Mittwoch, 30. September 2009

Das Modigliani / Miller - Modell in der Unternehmensbewertung


Die finanzierungstheoretisch fundierten Methoden der Unternehmensbewertung stützen sich zur Berücksichtigung des Risikos neben dem Capital Asset Pricing - Modell (CAPM) auf das Modigliani / Miller - Modell (MM - Modell), welches der neoklassischen Finanzierungstheorie zuzurechnen ist. Als Alternative bietet auch die Arbitrage Pricing Theory (APT) einen Ansatz zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten.

Erkenntnisobjekt des CAPM ist eine Anteilseinheit (z.B. eine Aktie) am zu bewertenden Unternehmen, das Modigliani / Miller - Modell betrachtet das gesamte Unternehmen. Das CAPM wurde entwickelt, um die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt für risikobehaftete Kapitalanlagen zu erklären, es konzentriert sich dabei auf das leistungswirtschaftliche Risiko des Unternehmens.

Das gleichgewichtstheoretische MM - Modell wird angewendet, um den Zusammenhang von Kapitalstrukturrisiko und Renditeforderung der Kapitalgeber darzustellen. Es betrachtet also das finanzwirtschaftliche Risiko des Unternehmens. Modigliani / Miller haben den engen Zusammenhang zwischen der Frage nach der optimalen Kapitalstruktur und der Frage nach dem
im Kapitalmarktgleichgewicht bestehenden Marktwert des Unternehmens (= Marktwert des Eigenkapitals + Marktwert des Fremdkapitals) aufgezeigt.

In der älteren Literatur wird von einer "klassischen These" gesprochen, wonach ein nicht beliebig wählbarer optimaler Verschuldungsgrad existiert, bei dem die subjektive Zielsetzung der Eigentümer des Unternehmens ceteris paribus bestmöglich erfüllt wird. MM formulieren eine dieser klassischen Theorie entgegengesetzte Irrelevanzthese, die die Existenz einer optimalen Kapitalstruktur im Gleichgewicht des vollkommenen Kapitalmarktes negiert.

MM formulieren ihre Thesen in Form von drei Theoremen, die in krassem Gegensatz zur klassischen Finanzierungslehre stehen. Sie weisen partialanalytisch nach, dass unter gegebenen Bedingungen zwei Unternehmen der selben leistungswirtschaftlichen Risikoklasse (synonym: Geschäftsrisiko) sich nicht allein aufgrund einer unterschiedlichen Kapitalstruktur in ihrem Marktwert unterscheiden können. Die Risikoklasse wird dabei durch ein bestimmtes reales Ertragsmuster gekennzeichnet, welches durch eine ein für allemal festgelegte Investitionspolitik des Unternehmens erzeugt wird.

Das Modigliani / Miller - Grundmodell in einer Welt ohne Steuern

(Modigliani / Miller: The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment. American Economic Review, Vol. 48, S. 261-297, 1958)

Erstes Theorem

"Ist das Investitionsprogramm eines Unternehmens unabhängig von seiner Finanzierung vorgegeben, so beeinflusst eine Änderung seiner Finanzierungspolitik bei vollkommenem Kapitalmarkt weder seinen Marktwert noch den finanziellen Nutzen des Kapitalgebers."
(Franke / Hax: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 4. Auflage, Berlin 1999)

Mit anderen Worten: Der Marktwert eines einer bestimmten Risikoklasse angehörenden Unternehmens ist unabhängig von seiner Kapitalstruktur (Irrelevanz). Er errechnet sich durch Abzinsung der zukünftigen Zahlungsströme mit der geforderten Eigenkapitalrendite eines vollständig eigenfinanzierten Unternehmens der gleichen leistungswirtschaftlichen Risikoklasse. Vor der Einteilung in Risikoklassen wird das Geschäftsrisiko vom Kapitalstrukturrisiko eines Unternehmens getrennt. Der Kapitalmarkt ist derart modelliert, dass er alle denkbaren Transformationsleistungen bietet. Jeder Marktteilnehmer kann jede beliebige Zeit- und Risikostruktur von Zahlungsströmen erzeugen. Unterscheiden sich zwei Unternehmen lediglich hinsichtlich ihres finanzwirtschaftlichen Risikos, nicht aber bezüglich der Höhe der erwarteten Zahlungsströme und nicht in Bezug auf das leistungswirtschaftliche Risiko, können ihre Marktwerte nicht voneinander abweichen. Rational handelnde Investoren sind in der Lage, auf einem vollkommenen Kapitalmarkt eine ihren Präferenzen entsprechende Position zu realisieren.

Der Marktwert eines Unternehmens wird berechnet, indem der erwartete Einzahlungsüberschuss mit einem seinem Risiko adäquaten Kapitalisierungszinssatz abgezinst wird. Die von den Anteilseignern eines eigenfinanzierten Unternehmens geforderte Eigenkapitalrendite setzt sich zusammen aus einem risikolosen Zinssatz und einem Risikozuschlag für das leistungswirtschaftliche Risiko.


Umformulierung des ersten Theorems (entspricht dem dritten Theorem von MM)

Die durchschnittlichen Kapitalkosten (weighted average capital costs / wacc) - auch eines mischfinanzierten Unternehmens - sind unabhängig von der Kapitalstruktur des Unternehmens und gleich der geforderten Eigenkapitalrendite eines vollständig eigenfinanzierten Unternehmens der selben Risikoklasse. Daraus kann auf den Verlauf der Eigenkapitalkosten in Abhängigkeit vom Verschuldungsgrad eines Unternehmens geschlossen werden.

Zweites Theorem

Die Eigenkapitalkosten bei anteiliger Fremdfinanzierung sind eine linear ansteigende Funktion der Kapitalstruktur des Unternehmens und sind identisch mit den Eigenkapitalkosten eines rein eigenfinanzierten Unternehmens zuzüglich einer Risikoprämie für das finanzwirtschaftliche Risiko. Man beachte streng die Unterscheidung zwischen Kapitalstruktur (Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital) und Verschuldungsgrad (Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital). Im Rahmen des MM - Modells sind außerdem stets die Marktwerte für Eigen-, Fremd- und Gesamtkapital zu betrachten. Es sind allein Marktwerte, die bei Arbitrageüberlegungen (s. unten) eine Rolle spielen.


Die von den Anteilseignern geforderte Eigenkapitalrendite entspricht den Eigenkapitalkosten eines ausschließlich eigenfinanzierten Unternehmens zuzüglich eines Risikoaufschlags für das Kapitalstrukturrisiko, das bei einer Verschuldung zu tragen ist. Der Risikoaufschlag folgt exakt dem Leverage - Effekt (s. unten). Er rechtfertigt sich aus der Überlegung, wonach es allein die Eigenkapitalgeber sind, die das Risiko der Unternehmung tragen; die Fremdkapitalgeber gehen annahmegemäß kein Risiko ein. Erhöht man den Fremdkapitaleinsatz im Unternehmen, ohne dessen Investitionsprojekte zu verändern, tritt folgendes ein:
  • Der relative Eigenkapitaleinsatz der Anteilseigner sinkt um den relativen Erhöhungsbetrag des Fremdkapitaleinsatzes.
  • Der den Eigentümern zustehende Teil der Zahlungsströme reduziert sich um die erhöhten Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber.
  • Die erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber steigt.

Bei einem sinkenden relativen Eigenkapitaleinsatz mit steigender Eigenkapitalrendite ist es nicht möglich, durch Verschuldung den Marktwert des Eigenkapitals zu erhöhen. Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt heben sich Rendite- und Riskoeffekte auf (s. unten, "home-made leverage effect"). Miller wurde in einem Interview gefragt, wie man die Botschaft des MM-Modells allgemeinverständlich formulieren könnte. Nach einigen erfolglosen Versuchen antwortete er, dass die Zunahme der Verschuldung "more pieces, but not more pizza" schaffe.


Drittes Theorem

Die durchschnittlichen Kapitalkosten sind unabhängig von der Kapitalstruktur. Dies ist eine Erweiterung des ersten Theorems auf einzelne Investitionsprojekte.

Es gibt keine Kapitalstruktur, bei der die Höhe der durchschnittlichen Kapitalkosten gesenkt werden kann. Durchschnittliche Kapitalkosten (weighted average cost of capital = wacc) sind ein arithmetisches Mittel aus dem Fremdkapitalzinssatz und der Eigenkapitalrenditeforderung bei mischfinanzierten Unternehmen, deren Gewichte die Kapitalanteile, bewertet zu Marktwerten, am Unternehmensgesamtwert sind. Die wacc bleiben unabhängig von der Kapitalstruktur stets auf der Höhe der Eigenkapitalkosten eines unverschuldeten Unternehmens.

Bedingungen für diese drei Theoreme (Matschke / Brösel: Unternehmensbewertung, 2. Auflage, Wiesbaden 2006, S. 42):

  • Es sind ein vollkommener und vollständiger Markt sowie ein vollständiger Wettbewerb gegeben.
  • Eigen- und Fremdkapital werden steuerlich gleichbehandelt.
  • Private Verschuldung und Kreditaufnahme von Unternehmen erfolgen zu gleichen Konditionen.
  • Anleger beurteilen die private Verschuldung und die Beteiligung an einem verschuldeten Unternehmen indifferent.
  • Der Fremdkapitalzins ist unabhängig von der Kapitalstruktur. Es wird von Insolvenzkosten und Illiquiditätsgefahren abstrahiert.
Unabhängig von seiner Höhe, der zeitlichen Struktur und der Unsicherheitsdimension ist auf einem so definierten Kapitalmarkt jeder Zahlungsstrom handelbar. Befindet sich der Kapitalmarkt im Gleichgewicht, gelten für äquivalente Zahlungsströme identische Preise. Dies folgt unmittelbar aus Arbitragefreiheitsüberlegungen.

Das Irrelevanztheorem wird von MM durch einen Arbitragebeweis nachgewiesen. Ein Gewinn wird dann als Arbitragegewinn bezeichnet, wenn er ohne Einsatz zusätzlicher finanzieller Mittel und ohne zusätzliches Risiko durch die Umschichtung einer gehaltenen Vermögensposition realisiert werden kann. Es wird gezeigt, dass immer dann ein Arbitrageprozess einsetzt, wenn die Marktwerte zweier Unternehmen voneinander abweichen, sofern sie der selben Risikoklasse angehören, gleich hohe Gewinne vor Steuern erzielen und sich nur in ihrer Kapitalstruktur voneinander unterscheiden. Die Anleger des höher bewerteten Unternehmens verkaufen ihre Anteile und erwerben Anteile des niedriger bewerteten Unternehmens. Nach dieser Transaktion erzielen die Anteilseigner einen Einkommensstrom, der dem vor dieser Transaktion entspricht. Auch ihre Risikoposition ist unverändert. Sie haben aber einen Arbitragegewinn durch diese Transaktion erzielt. Der Arbitragehandel endet erst, wenn sich durch den Marktmechanismus die Marktwerte beider Unternehmen angegleichen haben. Man sieht also, dass dieser Ausgleichsmechanismus allein über die Kapitalangebotsseite funktioniert. Die Möglichkeit einer Insolvenz wird zunächst ausgeschlossen. Auch Liquiditätsaspekte werden vernachlässigt. Ebenso erhalten bleibt die Annahme konstanter Fremdkapitalzinsen.

Eine zweite wichtige Säule des MM - Theorems ist eine Investitionstheorie mit dem Ziel der Marktwert - Maximierung. Es werden jene Investitionsprojekte realisiert, deren erwartete Rendite eine als marktüblich erachtete Verzinsung überschreitet. MM bezeichnen diese Grösse als die durchschnittlichen Kapitalkosten. Diese Regel ist sowohl von der Kapitalstruktur als auch von den Präferenzen der Kapitalanleger unabhängig. Der Kapitalanleger orientiert sich demnach ausschließlich am Ziel der Marktwert - Maximierung.

Bei Berücksichtigung des Insolvenzrisikos bleibt die Irrelevanz der Kapitalstruktur (Erstes Theorem) unter bestimmten Bedingungen erhalten.

Für die Gültigkeit auf Ebene des Kapitalmarktes ist die Bedingung der "financial completeness" erforderlich. Diese gilt im MM - Ansatz ("home-made leverage"), wenn es jedem Anleger möglich ist, ein bestimmtes Ertragsmuster zu replizieren; im "state of the world" - Ansatz, wenn alle Ertragsmuster bereits im Markt gehandelt werden. Grundidee des home-made leverage - Konzeptes: Das Management eines Unternehmens erhöht durch Maßnahmen, die die Anteilseigner selbst bewerkstelligen können, den Nutzen der Anteilseigner nicht. Auch den Verschuldungsgrad können die Anteilseigner "zuhause" selbst herstellen. Ferner können die Anteilseigner die von ihnen gewünschte Rendite- bzw. Risikoposition selbst herstellen. Aus diesem Grunde sind Kapitalstrukturentscheidungen auf Ebene des Unternehmens für den Anteilseigner irrelevant. Durch home-made leverage kann eine Veränderung des Verschuldungsgrades des Unternehmens durch die Anteilseigner ausgeglichen werden. Der Wert der Anteile bemisst sich ausschließlich nach der "Qualität" der Investitionsprojekte des Unternehmens.

Das Modigliani / Miller - Modell in einer Welt mit proportionaler Ertragsteuer

(Modigliani / Miller: Corporate Income Taxes and the Cost of Capital: A Correction. American Economic Review, Vol. 53, S. 433-443, 1963.)

In die Betrachtung werden Ertragsteuern auf Ebene der Unternehmen einbezogen, Erträge der Eigen- und Fremdkapitalgeber werden dagegen nicht besteuert.

Der Aufwand aus Fremdkapital - Zinsen kürzt die steuerliche Bemessungsgrundlage der Unternehmen.

Das Nachsteuer - Arbitragetheorem von Modigliani / Miller

Die Kapitalstruktur eines Unternehmens hat Einfluss auf den Unternehmenswert sowie auf die Höhe der Kapitalkosten.

In der Praxis der Unternehmensbewertung ist zu beobachten, dass nur die Alternative "Erwerb eines vollständig eigenfinanzierten Unternehmens" mit der Alternative "Erwerb eines mischfinanzierten Unternehmens" anhand der Barwerte beider tax shields verglichen werden. Statt dessen ist es jedoch geboten, diese beiden Alternativen mit gleichzeitiger Kompensation des Kapitalstrukturrisikos durch home - made laverage (s. oben) zu vergleichen.

Verschuldet sich ein Investor privat, um ein Unternehmen vollständig mit Eigenkapital auszustatten, so erzielt er aus diesem Unternehmen einen Zahlungsstrom, der kleiner ist als ein Zahlungsstrom aus einem hinsichtlich seines Leistungsbereiches identischen Unternehmens mit anteiliger Fremdfinanzierung bei betragsgleicher privater Verschuldung. Diese jährliche Differenz der Zahlungsströme wird durch die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen von der Steuerbemessungsgrundlage bewirkt. Der periodische Steuervorteil wird als tax shield bezeichnet. Wegen des annahmegemäß ausgeschlossenen Insolvenzrisikos ist dieser Steuervorteil risikolos. MM gehen dabei von der Annahme aus, dass die Höhe des Fremdkaptals des Unternehmens im Zeitablauf konstant ist. In der Realität ist das Fremdkapital - Volumen jedoch nicht unerheblichen Veränderungen unterworfen. Einige Autoren empfehlen deshalb, nach Ablauf der ersten Periode für die Folgeperioden jeweils einen Erwartungswert des tax shield zu bilden. Die Theorie hat sich sehr ausführlich mit der Frage der Bewertung dieser tax shields und damit ihrer Auswirkung auf die Kapitalkostenfunktiion beschäftigt (Inselbag / Kaufold: Two DCF Approaches for Valuing Companies under Alternative Financing Strategies, in: JoACF, Heft 1 1997, S. 114-122).

Der Marktwert eines mischfinanzierten Unternehmens entspricht im Gleichgewicht des Kapitalmarktes dem Marktwert eines unverschuldeten Unternehmens zuzüglich dem Barwert des tax shields. Der Barwert des tax shields ist also ein fremdkapitalinduzierter Wertvorteil. D.h., der Marktwert von Unternehmen mit unterschiedlicher Kapitalstruktur unterscheidet sich allein um den - hypothetischen - Marktwert der unterschiedlichen Steuerbelastung.

Wäre der Marktwert eines mischfinanzierten Unternehmens geringer als der Marktwert eines vollständig eigenfinanzierten Unternehmens zuzüglich des Barwertes der fremdkapitalinduzierten Steuerersparnis, dann könnten die Eigner des unverschuldeten Unternehmens bei identischer Risikostruktur ihres Portfolios einen Arbitragegewinn realisieren, indem sie die Anteile der unverschuldeten Gesellschaft verkaufen, um anschließend den Erlös in einem bestimmten Verhältnis in Anteile des mischfinanzierten Unternehmens sowie in Anleihen dieses Unternehmens zum - annahmegemäß - risikolosen Zinssatz zu investieren. Anteile werden so lange umgeschichet, bis sich keine Arbitragemöglichkeiten mehr bieten.

Dieses Nachsteuer - Arbitragetheorem ist seit Jahrzehnten gebräuchlich, um Kalkulationszinssätze gemischtfinanzierter Unternehmen zu berechnen. Es ist Grundlage der finanzierungstheoretisch fundierten Bewertungsverfahren. Der Erklärungsgehalt dieses Theorems ist allerdings dadurch eingeschränkt, dass nicht begründbar ist, warum Investitionsprojekte mit mehr als nur marginaler Eigenmittelfinanzierung durchgeführt werden (Die Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital ist nach diesem Theorem lohnend). Der praktischen Relevanz hat dies jedoch merkwürdigerweise keinen Abbruch getan.

Die Besteuerung hat auch Einfluss auf den Verlauf der Eigenkapitalkosten. Es lässt sich zeigen, dass die Eigenkapitalkosten bei wachsender Verschuldung um den Faktor (1 - s, mit s = Steuersatz) langsamer ansteigen. Weiterhin kann aufgezeigt werden, wie die gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten (wacc) auf die Besteuerung reagieren. Der Term (1 - s) führt zu einer Reduzierung des Fremdkapital - Zinssatzes und bringt dadurch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen zum Ausdruck. Die dadurch veränderten gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten führen zugleich zu einer Steigerung des Marktwertes des Unternehmens.

Leverage - Effekt

Anhand des Leverage - Effektes lässt sich zeigen, wie sich eine zunehmende Verschuldung des zu bewertenden Unternehmens auf Rendite und Risiko der Kapitalgeber auswirkt. Ist das zu bewertende Unternehmen anteilig fremdfinanziert, muss der operative Einzahlungsüberschuss auf Eigenkapital- und Fremdkapitalgebere aufgeteilt werden. Fremdkapitalgeber erhalten ihre vertraglich vereinbarten Zinsen, den Eigenkapitalgebern steht ein Residualanspruch zu. Der Leverage - Effekt beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen der Kapitalstruktur und dem Erwartungswert der Eigenkapitalrendite. Für den Fall, dass der Erwartungswert der Gesamtkapitalrendite den Fremdkapitalzinssatz übersteigt, kann die Eigenkapitalrendite durch Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital erhöht werden (Leverage - Chance). Ist die erwartete Gesamtkapitalrentabilität dagegen kleiner als der Fremdkapitalzinssatz, verringert sich die Eigenkapitalrentabilität bei zunehmender Verschuldung (Leverage - Risiko).

Reaktionen der Kapitalgeber auf eine steigende Verschuldung

  • Die Renditeforderungen werden an die steigende Verschuldung angepasst (Bruttogewinn- Ansatz).
  • Die Renditeforderungen werden nicht an die steigende Verschuldung angepasst (Nettogewinn - Ansatz).
Unter der Bedingung eines im Zeitablauf unveränderlichen Fremdkapitalzinses steigt im Bruttogewinn - Ansatz die Renditeforderung der Eigentümer linear mit zunehmender Verschuldung an, d.h., die Eigenkapitalgeber sind bezüglich des Kapitalstrukturrisikos risikoscheu. Die auf einem kapitalmarkttheoretischen Gleichgewichtsmodell basierenden Überlegungen von MM stellen eine spezielle Form dieses Ansatzes dar, die mit dem DCF - Verfahren angewendet wird. Für die praktische Anwendung des DCF - Verfahrens ergeben sich aufgrund der restriktiven Prämissen des MM - Modells Probleme bei der Berechnung der Renditeforderung der Eigenkapitalgeber; diese Berechnung kann grundsätzlich nur im Rentenfall bei konstantem Fremdkapitalbestand angewendet werden. Für davon abweichende Fälle sind im Schrifttum bestimmte, auf dem Bruttogewinn - Ansatz beruhende Reaktionsfunktionen für die Anpassung der Renditeforderung der Eigentümer an Veränderungen der Kapitalstruktur entwickelt worden. Zu diesen fallspezifischen Reaktionsfunktionen zählen der WACC-, der APV- und der Equity - Ansatz.

Dagegen unterstellt der Nettogewinn - Ansatz bezüglich des Kapitalstrukturrisikos indifferente Eigenkapitalgeber. Für die praktische Anwendung des DCF -Verfahrens würde der Nettogewinn - Ansatz als Reaktionsmuster bedeuten, dass die Renditeforderung der Eigentümer auch bei schwankenden Verschuldungsgraden im Zeitablauf konstant bleiben würde. Nimmt man jedoch einen risikoscheuen Eigenkapitalgeber an, ist dies mit dem Nettogewinn - Ansatz nicht vereinbar.

Die Bedeutung der Annahme unveränderlicher Fremdkapitalzinsen

Unter den im Nachsteuer - Arbitragetheorem von Modigliani / Miller gegebenen Bedingungen sinken die durchschnittlichen Kapitalkosten mit zunehmendem Verschuldungsgrad. In der Realität gibt es abweichende Beobachtungen. Es ist anzunehmen, dass Fremdkapitalgeber mit zunehmender Verschuldung des kreditnehmenden Unternehmens einen riskoadjustierten Fremdkapitalzins verlangen werden, der mit der Höhe der Verschuldung des Unternehemns ansteigt. Trotz Steuerersparnis werden die durchschnittlichen Kapitalkosten irgendwann wieder steigen. Daraus ergibt sich also ein nicht-linearer Verlauf der durchschnittlichen Kapitalkosten in Abhängigkeit von der Kapitalstruktur. Damit sind die klassischen Arbitrageargumente des MM - Modells nicht mehr anwendbar.

Fazit: Das MM - Modell, welches den DCF - Methoden als Basis dient, bildet die Realität systematisch falsch ab, weil:

  • trotz zunehmender Komplexität der Unternehmen unterstellt wird, dass diese sich in Abhängigkeit von ihrem leistungswirtschaftlichen Risiko in Risikoklassen einteilen lassen,
  • Fremdkapital - Geber annahmegemäß mit der Kreditvergabe kein Risiko eingehen,
  • die Höhe des Fremdkapitals des Unternehmens als im Zeitablauf unverändert angenommen wird (so genannter Rentenfall),
  • es im MM - Modell nutzbringend ist, bei der Finanzierung von Investitionsprojekten Eigenkaital durch Fremdkapital zu substituieren (Leverage - Chance),
  • es im MM - Modell angenommen wird, dass trotz ansteigender Verschuldung der Fremdkapitalzins, den das verschuldete Unternehmen zu bezahlen hat, unverändert hoch bleibt, somit eine Risikoadjustierung durch den Fremdkapitalgeber unterbleibt.






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