Samstag, 11. Juli 2009

Cash Return on Capital Invested (CROCI)


Unter den global handelnden Instituten gehört die Deutsche Bank Group vermutlich zu denjenigen, die am wenigsten von der gegenwärtigen Wirtschafts- und Kreditkrise betroffen sind. Im Hinblick darauf sollte man einen Blick auf das von der Deutschen Bank konzipierte und als Methode zur Unternehmensbewertung verwendete CROCI – Konzept werfen.



Das CROCI - Modell ist eine konzeptionelle Erweiterung des Return On Investment – Konzeptes (ROI), das in Europa durch die internationale Unternehmensberatungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) verbreitet worden ist.


Leider ist es ein nicht veröffentlichtes Bewertungsverfahren, so dass es sich dem wissenschaftlichen Diskurs entzieht.



Die Interne Zinsfuß – Methode stellt die Grundlage des CROCI – Modells dar. Der interne Zinssatz einer Investition ist als derjenige Kalkulationszinssatz definiert, bei dem der Kapitalwert gleich Null wird. Allgemein formuliert ist dies also jener Zinssatz, bei dem die Einzahlungsüberschüsse gerade ausreichen, um die Anfangsauszahlung zu verzinsen und zu tilgen.



Das CROCI – Modell basiert auf der Prämisse einer zeitlich geballten Investitionstätigkeit, durch welche alle relevanten Einzelinvestitionen zum Bewertungsstichtag synchronisiert und als verauslagt unterstellt werden. Diese Bruttoinvestitionsbasis, die man auch als Gesamtkapital des Unternehmens betrachten kann, stellt die fiktive zu verzinsende Anfangsauszahlung zum Bewertungsstichtag dar und wird in heutigen Geldeinheiten gemessen. Bruttoinvestitionsbasis = Nettowert (nach Abzug nicht-verzinslicher Verbindlichkeiten) der nicht planmäßig abschreibbaren Aktiva (ohne Vorräte) + inflationsangepasster Bruttowert der abschreibbaren Aktiva.



Außerdem wird der Brutto Cash Flow (BCF) benötigt. Es wird angenommen, dass der in der letzten IST - Periode des Unternehmens erwirtschaftete BCF in den Folgeperioden in derselben Höhe generiert wird. Eine in diesem Zusammenhang wesentliche Modellprämisse ist, dass der BCF nicht für Investitionen, die nach dem Bewertungsstichtag liegen, verwendet wird. Die zum Bewertungsstichtag bereits getätigten Investitionen werden in den Folgeperioden so lange betriebsgewöhnlich abgenutzt, bis sie verbraucht sind; das Gesamtkapital des Unternehmens somit aufgebraucht ist. Deshalb hat in diesem Modell das zu bewertende Unternehmen einen endlichen Lebenszyklus. Im letzten Jahr dieses Zyklus werden die nicht - abnutzbaren Vermögensgegenstände fiktiv als veräußert betrachtet, so dass dem Unternehmen zusätzlich zu dem konstanten Brutto Cash Flow der Restwert dieser Aktiva zufließt. BCF zu laufenden Preisen = Ergebnis nach Steuern + AfA + Zinsaufwand + Miet- und Leasingaufwendungen + evtl. Wertkorrekturen der Vorräte +/- evtl. Inflationsgewinn / - verlust auf Nettoliquidität.


Nach Bruttoinvestitionsbasis und Brutto Cash Flow zu laufenden Preisen ist die Bestimmung der tatsächlichen Nutzungsdauer der abschreibbaren Aktiva die dritte notwendige Komponente zur Errechnung des CROCI. Verzerrungen der tatsächlichen Nutzungsdauer durch handels- bzw. steuerrechtliche Vorschriften müssen dabei ausgeschlossen werden. Eine angemessene Methode besteht in der unternehmensspezifischen Klassifizierung der gesamten Aktiva. Gleichartige Aktiva werden zu Klassen zusammengefasst, denen jeweils eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugeordnet wird.


Der interne Zinsfuß (CROCI) stellt mathematisch ein Gleichgewicht zwischen der in der Vergangenheit getätigten Investitionsauszahlung (Bruttoinvestitionsbasis), den während des endlichen Lebenszyklus konstanten Brutto Cash Flows und dem am Ende seines Lebenszyklus dem Unternehmen zufließenden Liquidationserlös aus den nicht - abnutzbaren Aktiva her. Dieser interne Zinsfuß kann zum Beispiel mit Hilfe von Excel durch eine finanzmathematische Formel berechnet werden.



Im Grunde genommen stellt der CROCI eine Nachkalkulation von historischen Investitionen dar, welche die Überprüfung erlaubt, ob und in welchem Maße die heute erwirtschafteten Cash Flows genügen, um bereits getätigte Investitionen ausreichend zu verzinsen. CROCI ist also ein Rentabilitätsmaß.


Eine zentrale Aussage des CROCI – Modells ist, dass erst bei einem über den Kapitalkosten (COC) liegenden CROCI vom Unternehmen Wert geschaffen wird. Dieser Vergleich liefert allerdings eine bloß qualitative Aussage, er bestimmt nicht den absoluten Wert des Unternehmens. Zur Bestimmung des Unternehmenswertes sind weitere Schritte nötig.


Die Deutsche Bank leitet die in diesem Modell verwendeten Kapitalkosten direkt aus dem Kapitalmarkt ab. Das Marktgeschehen muss also nicht rechnerisch fingiert werden, wie es im Capital Asset Pricing Modell (CAPM) der Fall ist. Die Kapitalkosten bewegen sich nach den Erfahrungen der Deutschen Bank langfristig ziemlich konstant in einer Bandbreite von 5,5 % p.a. bis 6,00 % p.a. Diese empirisch ermittelten Kapitalkosten (COC) gehen in die folgende Gleichung ein:


Enterprise Value = Free Cash Flow / Cost of Capital


Mit Hilfe des von Analysten geschätzten Free Cash Flows errechnet sich der Enterprise Value des Unternehmens in Form einer ewigen Rente. Dabei wird angenommen, dass der Free Cash Flow und die Kapitalkosten im Zeitablauf konstant sind. Der Enterprise Value entspricht der Bewertung des operativen Geschäfts eines Unternehmens durch den Kapitalmarkt oder anders ausgedrückt: Er ist der Marktwert des Teils des investierten Kapitals, das im operativen Geschäftsbetrieb eingesetzt wird. Dem Enterprise Value liegt eine Bewertung der Zukunftserfolge zugrunde.


Diesem durch den Kapitalmarkt bestimmten Wert des investierten Kapitals (EV) stellt man die Reproduktionskosten des investierten Kapitals (Net Capital Invested, NCI), das im operativen Geschäftsbetrieb eingesetzt wird, gegenüber. Das NCI ist der durch den Investitionsgütermarkt bestimmte Wert des operativ genutzten investierten Kapitals.


Diese Relation hat ihre Ursprünge in dem Ansatz von "Tobins Q". Das EV/NCI - Verhältnis reflektiert die Erwartungshaltung der am Kapitalmarkt handelnden Investoren bezüglich der zukünftigen Unternehmensperformance. Jeder Wert über Eins signalisiert erwartete Wertschöpfung, während jeder Wert unter Eins zukünftige Wertvernichtung erwarten lässt.


Diese Zusammenhänge verbessern das Verständnis für die Aktienkursbildung: sofern die Kapitalmarktteilnehmer davon ausgehen, dass der zukünftige CROCI genau den Kapitalkosten (COC) entspricht, das Unternehmen im Sinne des Modells also keine Werte schafft, sind sie nicht bereit, mehr als das Net Capital Invested (NCI) für die Aktie zu bezahlen.


Ermittlung des Unternehmenswertes


Es ist notwendig, vor der weiteren Erläuterung zur Bestimmung des Unternehmenswertes den Begriff Economic Profit (EP) einzuführen. Dieser entspricht der Differenz zwischen der Rentabilität des Unternehmens (CROCI) und den Kapitalkosten (COC) multipliziert mit dem Reproduktionswert des operativ genutzten investierten Kapitals (NCI):


Economic Profit = (CROCI - COC) x NCI


Der Economic Profit quantifiziert somit die Aussage über Wertschöpfung oder Wertvernichtung des Unternehmens. Er liefert eine absolute Größe. Die Wachstumsrate des EP wird im CROCI - Modell als entscheidende Einflussgröße auf die Entwicklung der Aktienkurse betrachtet. Da nur ein die Kapitalkosten übersteigender interner Zinsfuß als Wertschöpfung gilt, kann der Economic Profit erheblich vom buchhalterisch beeinflussten Free Cash Flow abweichen.


Der die Höhe der Wertschöpfung widerspiegelnde Unternehmenswert ergibt sich aus der Addition des durch den Investitionsgütermarkt bestimmten Wertes des operativ genutzten investierten Kapitals (NCI) und der Summe der mit dem einheitlichen Kapitalkostensatz abgezinsten zukünftig erwarteten EPs. Damit wird deutlich, dass ein Bewertungsaufschlag auf das NCI nur bei der Erwartung von positiven EPs möglich ist. Während der Enterprise Value von dem aus der Buchhaltung des Unternehmens errechneten Free Cash Flow abhängt, wird dieser Unternehmenswert von der Wertschöpfung bestimmt. Er weicht also um so stärker vom Enterprise Value ab, je größer der economic spread ist (CROCI – COC).


Zur Klarstellung muss hervorgehoben werden, dass eine Unternehmenswertsteigerung im Sinne der Aktionäre nicht der Steigerung des durch den Kapitalmarkt bestimmten Wertes des operativ genutzten investierten Kapitals (Enterprise Value, EV) per se gleichzusetzen ist. So kann beispielsweise eine Steigerung des EV ausschließlich aus der Emission neuer Aktien erfolgen. Eine Unternehmenswertsteigerung im Sinne der Aktionäre wird vielmehr durch den Begriff des Market Value Added (MVA) ausgedrückt. Seit Beginn der 1990er Jahre wird der MVA im zunehmenden Maße zur Beurteilung der Performance von Unternehmen herangezogen.


Eine weitere Überlegung ist, dass unter Annahme der Kapitalmarkteffizienz der aktuelle Aktienkurs eines Unternehmens sowohl alle bewertungsrelevanten Informationen als auch Erwartungen zukünftiger Erfolgspotenziale enthält. Damit stellt der Aktienkurs den besten Schätzer für den Unternehmenswert dar, so dass die Prognose von Cash Flows entfällt.


Die Aufgabe des CROCI – Modells besteht in der Bestimmung der erwarteten Unternehmensperformance, die zum Bewertungsstichtag in den Aktienkursen impliziert ist. Zu diesem Zweck bestimmt man den so genannten diskontierten Economic Profit (DEP) mit Hilfe eines umgekehrten Discounted Cash Flow – Modells. Dadurch werden die Markterwartungen hinsichtlich des Market Value Added mit in die Betrachtung einbezogen.


Der ursprünglich aus dem Aktienkurs abgeleitete DEP basiert auf dem Modell der ewigen Rente. Ein Unternehmen ist also durch einen bis in alle Ewigkeit konstanten CROCI und durch ein unveränderliches investiertes Kapital (NCI) charakterisiert. Da diese Annahme wenig realistisch ist, berücksichtigt das CROCI – Modell dagegen zusätzlich die Wettbewerbssituation des Unternehmens.


Ausgehend von dem durch den Kapitalmarkt bestimmten Wert des operativ genutzten investierten Kapitals (EV) des Unternehmens wird der Cash Flow (DEP) ermittelt, der unter Zugrundelegung der empirisch bestimmten Kapitalkosten (COC) genau den zum Bewertungszeitpunkt maßgeblichen Unternehmenswert ergibt. Durch dieses Vorgehen wird die durch Unsicherheit geprägte Prognose von jährlichen Cash Flows entbehrlich und der Fokus auf die im Aktienkurs enthaltenen Erwartungen des Marktes bezüglich der zukünftigen Unternehmensperformance gelegt:


DEP = (EV – NCI) x COC


Der DEP drückt die Erwartungen des Marktes hinsichtlich der Unternehmensperformance aus und wird mit dem EP verglichen, der die absolute Höhe der Wertschöpfung bzw. Wertvernichtung eines Unternehmens widerspiegelt. Dieser Vergleich lässt Rückschlüsse auf eine durch den Kapitalmarkt erfolgte Über- oder Unterbewertung des Unternehmens zu.


Werttreiber im CROCI - Modell ist die Entwicklung des Rentabilitätsmaßes CROCI und das Wachstum des operativ genutzten investierten Kapitals (NCI) des Unternehmens.


Anwendungsvoraussetzungen: Kapitalmarkteffizienz, das Bewertungsobjekt ist börsennotiert.


Schwächen

  • Annahme eines global einheitlichen Kapitalkostensatzes für alle Unternehmen

  • Implizite Annahme der Wiederanlage zukünftig erzielter Cash Flows zum internen Zinsfuß

  • Annahme konstanter Cash Flows während der gesamten Lebensdauer des Unternehmens


Stärken

  • Ausschließliche Betrachtung realer (inflationsbereinigter) Größen

  • Komplexitätsreduktion

  • Hoher Informationsgehalt

  • Einbezug der Erwartungen des Kapitalmarktes

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