Freitag, 5. Februar 2010

MOXTERs Subjektivitätsprinzip in seinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung


Das Subjektivitätsprinzip bildet eine Spezifizierung des Eignerbezogenheitsprinzips: Es ist auf jenen Ertrag und auf jenen Preis des alternativ erzielbaren Ertrags abzustellen, der für die jeweiligen präsumtiven Käufer bzw. präsumtiven Verkäufer gilt.

Das Prinzip "eignerbezogener" Unternehmensbewertung besagt, dass ein "Wert für die Unternehmenseigner" gesucht ist, nicht etwa ein "Wert des Unternehmens an sich", der von Unternehmenseignern (wie von anderen Personen) abstrahiert.

Eignerbezogenheitsprinzip

I.Subjektivitätsprinzip
II. Typisierungsprinzip
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 Subjektivitätsprinzip

Die aus einem Unternehmen zu erwartenden Erträge hängen vom jeweiligen Unternehmenseigner ab. Unterschiedliche Eigner werden:

(1) finanzielle Erträge unterschiedlicher Höhe erwirtschaften,
(2) nichtfinanzielle Erträge unterschiedlicher Art bevorzugen,
(3) unsichere Erträge, gleichviel ob finanzieller oder nichtfinanzieller Natur, in ihrer Wahrscheinlichkeit unterschiedlich veranschlagen und überdies je nach individueller Risikoneigung unterschiedlich gewichten.

Wenn unterschiedliche Unternehmenseigner unterschiedliche finanzielle Erträge erwirtschaften, so kann dies ganz allgemein auf ihrer jeweiligen Tüchtigkeit beruhen. Man stelle sich etwa vor, daß eine zum Verkauf stehende Metzgerei zu bewerten ist; potentielle Käufer seien der Metzgermeister A und der Metzgermeister B. A mag B hinsichtlich Ehrgeiz und Fähigkeiten weit überlegen sein, so daß A einen Zahlungsstrom von 10 GE, B nur von 5 GE erwarten darf. Bei einem für A und B gleichen Kapitalisierungssatz von 10% gilt für A ein Grenzpreis von 100 GE, für B nur von 50 GE.

Neben der allgemein wirtschaftlichen Tüchtigkeit wird der zu erwartende Zahlungsstrom geprägt durch Vorteile, die sich aus ganz bestimmten Unternehmenskombinationen ergeben ("Kombinationseffekte"): Im gerade erwähnten Beispiel mag als potentieller Käufer auch C gegeben sein; C besitze eine benachbarte Metzgerei und darf sich aus der Übernahme der zu bewertenden Metzgerei Vorteile versprechen, die weder A noch B realisieren können, insbesondere den Vorteil der Konkurrenzausschaltung (aber auch eines gemeinsamen Einkaufs etc.). Das mag etwa dazu führen, daß C einen Zahlungsstrom von 20 GE erwartet, beim gegebenen Kapitalisierungssatz von 10% beträgt der Grenzpreis für C mithin 200 GE.

2. Der Betrag, den ein potentieller Käufer maximal zahlen bzw. den ein potentieller Verkäufer mindestens erlösen muß, hängt auch von den "nichtfinanziellen" Erträge ab, die das zu bewertende Unternehmen verspricht: Die Möglichkeiten beruflicher Entfaltung, die persönliche Unabhängigkeit und viele ähnliche Faktoren sind weder bei allen Unternehmen gleich, noch werden sie von allen Käufern bzw. Verkäufern gleich geschätzt. Je stärker bei einem bestimmten Käufer bzw. Verkäufer solche nichtfinanziellen Erträge ins Gewicht fallen, um so höher wird der Grenzpreis sein. Im Beispiel mag der junge Metzgermeister D, der in der zum Verkauf stehenden Metzgerei eine einmalige Chance sieht, sich in einer ihm adäquaten Weise zu entfalten, einen hohen Grenzpreis haben: Zwar erwarte er lediglich einen Zahlungsstrom von 10 GE, und sein rein finanzieller Grenzpreis beträgt bei einem wiederum gegebenen Kapitalisierungszinssatz von 10% nur 100 GE. Aber D mag entschlossen sein, bis 200 GE "mitzubieten". Nur scheinbar handelt D dann irrational: 200 GE, alternativ angelegt (zu 10%), brächten im freilich einen Zahlungsstrom von 20 GE; aus der zu erwerbenden Metzgerei darf er nur einen Zahlungsstrom von 10 GE erwarten. Doch ein solcher Ertragsvergleich wäre unvollständig und deshalb falsch: Bei alternativer Mittelverwendung bringen 200 GE zwar einen Zahlungsstrom von 20 GE, aber die Alternative verspricht nicht die erwähnten nichtfinanziellen Erträge. Ein Zahlungsstrom von 20 GE kann einem Zahlungsstrom von nur 10 GE äquivalent sein, wenn dieser durch nichtfinanzielle Erträge von entsprechendem Gewicht ergänzt wird.

3. Subjektbezogen sind die aus dem zu bewertenden Unternehmen erwarteten Erträge, finanzielle wie nichtfinanzielle, auch hinsichtlich ihrer Unsicherheit: Für den Unternehmenseigner zählen nur die künftigen Erträge, und deren Höhe ist ungewiß, sie stellen sich, in einem weiteren Sinne verstanden, als "Wahrscheinlichkeitsverteilung" dar. Wie diese Wahrscheinlichkeitsverteilung beschaffen ist, d.h. welcher Ertragshöhe welche (subjektive) Wahrscheinlichkeit zugemessen wird, das hängt vom jeweiligen Individuum ab: von seinem Kenntnisstand, aber auch von seiner Neigung, künftige Entwicklungen eher pessimistisch oder eher optimistisch zu veranschlagen. Ein potentieller Käufer bzw. Verkäufer, der nach Kenntnisstand und Neigung die zu erwartenden Erträge relativ niedrig festsetzt, hat grundsätzlich einen relativ niedrigen Grenzpreis.

4. Subjektbezogen ist nicht nur der aus dem zu bewertenden Unternehmen erwartete Ertrag. Auch der Preis, der für den gleichen Ertrag bei alternativer Erzielung zu entrichten ist, ist grundsätzlich subjektbezogen. Zwar gibt es einen für jedermann bei Mittelanlage erreichbaren allgemeinen Kapitalzins ("landesüblicher Zins"), aber der Kapitalmarkt ist nicht etwa derart vollkommen, daß für bestimmte Anleger abweichende (höhere) Ertragssätze ausgeschlossen wären.

5. "Subjektiv" sind Unternehmenswerte auch im Sinne von "bewerterbezogen": Selbst der überhaupt nicht auf einen bestimmten Unternehmenseigner zugeschnittene Unternehmenswert ist insofern subjektiv, als er die ganz persönlichen Auffassungen des betreffenden Bewerters widerspiegelt. Diese "Bewertungsbezogenheit" des Unternehmenswertes ist, anders als die Eignerbezogenheit, unerwünscht, aber grundsätzlich unvermeidlich.

Der Bewerter sollte so weit wie möglich versuchen, seine Beurteilung von Art und Höhe der Unternehmenswertdeterminanten mit dem potentiellen Käufer bzw. potentiellen Verkäufer abzustimmen. Das bedeutet nicht etwa, daß sich der Bewerter künstlich in eine mehr oder weniger laienhafte Position versetzen müßte, also seinen Sachverstand zu substituieren hätte durch den des Mandanten. Die Erörterung der Ertragssituation und der Chancen alternativer Mittelverwendung mit dem Mandanten dient vielmerh dazu, den Kenntnisstand des Bewerters zu erweitern, diesem eine eignerbezogene Bewertung zu ermöglichen.

Die Erörterung der Wertdeterminanten mit dem Mandanten kann ergeben, daß der Mandant Auffassungen über künftige Entwicklungen vertritt, die der Bewerter nicht zu teilen vermag; damit muß insbesondere im Bereich allgemeiner Wertdeterminanten (wie z.B. der Inflationserwartung) gerechnet werden. Gravierende Meinungsverschiedenheiten wird der Bewerter jedenfalls in seinem Gutachten festhalten; es kann außerdem - was vom Bewertungszweck abhängt - angezeigt sein, den verschiedenen Annahmen entsprechende alternative Unternehmenswerte festzusetzen.

6. Mit dem Subjektivitätsprinzip ist nicht Bewerterbezogenheit, sondern Eignerbezogenheit gemeint, genauer das Erfordernis, von den ganz subjektiven Verhältnissen des jeweiligen Käufers oder Verkäufers auszugehen, einen in diesem Sinne subjektiven (höchstpersönlichen) Grenzpreis zu ermitteln (und gegebenenfalls auf der Basis derartiger subjektiver Grenzpreise einen Schiedspreis zu bestimmen). Das Subjektivitätsprinzip wird, wie sogleich zu zeigen sein wird, eingeschränkt durch das Typisierungsprinzip; die Bewerterbezogenheit läßt sich einschränken durch Objektivierungsregeln

(Adolf MOXTER: Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 23-24)
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