutachter des Beispielfalls den risikolosen Basiszins, der ein nominaler Zinssatz ist, um eine anteilige Inflationsrate von 2,40 % gekürzt, damit er einen realen Kapitalisierungszinssatz erhält. Dabei ist jedoch das Homogenitätsprinzip zu beachten, wonach im Zähler und Nenner des Kapitalwertkalküls entweder nur nominale oder nur reale Größen stehen. Wird eine Realrechnung angewendet, müssen die Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner in kaufkraftäquivalente Größen umgerechnet werden. Eine Planung der Gewinn- und Verlustrechnung enthält jedoch üblicherweise nominale Werte. Plant man dagegen mit realen Größen, enthält die integrierte Kapitalflussrechnung mit dem aus der GuV abgeleiteten operativen Cash Flow eine reale Größe und mit den Cash Flows aus der Finanzierungs- und Investitionstätigkeit nominale Größen. Infolgedessen sind umständliche Umrechnungen nötig, um aus der Addition dieser verschiedenen Cash Flows einen konsistenten Finanzmittelbestand zu berechnen. Der Nominalrechnung wird in Theorie und Praxis der Vorzug gegeben. Es ist also zu vermuten, dass der Gutachter des Beispielfalls das Homogenitätsprinzip verletzt hat.


Aus diesen Überlegungen resultiert ein Kapitalisierungszinssatz von 9,50 % p.a. Die Formel der ewigen Rente wird um eine konstante Wachstumsrate von 2 % p.a. ergänzt. In einer grob vereinfachten Form kann diese Wachstumsrate formal durch einen Abschlag vom Kapitalisierungszinssatz abgebildet werden, so dass der Restwert des Unternehmens bei einem Kapitalisierungszinssatz von 7,5 % p.a. berechnet wird. Damit wird unterstellt, dass die erwarteten Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner nach dem Detailplanungszeitraum jährlich konstant mit der Rate von 2 % wachsen (geometrisch wachsende Reihe der Nettozuflüsse).



Unternehmenswert



Nicht betriebsnotwendiges Vermögen = 0

Liquidationswert im Jahre 2014 = 0


a) laut nachvollzogener Berechnung des Gutachters


2009

2010

2011

2012

2013

ab 2014

Nettozuflüsse

110.790

110.790

110.790

78.000

78.000

55.000

Kapitalisierungszinssatz

4,27 %

4,27 %

4,27 %

4,27 %

4,27 %

4,27 %

Kapitalisierungsfaktor

0,95904

0,91977

0,88210

0,84598

0,81134

0,81134

Barwert Nettozufluss

106.252

101.672

97.728

65.986

63.285

Barwert ewige Rente

1.045.051

Unternehmenswert

1.479.974



b) mit Erwartungswerten der Nettozuflüsse und Beibehaltung des Restwertes auf Basis einer ewigen Rente, jedoch mit einer Wachstumsrate von 2 %


2009

2010

2011

2012

2013

ab 2014

Nettozuflüsse

72.867

60.148

49.146

42.666

38.376

34.298

Kapitalisierungszinssatz

9,50 %

9,50 %

9,50 %

9,50 %

9,50 %

7,50 %

Kapitalisierungsfaktor

0,9132

0,8340

0,7617

0,6956

0,6352

0,69655

Barwert Nettozufluss

66.542

50.163

37.435

29.678

24.376

Barwert ewige Rente

318.537

Unternehmenswert

526.731



c) mit Erwartungswerten der Nettozuflüsse und begrenzter Lebensdauer des Unternehmens


2009

2010

2011

2012

2013

2014

Nettozuflüsse

72.867

60.148

49.146

42.666

38.376

34.298

Kapitalisierungszinssatz

9,50 %

9,50 %

9,50 %

9,50 %

9,50 %

9,50 %

Kapitalisierungsfaktor

0,9132

0,8340

0,7617

0,6956

0,6352

0,5801

Barwert Nettozufluss

66.542

50.163

37.435

29.678

24.376

19.896

Barwert ewige Rente

0

Unternehmenswert

228.090



Unter diesen Annahmen liegt der Unternehmenswert in einer Bandbreite von
228.090 € bis 1.479.974 €.
Diese lediglich beispielhaft errechneten Unternehmenswerte fußen auf einer unsicheren und nicht intersubjektiv nachprüfbaren Planungsgrundlage. Zu fehlenden oder mangelhaften Planungsgrundlagen führt das Fachgutachten (S. 27) aus: Liegt eine ausreichend dokumentierte Planungsrechnung nicht vor, ist die Unternehmensleitung zu veranlassen, unter Zugrundelegung ihrer Vorstellungen über die künftige Entwicklung des Unternehmens eine Erfolgs- und Finanzprognose zu erstellen. Dabei sind neben den verfügbaren externen Informationen (z.B. Branchenanalysen, Marktstudien) als weitere Grundlage für die Prognose der Zukunftserträge die im Rahmen einer Vergangenheitsanalyse festgestellten Entwicklungslinien zu berücksichtigen. Im Zuge der Plausibilisierung durch den Wirtschaftstreuhänder sind gegebenenfalls entsprechende Anpassungen vorzunehmen.


Unsicherheiten, die ausschließlich auf Mängel der oder das Fehlen einer Planungsrechnung zurückzuführen sind, dürfen bei der Bewertung weder durch Abschläge von den zu kapitalisierenden finanziellen Überschüssen noch durch Zuschläge zum Kapitalisierungszinssatz berücksichtigt werden. Der Wirtschaftstreuhänder hat auf das Fehlen oder die Mangelhaftigkeit der Planungsrechnung und die damit verbundene eingeschränkte Verlässlichkeit des Ergebnisses im Bewertungsgutachten hinzuweisen.


Offensichtlich sind diese Grundsätze nicht genügend beachtet worden.