Dienstag, 14. Juli 2009

Bewertung junger Unternehmen durch die Venture Capital – Methode


Die besonders in der amerikanischen Bewertungspraxis gängige Venture Capital – Methode ist als situationsspezifisches Verfahren ausschließlich für den Anlass einer Venture Capital – Finanzierung anwendbar. Sie basiert auf einer Vielzahl von vereinfachenden Annahmen. Aufgrund ihrer mangelnden theoretischen Fundierung wird diese „Praktikermethode“ im wissenschaftlichen Schrifttum zur Unternehmensbewertung kaum behandelt.


Bei der Anwendung der Venture Capital – Methode werden die folgenden vier Schritte durchlaufen:


1. Bestimmung des zukünftigen Unternehmenswertes (Future Value)


Als Future Value wird der Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Exits bzw. der Exitmöglichkeit des Venture Capitalisten bezeichnet. Das klassische Exit – Szenario ist der Börsengang.


Bei der Ermittlung des zukünftigen Unternehmenswertes wird auf eine etablierte Bewertungsmethode zurückgegriffen, wobei aus theoretischer Sicht jedes beliebige Verfahren anwendbar ist. Diese Vorgehensweise impliziert, dass sich das Unternehmen gut entwickelt und ein angemessener Exit überhaupt möglich sein wird.


Aufgrund der einfachen Handhabung wird häufig auf Multiplikatoren zurückgegriffen, die aus Exit – Erlösen vergleichbarer Unternehmen bekannt sind. Multiplikatoren gewinnt man, indem Exit – Erlöse zu Unternehmenskennzahlen (z.B. EBIT oder Umsatzerlöse) in Beziehung gesetzt werden. Bei der Anwendung von Multiplikatoren ist neben einer Vielzahl anderer Gegenargumente kritisch anzumerken, dass in der Vergangenheit beobachtete Marktpreise für einen weit in der Zukunft liegenden Exit herangezogen werden.


Die Güte dieser Multiplikatoren hängt ganz wesentlich davon ab, in welchem Maße die Werte der wichtigsten Kennzahlen des zu bewertenden Unternehmens denen der Vergleichsgruppe entsprechen.


Ergibt sich bei diesem Multiplikator – Verfahren ein tiefer, nicht realistischer, Future Value, so hat das junge Unternehmen nicht das geforderte Potenzial.


2. Bestimmung des gegenwärtigen Unternehmenswertes (Present Value)


Durch Diskontierung des Future Values wird der Present Value ermittelt. Als Zinssatz im Sinne einer Hurdle – Rate verwendet der Venture Capitalist seine spezifische Renditevorstellung. In der Early Stage – Phase liegt diese Zielrendite bei mindestens 50 % p.a. Die tatsächlich erzielten Renditen sind allerdings regelmäßig deutlich niedriger.


V0 = Vt / (1 + rT)


V0 = Present Value

Vt = Future Value

rT = Zielrendite


Zu beachten ist, dass sich durch diese Berechnung eine Post – Money – Bewertung des Unternehmens ergibt. Das bedeutet, dass in dieser Bewertung die Investitionssumme des Venture Capitalisten enthalten ist. Die Pre – Money – Bewertung erhält man durch Subtraktion der Investitionssumme von der Post – Money – Bewertung.


Bringen die an einer Start up – Finanzierung beteiligten Gründer Investitionssummen in Höhe von 100 % des Present Values in das Unternehmen ein und sind keine externen Kapitalgeber vorhanden, ist die Pre – Money – Bewertung logischerweise genau Null (Present Value ./. Investitionssummen der Gründer). Das bedeutet, die Gründer würden ihre eigenen Vorleistungen (Pre – Money) bezahlen. Je weiter die kumulierten Investitionssummen der Gründer unter dem Present Value liegen, desto höher bewerten sie selber ihre Vorleistungen.


Schließlich ist hervorzuheben, dass der gegenwärtige Unternehmenswert alleine aus dem Verkaufserlös der Unternehmensanteile resultiert. Die bis dahin meist negativen Cash Flows haben also keinen Einfluss auf den Wert des Unternehmens.


3. Berechnung des zu fordernden Unternehmensanteils zum Zeitpunkt des Exits


Die Investitionssumme des Venture Capitalisten wird durch den Present Value nach der Post – Money – Bewertung dividiert, um den prozentualen Anteil am Nominalkapital des Unternehmens zu errechnen, den der Venture Capitalist für den Zeitpunkt seines Exits fordert, um seine Zielrendite zu erreichen.


EAt = I0 / V0


EAt = zu fordernder Unternehmensanteil im Zeitpunkt des Exits

I0 = Investitionssumme des Venture Capitalisten

V0 = Present Value des Unternehmens


4. Ausgleich von Verwässerungseffekten


In der Realität von Start up - Unternehmen bleibt es meistens nicht bei der ersten Finanzierungsrunde. Weitere Erhöhungen des Nominalkapitals durch Ausgabe neuer Unternehmensanteile werden folgen. Die dann errechneten Present Values können von dem Present Value der ersten Finanzierungsrunde abweichen.


Erhöhungen des Nominalkapitals führen – auch bei einem unveränderten Present Value – zu einer Verwässerung des prozentualen Unternehmensanteils und damit zu einem niedrigeren Anteil an Gewinnausschüttungen bzw. Veräußerungserlösen. Diesen Effekt hat der Venture Capitalist einzukalkulieren, indem er bei seinem Einstieg einen entsprechend höheren Unternehmensanteil beansprucht.


Zu diesem Zweck muss das zu erwartende Ausmaß der Verwässerung prognostiziert werden. D.h., es ist der gesamte künftige Eigenkapitalbedarf des Unternehmens bis zum Exit des Investors zu schätzen.


Das geschätzte Ausmaß der Verwässerung wird durch die folgende Relation gemessen:


RT = EAt / EA0


RT = Retention Rate

EAt = Eigentumsanteil zum Ausstiegszeitpunkt

EA0 = Eigentumsanteil zum Einstiegszeitpunkt


Der Eigentumsanteil zum Ausstiegszeitpunkt t entspricht dem im dritten Schritt ermittelten Anteil, den der Venture Capitalist zur Realisierung seiner Zielrendite fordert. Bei RT = 1 ist der Investor vor Verwässerungseffekten geschützt.


Der Eigentumsanteil zum Einstiegszeitpunkt wird in Abhängigkeit von künftigen Kapitalerhöhungen / Present Values aus der oben genannten Formel berechnet:


EA0 = EAt / RT ,


wobei zunächst der Wert der Retention Rate RT zu ermitteln ist.


Hierfür ist der verwässerte Eigentumsanteil des Investors nach der nächsten Finanzierungsrunde, d.h. im Zeitpunkt 0 + 1 zu ermitteln:


EA0+1 = I0 / V0+1 ,


woraus unmittelbar


RT = EA0+1 / EA0


folgt. Für die weiteren angenommenen Finanzierungsrunden in den Zeitpunkten

0 + n bis t ist ebenso zu verfahren.




Rechtfertigung der hohen Zielrendite



Wie bereits unter 2. angesprochen, beträgt die von institutionellen Investoren beanspruchte Zielrendite in der Early Stage – Phase mindestens 50 % p.a. bis zu 100 % p.a. Als Rechtfertigung werden drei Faktoren genannt:



  • eine Liquiditätsprämie, die das Risiko der Illiquidität der Unternehmensanteile kompensieren soll;


  • eine Kompensation für den Mehrwert, den der Venture Capitalist schafft;


  • eine Cash – Flow – Adjustierung zur Kompensation des Ausfallrisikos.


Mit diesen drei Faktoren trägt der Venture Capitalist der besonderen Charakteristik junger Unternehmen Rechnung.





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