Dienstag, 15. September 2009

Paniken im amerikanischen Bankensektor des 19. / frühen 20. Jahrhunderts


Im Zeitraum 1814 - 1914 gab es in den USA insgesamt 13 Fälle von Panik im Bankensektor, der Börsen - Crash des Jahres 1907 gehörte bis dahin zu den schlimmsten. Einige Erklärungen sind monokausal: Liquiditätsknappheit im Finanzsystem. Gier und Korruption u.ä. Dagegen nannte Henry CLEWS 1908 in seinem Buch Fifty Years in Wall Street insgesamt neun Gründe für die Panik des Jahres 1907, die alle auf dieses Jahr bezogen waren:

  1. Manipulationen seitens der Hochfinanz, mit denen die Aktienkurssteigerungen auf 3,5 bis 4 % begrenzt wurden, während Geld auf sechs oder zwölf Monate gegen beste Sicherheiten für 6 % oder mehr verliehen wurde.

  2. Bundesweit war Kapital in großem Umfang in Immobilien und andere feste Anlageformen geflossen und stand daher nicht mehr in flüssiger Form zur Verfügung.

  3. Unbedachte Kreditvergabe seitens der Knickerbocker Trust Co. und ihre dadurch verursachte Zahlungseinstellung.

  4. Das Abstoßen von Wertpapieren im Wert von 800.000.000 US - Dollar durch bestimmte große Marktteilnehmer, worauf gewaltige Neuverkäufe von Wertpapieren durch die Eisenbahnen folgten.

  5. Das Erdbeben in Kalifornien mit seinen Schäden von insgesamt 35o.000.000. US - Dollar.

  6. Die Ermittlungen gegen die Lebensversicherungsgesellschaften.

  7. Die Ermittlungen gegen die Metropolitan Street Railroad.

  8. Das absurde Strafgeld des Richters Landis in Höhe von 29.400.000 US - Dollar gegen ein Unternehmen mit einem Kapital von 1.000.000 US - Dollar.

  9. Die Untersuchung des Chicago & Alton - Deals durch die Bundeswirtschaftskommission und die daraus erwachsenen Folgen.

Robert F. BRUNER/ Sean D. CARR entwickeln vor diesem Hintergrund die These, dass es zu Finanzkrisen kommt, wenn viele Kräfte zusammenwirken (The Panic of 1907. Lessons Learned from the Market's Perfect Storm, Hoboken / New Jersey 2007. Sturm an der Börse, Die Panik von 1907, 2009):
  1. Systemhafte Architektur: Komplexität erschwert es zu erfahren, was vor sich geht, und stellt Verbindungen zur Verfügung, die eine Ausbreitung der Krise ermöglichen.

  2. Dynamisches Wachstum: Wirtschaftliche Expansion führt zu steigender Nachfrage nach Kapital und Liquidiät sowie zu den exzessiven Fehlern, die hinterher der Korrektur bedürfen.

  3. Unzureichende Sicherheitspolster: In der Spätphase wirtschaftlicher Expansion übertreiben Kreditnehmer wie Kreditgeber es mit der Kreditfinanzierung und verringern so den Sicherheitsspielraum im Finanzsystem.

  4. Negative Leitfiguren: Prominente Personen im öffentlichen und privaten Bereich verfolgen Strategien, die Unsicherheit erzeugen, was zur Zerstörung von Vertrauen und zu wachsenden Risiken führt.

  5. Realer Schock für die Wirtschaft: Unerwartete Ereignisse treffen Wirtschaft und Finanzsystem und führen zu einer plötzlichen Umkehr der Erwartungen von Investoren und Sparern.

  6. Übertriebene Angst, Gier und anderes Fehlverhalten: Über die Änderung der rationalen wirtschaftlichen Erwartungen hinaus findet ein Wechswel von Optimismus zu Pessimismus statt, der zu einer Art sich selbst verstärkender Abwärtsspirale führt. Je mehr schlechte Nachrichten es gibt, desto mehr kommt es zu einem Verhalten, das zu schlechten Nachrichten beiträgt.

  7. Scheitern gemeinschaftlicher Anstrengungen: Trotz bester Absichten erweisen sich die Maßnahmen der Akteure auf dem Schauplatz als unzureichend, um die Herausforderungen der Krise zu meistern.

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