Im Unterschied zur Finanzierungstheorie
ist die Investitionstheorie darauf ausgerichtet, die Vorteilhaftigkeit von Zahlungsströmen wirtschaftlich zu beurteilen, um Entscheidungen zu unterstützen, die unter realen, also unvollkommenen Bedingungen zu treffen sind(Matschke / Brösel: Unternehmensbewertung, 2. Auflage, Wiesbaden 2006, S. 104).
Diese Orientierung an zukünftigen Zahlungsströmen wird in Literatur und Praxis als theoretisch richtige Vorgehensweise erachtet. In der Bewertungspraxis begegnet man jedoch Ertragsbegriffen, die nicht unerhebliche Abweichungen aufweisen und deshalb genau voneinander abzugrenzen sind:
- Netto - Cashflows beim (künftigen) Unternehmenseigner
können als zukünftige periodisierte Salden aus Zu- und Abflüssen beim Unternehmenseigner beschrieben werden. Diese Salden umfassen nicht nur Zahlungsströme zwischen Unternehmen und Eigner, sondern auch Zahlungen zwischen Unternehmen und Dritten, die den Eigner betreffen, wie beispielsweise persönliche Steuern oder Synergieeffekte bei anderen Unternehmen des Eigners. Die Ermittlung der Netto - Cashflows erfordert beim zu bewertenden Unternehmen eine integrierte Erfolgs- und Finanzplanung mit ausführlichen Teilplänen unter Beachtung gesellschaftsvertraglicher bzw. handelsrechtlicher Ausschüttungs - Restriktionen. Bei dem Unternehmenseigner sind die persönlichen Steuerwirkungen zu prognostizieren bzw. Planungen der Zahlungswirkungen externer Synergieeffekte vorzunehmen. - Netto - Ausschüttungen aus dem Unternehmen
Diesem Konzept liegt eine isolierte Betrachtung des Unternehmens zugrunde. Externe Synergien, die der Eigner durch andere Unternehmen erzielt, bleiben unberücksichtigt. Im Unterschied zu den Netto - Cashflows bei dem (künftigen) Unternehmenseigner bleiben in der Regel aus Gründen der Vereinfachung auch Steuerwirkungen beim Eigner außer Betracht. Annahmen über die künftige Ausschüttungspolitik können grundsätzlich frei gewählt werden. DRUKARCZYK vertritt ein realitätsnahes Konzept der entziehbaren Überschüsse, wonach die künftige Ausschüttungspolitik wie folgt bestimmt wird: An die Unternehmenseigner ausgeschüttet werden grundsätzlich jene Mittel, die nicht für werterhöhende Investitionen im Unternehmen benötigt werden (residuale Ausschüttung). Dabei ist zu prüfen, inwieweit die zur Rede stehenden Ausschüttungsbeträge handelsechtlich tatsächlich ausschüttungsfähig sind. - Einzahlungsüberschüsse im zu bewertenden Unternehmen
Es wird vereinachend angenommen, dass in jeder künftigen Periode der gesamte im Unternehmen erwirtschaftete Einzahlungsüberschuss an den Eigner ausgeschüttet wird (Vollausschüttungsfiktion). Diese Einzahlungsüberschüsse können mithilfe einer Kapitalflussrechnung ermittelt werden. Die Annahme der Vollausschüttung kann dabei zu Bewertungsfehlern führen. - Periodenerfolge des Unternehmens
Periodenerfolge werden den Gewinn- und Verlustrechnungen des Unternehmens entnommen. Mit dieser Vorgehensweise wird allerdings die investitionstheoretisch fundierte Orientierung der Unternehmensbewertung an Zahlungsströmen aufgegeben. Der Bewerter benötigt in diesem Fall weder eine Finanzplanung noch Annahmen über die künftige Ausschüttungspolitik. Infolge dieser groben Vereinfachungen muss das Bewertungsergebnis als unbrauchbar bezeichnet werden; diese Vorgehensweise ist also abzulehnen. Es sei denn, die der Bewertung zugrunde liegende Planungsperiode ist mit der Totalperiode des zu bewertenden Unternehmens identisch, so dass das Kongruenzprinzip eingehalten wird (der Gewinn einer Periode hat genau der Eigenkapitaländerung der Periode unter Berücksichtigung von Ausschüttungen der Periode zu entsprechen). - Residualgewinne
Der Residualgewinn entspricht dem Periodenerfolg abzüglich der Verzinsung des im Unternehmen gebundenen Kapitals. Gemäß dem Lücke - Theorem gelangt man zum selben Ergebnis, wenn anstelle der Zahlungsströme die Residualgewinne diskontiert werden. Voraussetzung ist die Einhaltung des Kongruenzprinzips. Wird die Unternehmensbewertung auf der Grundlage einer integrierten Erfolgs / Bilanz - und Finanzplanung erstellt, hat die Heranziehung von Residualgewinnen anstelle von Zahlungsströmen keine Vorteile. Falls der Bewerter nur eine sehr schmale Informationsbasis hat, wie z.B. öffentlich zugängliche Daten, hat er zu klären, ob eine Bewertung auf Grundlage erwarteter Residualgewinne zu einer genaueren Bewertung führt als eine Bewertung auf Basis angenommenere Ausschüttungen.
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