Dienstag, 16. Februar 2010

Die Rendite "risikofreier" Anlagen in der Unternehmensbewertung

 
In den "marktwert" - orientierten Bewertungsmodellen wird zur Ermittlung so genannter Eigenkapitalkosten (Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber) üblicherweise das Capital Asset Pricing Model (CAPM) herangezogen. Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das zu bewertende Unternehmen ergibt sich dabei aus der Summe der Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen und einem Risikozuschlag, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Beta - Faktor ergibt.

Die Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen - auch landesüblicher Zins oder Basiszins genannt - wird in der Bewertungspraxis als gegeben angenommen oder gilt als leicht ermittelbar. Bei genauerer Betrachtung ist die Ermittlung einer Rendite für "risikofreie" Anlagen jedoch durchaus problematisch.

Theoretisch ist die risikofreie Rendite die Rendite eines einzelnen Wertpapiers oder eines Wertpapierportfolios ohne jegliches Ausfallrisiko und ohne Korrelation mit den Renditen anderer Kapitalanlagen. Insofern handelt es sich bei dem risikofreien Zinssatz um ein theoretisches Konstrukt. Der beste Näherungswert wäre die Rendite eines Portfolios, dessen Zusammensetzung aus kurz- und langfristigen Wertpapieren die Abweichung des Risikos von null auf ein Minimum reduziert. Doch aufgrund der hohen Kosten und Schwierigkeiten, die mit der Zusammenstellung solcher Portfolios verbunden sind, scheidet dieser Weg zur Bestimmung der risikofreien Rendite aus. 

Es ist umstritten, welcher Zinssatz geeignet ist, die Äquivalenz mit einem Unternehmen als Bewertungsobjekt herzustellen. Infrage kommt ein Stichtagszins zum Bewertungszeitpunkt oder ein zukunftsorientierter Zinssatz in Form eines Erwartungswerts. 

Der Stichtagszins drückt grundsätzlich die aktuellen Erwartungen aller Marktteilnehmer zu diesem Stichtag für eine bestimmte Laufzeit aus. Bei einer unendlichen Laufzeit des zu bewertenden Unternehmens kann der Stichtagszins nur die Grundlage für die Ableitung eines Basiszinses bilden, da am Markt keine Anleihen mit unendlicher Laufzeit gehandelt werden. 

Prognostizierte Zinssätze spiegeln aber nicht die aktuell gültigen Marktpreise der zu bewertenden Zahlungsströme wider. Jedoch ist für die Zeit nach Ablauf der längstmöglichen Alternativanlage eine Prognose der dann möglichen Wiederanlage unerlässlich. Insoferen besteht das Problem bei der Wahl eines Einheitszinses darin, einerseits die aktuellen Marktpreise für Zahlungsströme einschließlich ihres zeitlichen Anfalls wiederzugeben, andererseits noch nicht beobachtbare zukünftige Marktpreise für spätere Zahlungszeitpunkte zu prognostizieren.
 
Konkret stehen hauptsächlich folgende Möglichkeiten zur Ermittlung eines risikolosen Zinssatzes zur Verfügung:
  • Spot Rates,

  • eine am Markt zum Bewertungsstichtag beobachtete Rendite für langlaufende Anleihen ausgezeichneter Bonität (i.d.R. öffentliche Anleihen) wird "in die Ewigkeit" fortgeschrieben,

  • es wird ein Phasenmodell mit zwei Zinssätzen (Basiszins / Anschlussverzinsung) verwendet,

  • es wird ein aus dem Phasenmodell gewonnener Mischzins benutzt,

  • es wird ein Vergangenheitsdurchschnitt des Basiszinssatzes herangezogen.

Spot Rates entsprechen der Rendite einer Nullkuponanleihe für eine bestimmte Laufzeit. Die Verwendung von Spot Rates misslingt, wenn der Unternehmensbewertung ein langer Planungszeitraum zugrunde liegt. Spot rates sind nur für wenige Perioden zu erheben;  am deutschen Kapitalmarkt haben Zerobonds meist eine Laufzeit von maximal 10 Jahren.


Verwendet man den zum Bewertungsstichtag beobachteten Basiszins ewig, wird unterstellt, dass dieser Zins ein guter Schätzer für die Anschlussverzinsung darstellt. Dafür gibt es jedoch keine theoretische Basis. Ohnedies muss sich der Bewerter darüber Klarheit verschaffen, welcher Zeitraum den Basiszins prägen soll. Effektivzinsen unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Laufzeit der Kapitalanlagen.

Nach dem dritten Vorschlag ist neben dem Basiszins der ersten Phase eine Anschlussverzinsung für die zweite Phase zu schätzen. In der Bewertungspraxis wird das Problem der Schätzung einer Anschlussverzinsung meist durch einen Rückgriff auf Vergangenheitsdaten bewältigt. 


Dem vierten Vorschlag gemäß wird aus dem am Bewertungsstichtag geltenden Basiszins und der Schätzung der Anschlussverzinsung ein Mischzins konstruiert. Dieser Durchschnittszins hat den Vorteil, nicht nur aus Vergangenheitsdaten zu resultieren, sondern auch die aktuellen Verhältnisse am Bewertungsstichtag zu berücksichtigen. 


Genau dieser Vorteil geht dem fünften Vorschlag verloren, weil er allein den Vergangenheitsdurchschnitt als repräsentativ für die Zukunft postuliert. In der Rechtsprechung sind es allerdings tatsächlich Vergangenheitsdurchschnitte, die die Bestimmung des landesüblichen Zinses am Bewertungsstichtag prägen.

In der Bewertungspraxis geht man in der Regel von einer flachen Zinsstruktur aus, d.h. es wird für alle Laufzeiten der gleiche Zins unterstellt. Damit ist auch eine Wiederanlage der Rückflüsse zu diesem Zinssatz möglich; unter dieser Bedingung gilt auch eine unendliche Reinvestitionskette bei unendlichem Planungshorizont als unproblematisch. 


Ist die Zinstruktur dagegen nicht flach, stellt sich die Frage, ob ein kurzfristiger oder langfristiger Zinssatz oder möglicherweise auch ein Durchschnittszins aus der Zinsstruktur zum Bewertungssichtag gewählt werden soll. Die DEUTSCHE BUNDESBANK stellt Daten bereit, um für den deutschen Kapitalmarkt eine Zinsstrukturkurve zu erstellen. Sie greift dabei auf ein von NELSON und SIEGEL entwickeltes und von SVENSSON erweitertes Modell zurück. Für diesen in der Realität häufig zu beobachtenden Fall einer nicht - flachen Zinsstruktur halten DRUKARCZYK / SCHÜLER Spot Rates für die richtige Basis zur Ermittlung von Basiszinssätzen:


Im Ergebnis sind Spot Rates die zweckkonformen Diskonstierungssätze. Die durch Marktdaten gestützte Zinsstrukturkurve ist vollständig auszunutzen. Implizite Prognosen sind der historischen Durchschnittsrendite oder expliziten Prognosen über die Anschlussrendite vorzuziehen. Die Reihe der zweckkonformen Spot Rates könnte nach Vorliegen des Bewertungsergebnisses in einen periodenunabhängigen durchschnittlichen landesüblichen Zinsfuß umgerechnet werden. Dieses Ergebnis hängt aber von der zeitlichen Struktur der zu bewertenden Zahlungsreihe ab und ist daher nicht robust.

(Drukarczyk/Schüler: Unternehmensbewertung, 5. Auflage, München 2007, S. 251)


Wird bei der Unternehmensbewertung von der tatsächlichen Zinsstruktur abgewichen, ergeben sich Bewertungsfehler, die jedoch nur im Vergleich mit der Referenz der laufzeitadäquaten Diskontierung ermittelbar sind, die wiederum von den Annahmen am Ende der Laufzeit abhängt. 


Aswath Damodaran schlägt in seiner Schrift What is the riskfree rate? A Search for the Basic Building Block zur Ermittlung der risikofreien Rendite folgenden Ablauf vor:





DAMODARANs Zusammenfassung:
 
Summarizing the key points that we have made over the  paper, we would list the following as the key rules to follow when it comes to riskfree rates.

Rule 1: A riskfree rate should be truly free of risk. A rate that has risk spreads embedded in it for default or other factors, is not a riskfree rate. This is why we argued that local currency government bond rates in many emerging markets cannot be used as riskfree rates.

Rule 2: Choose a riskfree rate that is consistent with how cash flows are defined. Thus, if the cash flows are real, the riskfree rate should also be real. If the cash flows are in a specific currency, the riskfree rate has to be defined in that currency. In other words, once you choose a currency, the riskfree rate should be for that currency and should not be a function of where a company is incorporated or the investor for whom the valuation is done. When valuing a Russian company in Euros, the riskfree rate should be the Euro
riskfree rate (the German 10-year bond rate). 
Rule 3: If you have strong views on interest rates, try to keep them out of the valuation of  individual companies. In other words, even if you believe that riskfree rates will rise or fall over time, it is dangerous to reflect those views in your valuation. If you do so, your final valuation will be a joint result of your views on interest rates and your views on the company, with no easy way of deciphering the results of each effect.

DAMODARANs Schlussfolgerungen:

Conclusion
The risk free rate is the starting point for all expected return models. For an investment to be risk free, it has to meet two conditions. The first is that there can be no risk of default associated with  its cash flows. The second is that there can be no reinvestment risk in the investment. Using these criteria, the appropriate risk free rate to use to obtain expected returns should be a default-free (government) zero coupon rate that is matched up to when the cash flow or flows that are being discounted occur. In practice, however, it is usually appropriate to match up the duration of the risk free asset to the duration of the cash flows being analyzed. In corporate finance and valuation, this will lead us towards long-term government bond rates as risk free rates. In this paper, we considered three problem scenarios. The first is when there are no long-term, traded government bonds in a specific currency. We suggested either doing the valuation in a different currency or estimating the riskfree rate from forward markets or fundamentals. The second is when the long-term government bond rate has potential default risk embedded in it, in which case we argued that the riskfree rate in that currency has to be net of the default spread. The third is when the current long term riskfree rate seems too low or high, relative to historic norms. Without passing judgments on the efficacy of this view, we noted that it is better to separate our views about interest rates from our assessment of companies.

Der IDW S 1 i.d.F. 2008 gibt ein auschnittartiges Abbild der Problematik.


Für den objektivierten Unternehmenswert ist bei der Bestimmung des Basiszinssatzes von dem landesüblichen Zinssatz für eine (quasi-)risikofreie Kapitalmarktanlage auszugehen. Daher wird für den Basiszinssatz grundsätzlich auf die langfristig erzielbare Rendite öffentlicher Anleihen abgestellt. (Tz. 116)



Bei der Festlegung des Basiszinssatzes ist zu berücksichtigen, dass die Geldanlage im zu bewertenden Unternehmen mit einer fristadäquaten alternativen Geldanlage zu vergleichen ist, sodass der Basiszinssatz ein fristadäquater ZInssatz sein muss (Laufzeitäquivalenz). Sofern ein Unternehmen mit zeitlich unbegrenzter Lebensdauer bewertet wird, müsst daher als Basiszinssatz die am Bewertungsstichtag beobachtbare Rendite aus einer Anlage in zeitlich nicht begrenzte Anleihen der öffentlichen Hand herangezogen werden. In Ermangelung solcher Wertpapiere empfiehlt es sich, den Basiszins ausgehend von aktuellen Zinsstrukturkurven und zeitlich darüber hinausgehenden Prognosen abzuleiten. Bei Unternehmen mit einer zeitlich begrenzten Lebensdauer ist ein für diese Frist geltender Zinssatz heranzuziehen. (Tz 117)
Der Fachausschuss Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW e.V. (FAUB) empfiehlt zur Ableitung des Basiszinssatzes die folgende Vorgehensweise:


  1. Schätzung der Zerobond - Zinssätze nach der Svensson - Methode für 1 bis 30 Jahre.
  2. Ableitung eins barwertäquivalenten einheitlichen Basiszinssatzes.
  3. Zur Glättung von Marktschwankungen, Verwendung eines 3 - Monatszeitraums vor dem Bewertungsstichtag.
  4. Rundung auf 1/4%-Punkt.
 
Bei Unternehmensbewertungen für Zwecke der  Erbschafts- und Schenkungssteuern gilt:

Der Basiszins wird einmal jährlich auf Basis der Zinsstruktur (Bundeswertpapiere mit jährlicher Kuponzahlung und einer Restlaufzeit von 15 Jahren) des ersten Börsentages des Jahres durch das BMF vorgegeben. Der Basiszins ist für alle Bewertungsfälle des laufenden Jahres anzuwenden.

Per 04.01.2010 beträgt dieser Basiszins gem. § 203 Abs. 2 BewG 3,98 %.

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