Samstag, 18. Juli 2009

Die Bewertung auf Grund von Leistungseinheiten



Wissen Sie, wie diese von Eugen SCHMALENBACH beschriebene Bewertungsmethode heute heißt?


"Das Verfahren, im Betriebe befindliche Unternehmungen auf Grund von Leistungseinheitswerten zu schätzen, geht von der Voraussetzung aus, daß mehrere Unternehmungen des gleichen Geschäftszweiges, sofern ihre Leistung die gleiche ist, auch einen gleichen Wert haben müssen und daß, wenn ihre Leistungen verschieden sind, der Unterschied ihrer Werte sich nach dem Unterschied ihrer Leistungen richtet.

Wenn z.B. eine Kohlenzeche, die jährlich 100.000 Tonnen Kohlen produziert, einen Wert von 5 Mill. M hat, so muß nach dieser Regel eine andere Kohlenzeche, die 150.000 Tonnen im Jahre produziert, einen Wert von 7 1/2 Mill. M haben.

Obgleich diese Bewertungsformel, wenn sie in dieser rohen Form angewendet wird, schwerwiegenden Bedenken unterliegt, darf man sie doch keineswegs für wertlos halten. Zunächst lassen sich diese Bedenken zum Teil ausräumen, wenn man den Fehlerquellen nachgeht und sie beseitigt. Außerdem aber ist wohl zu berücksichtigen, daß es keine Schätzungsmethode ohne Fehler gibt und daß es verdienstvoller ist, jede sich bietende Schätzungsmethode zu ergreifen und nach Möglichkeit zu veredeln, als lediglich ihren Wert zu verneinen.

Die Schätzungstechnik auf Grund von Leistungseinheitswerten setzt zwei Dinge notwendig voraus:

1. daß es sich um Gewerbezweige handelt, in denen eine größere Zahl gleicher, ziemlich nahe verwandter Unternehmungen besteht und

2. daß auf diesem Gebiete entweder in nicht gar zu seltenen Fällen Unternehmungen im ganzen verkauft werden, oder daß für ihre Anteile ein belebter Markt vorhanden ist (börsennotierte Aktien und Kuxe).

Diese beiden Voraussetzungen sind gegeben bei Bergwerken, besonders bei Kohlenzechen, Kaliwerken, ferner bei Ziegeleien, Zementfabriken, Bierbrauereien, Spinnereien, Baumwollwebereien, in geringem Grade bei Hüttenwerken, Walzwerken, Elektrizitätswerken, Privateisenbahnen. Die Voraussetzungen liegen in höherem Grade vor bei Unternehmungen, bei denen sich durch besondere Umstände eine gewisse Technik der Schätzungen entwickelt hat, z.B. bei Apotheken, Hotels, Restaurants; bei ihnen wird entweder der Umsatz oder ein Teilumsatz, z.B. bei Restaurationen der Bierausschank, zugrunde gelegt.

Ein interessantes praktisches Beispiel für die Bewertung auf Grund von Leistungseinheiten ist der Quotenhandel, wie er sich in straff organisierten Kartellen (Syndikaten) mit Produktions- und Absatzkontingentierung herausgebildet hat.

In der Öffentlichkeit sind im Zusammenhang mit größeren Transaktionen besonders die Reichsbahnquoten, also die Anteile der Waggon- und Lokomotivfabriken an Reichsbahnlieferungen bekannt geworden.

Die Fehlerquellen, unter denen diese Schätzungsmethode leidet, und denen man mit Sorgfalt nachgehen muß, um sie möglichst ihres Einflusses zu berauben, sind folgende:

1. Die Werke der gleichen Geschäftszweige können auf dieser Basis nur verglichen werden, wenn sie annähernd gleiche Verkaufspreise und gleiche Absatzkosten haben. Das ist gewöhnlich nur der Fall, wenn man benachbarte Werke vergleicht. Liegen sie weit auseinander, gehören sie sogar verschiedenen Industrierevieren an, so müssen sich notwendigerweise verschiedene Schätzungsresultate ergeben. Beispielsweise lassen sich nicht Kohlenzechen des Ruhrreviers vergleichen mit Kohlenzechen etwa des Aachener Bezirks oder gar des oberschlesischen Reviers. Auch wenn man z.B. Brauereien zweier verschiedener Städte miteinander vergleicht, wird man häufig zu stark abweichenden Zahlen kommen. Speziell bei Brauereien kommt noch die verschiedene Intensität hinzu, mit der diese Unternehmungen durch Erwerb oder Beleihung von Wirtschaften ihren Absatz zu pflegen suchen. Am besten gelingen derartige Vergleiche dann, wenn es sich um verschiedene Angehörige des gleichen Syndikats handelt, da sich bei ihnen nach einer gewissen Zeitdauer die Verhältnisse anzugleichen pflegen.

2. Die Methode setzt ferner voraus, daß man bei der Erzeugung verschiedener Werke mit gleichen Kostenverhältnissen zu rechnen hat. Auch das ist bekanntlich niemals völlig der Fall. Namentlich bei Bergwerken bringt die Verschiedenheit der Tiefe, der Flötzstärken, der Bergebeschaffenheit, bei Kalibergwerken namentlich die Verschiedenheit in der Gefahr des Ersaufens große Differenzierungen. Bei Ziegeleien, Steinbrüchen, Kalkwerken u. dgl. spielen die verschiedenen Entfernungen der Abbaustellen zu den Verarbeitungsplätzen eine große Rolle. Auch die Verschiedenheit der größeren oder geringern Sparsamkeit der Verwaltung darf nicht unberücksichtigt bleiben.

3. Dazu kommt die Verschiedenheit der Lebensdauer, der bei Bergwerken und anderen abbauenden Unternehmungen ein großer Einfluß eingeräumt werden muß. Zwar haben die Bergbaufachleute sich in anerkennenswerter Weise bemüht, für Lebensdauerschätzungen theoretisches und praktisches Material zusammenzutragen; das Bedürfnis, für die Zwecke des Kapitalverkehrs Schätzungsgrundlagen zu gewinnen, hat namentlich für die südafrikanische Goldindustrie einen großen Aufwand an Geist und Arbeit entstehen lassen. Im ganzen aber muß leider gesagt werden, daß die Natur selbst diesen Versuchen einen starken Widerstand entgegensetzt; besonders im Erzbergbau haben die wirklichen Vorkommen und die gelehrten Voreinschätzungen oft eine auffällige Inkongruenz ergeben.

Trotz alledem darf die Schätzungstechnik auf diese Methoden nicht verzichten, selbst völlige Fehlschläge müssen ihr ein Ansporn sein, immer wieder die Methoden zu bessern und die Fehlerquellen abzubauen. Wenn das geschieht, und wenn insbesondere die Fachleute aufhören, ihre Ergebnisse als Geheimnis zu bewahren, wenn im Gegenteil die beteiligten Fachleute sich gewöhnen, ihre Urteile auszutauschen, so kann aus dieser Methode ein recht brauchbares Werkzeug werden; zum mindesten werden die gewonnenen Schätzungszahlen als Hilfsquelle gute Dienste tun.

Die Methode, die Börsenkurse zur Gewinnung von Leistungseinheitswerten heranzuziehen, habe ich mehrfach von Mitgliedern meines Seminars bei Kohlengesellschaften zur Anwendung bringen lassen.

Selbstverständlich ist zuzugeben, daß dieser Bewertungsmethode Fehler anhaften, weil die Börsenkurse selbst durch Schätzung entstehen und daher niemals fehlerfrei sein können. Tatsache ist, daß die Kursschätzungen in der Hochkonjunktur allgemein zu hoch ausfallen, in der Depression dagegen zu niedrig. Es gibt aber zahlreiche Kurseinflüsse, die als solche ohne weiteres zu erkennen und zu erfassen sind."


(Schmalenbach: Die Beteiligungsfinanzierung, Köln 1949, S. 69 - 71)



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