Paul Krugman geht in seinem 2008 erschienenen Buch The Return of Depression Economics and the Crisis of 2008 (Deutsche Übersetzung: Die neue Weltwirtschaftskrise, Frankfurt / Main 2009, S. 170 - 177) der Frage nach, wie die im vergangenen Jahr in den USA geplatzten Blasen (Aktien: 2001, Immobilien: 2008) entstehen konnten.
Aktien: Das von Robert SHILLER (Yale University) berechnete Kurs - Gewinn - Verhältnis lag 1995 bei 20, im Jahre 2001 fast bei 45.
Immobilien: Der Hauspreisindex von CASE - SHILLER bewegte sich 1995 zwischen Werten von 90 bis 100, 2006 lag er über 160.
In der Aktienblase der 1990er Jahre kamen seiner Meinung nach vor allem zwei Dinge zum Ausdruck:
"Einerseits herrschte ein extremer Optimismus hinsichtlich des Gewinnpotenzials der Informationstechnologie - ihm wurde große Aufmerksamkeit zuteil. Andererseits breitete sich ein Gefühl der Sicherheit im Hinblick auf die Wirtschaft aus. Man glaubte, dass es nie mehr zu ernsten Rezessionen kommen werde - dies wurde eigentlich nirgendwo angemessen diskutiert. Beides zusammen trieb die Aktienkurse in schwindelerregende Höhen."
Als die Kurse stiegen, setzte am Aktienmarkt offenbar ein kumulativer Prozess ein. Robert Shiller zeigt in seinem Buch Irrational Exuberance, dass eine Aktienblase wie ein Schneeballsystem funktioniert,
"bei dem die Leute so lange Geld verdienen, wie sich weitere Dummköpfe hineinziehen lassen. Wenn sich am Ende keine Dummköpfe mehr finden, bricht das Ganze zusammen. Bei den Aktien wurde der Gipfel im Sommer 2000 erreicht. In den beiden folgenden Jahren verloren die Aktien rund 40 Prozent ihres Wertes."(Krugman).
Für die Immobilienblase war laut Krugman hauptsächlich eine veränderte Praxis der Kreditvergabe verantwortlich:
"Man gewährte den Käufern Kredite, ohne eine Anzahlung - oder allenfalls eine geringe - zu verlangen, und mit Monatsraten, die weit über dem lagen, was sie sich leisten konnten, oder die spätestens dann unerschwinglich werden würden, wenn der anfängliche niedrige Lockvogel - Zins stieg. Vieles, aber nicht alles an dieser zweifelhaften Kreditvergabe lief unter dem Titel "Subprime", doch das Phänomen reicht weit über den Kreis der zweitklassigen Kreditnehmer hinaus. Und es waren nicht nur Hauskäufer mit geringem Einkommen oder aus ethnischen Minderheiten, die sich mehr aufbürdeten, als sie schultern konnten; es war ein allgemeines Phänomen.
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Die finanzielle Innovation, die die Verbriefung von zweitklassigen Hypotheken ermöglichte, war die Collateralized Debt Obligation, kurz CDO. Was eine CDO anbot, waren Anteile (Tranchen) an den Zahlungen aus einem Pool von Hypotheken - aber nicht alle Tranchen waren gleich. Die sogenannten Senior - Tranchen hatten einen erstrangigen Anspruch auf die Zahlungen der Hypothekenschuldner. Erst wenn diese Ansprüche befriedigt waren, wurden die nachrangigen Tranchen bedient. ... Rating - Agenturen waren bereit, Senior - Tranchen von CDOs mit der Note AAA zu bewerten, auch wenn die zugrunde liegenden Hypotheken höchst dubios waren. Das ermöglichte eine großzügige Finanzierung von Subprime - Krediten, weil es viele institutionelle Anleger gibt, die zwar nichts anderes kaufen als AAA-Wertpapiere, aber durchaus bereit waren, mit AAA bewertete Vermögenswerte zu kaufen, die erheblich höhere Erträge abwarfen als gewöhnliche festverzinsliche Wertpapiere."
William McChesney Martin Jr., der die amerikanische Fed von 1951 bis 1970 führte, sagte, es sei Aufgabe der Fed, die Bowle genau dann fortzuschaffen, wenn die Party in Schwung kommt.
Auch Greenspan warnte zwar vor einem irrationalen Überschwang. Er hob jedoch nicht die Zinsen an, um diesen Überschwang an den Aktienbörsen zu dämpfen. Greenspan rechtfertigte seine offensive geldpolitische Haltung damit, dass trotz historisch niedriger Arbeitslosenzahlen und einem hohen Wohlstandsniveau die Inflationsrate nicht nennenswert anstieg. Der historische Zusammenhang zwischen niedrigen Arbeitslosenraten und ansteigender Inflation war außer Kraft gesetzt; aus welchen Gründen, ist bis heute unklar.
Hinzu kam nach Krugmans Meinung, dass sich das Finanzsystem in einer Weise verändert hatte, die niemand vollständig erfasste:
"Während des Booms änderte sich die Struktur des Finanzsystems grundlegend, wobei der Anteil der Anlagen außerhalb des traditionellen Banksystems dramatisch wuchs. Dieses Nichtbank - Finanzsystem wurde schließlich sehr bedeutend, besonders an den Geld- und Kreditmärkten. Anfang 2007 umfassten forderungsgesicherte Papiere in Zweckgesellschaften, strukturierte Investmentvehikel, nachrangige Unternehmensanleihen mit einer per Auktion ermittelten Verzinsung. Tender Option Bonds und Variable Rate Demand Notes erreichten ein Vermögen von zusammen rund 2,2 Billionen Dollar.
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Der Umfang der langfristig riskanten und relativ illiquiden Anlagen, die durch sehr kurzfristige Verbindlichkeiten finanziert wurden, machte viele der Vehikel und Institutionen in diesem parallelen Finanzsystem anfällig für einen Bankenansturm klassischen Typs, aber ohne Schutzmaßnahmen wie die Einlagensicherung, die dem Bankensystem zur Verfügung stehen, um solche Risiken zu reduzieren."
(Paul Krugman, geboren 1953, erhielt 2008 den Wirtschaftsnobelpreis. Er lehrt und forscht an der Princeton University.)
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