Dienstag, 11. August 2009

Bewertung junger Unternehmen durch die First Chicago - Methode


Die Venture Capital – Methode sowie das First Chicago – Verfahren sind „Praktikermethoden“ der Gesamtbewertung, die nur bei dem spezifischen Bewertungsanlass einer Venture Capital – Finanzierung angewendet werden. Aufgrund ihrer mangelnden theoretischen Fundierung werden sie in der wissenschaftlichen Bewertungsliteratur kaum beachtet. SCHERLIS und SAHLMAN haben 1989 beide Verfahren beschrieben.


Die First Chicago – Methode wurde von den Investment – Managern der First Chicago Corporation entwickelt. Während der Beteiligungsphase erfolgende Gewinnausschüttungen werden, ebenso wie bei der Venture Capital – Methode, bei diesem Verfahren nicht berücksichtigt.


Im Unterschied zur Venture Capital – Methode werden jedoch vertraglich vereinbarte Rückflüsse an den Investor in die Betrachtung einbezogen. In den USA ist eine Beteiligung durch den Erwerb von rückzahlbaren Vorzugsaktien gebräuchlich. Die Tilgung dieser Vorzugsaktien durch das zu bewertende Unternehmen ist für den Venture Capital – Geber eine Alternative zum best case – Szenario. Eine zweite Alternative ist eine vertraglich vereinbarte Teil - Rückzahlung auf die Investitionssumme des Venture Capital – Gebers für den Fall der Liquidation des zu bewertenden Unternehmens.


Diese Auffächerung in Szenarien ist das Charakteristikum der First Chicago – Methode. Derartige Alternativen fließen dagegen bei der Venture Capital – Methode nicht in die Bewertung ein. Insoweit kommt es im Vergleich zur First Chicago – Methode zu einer Unterbewertung des Unternehmens.


Die Bewertung durch das First Chicago – Verfahren fußt auf der Idee, dass im besten Fall (beispielsweise durch eine Börseneinführung) zum Exitzeitpunkt die bis dahin mit der Renditeforderung aufgezinste tatsächliche Investitionssumme (Beteiligungsendwert) des Venture Capital – Gebers genau so hoch ist, wie eine angenommene Summe aus exitunabhängigen und exitabhängigen Zahlungsströmen an den Investor. Dies impliziert, dass dem Investor während der Beteiligungsphase keine von der Höhe seines Eigentumsanteils abhängigen Zahlungsströme zufließen und im Exitzeitpunkt seine Rückflüsse nicht höher sein werden als sein Beteiligungsendwert. Das heißt, das Renditeziel des Investors wird bei Realisierung des best case – Szenarios genau erreicht.


Die First Chicago – Methode wurde für den Fall einer Beteiligung durch rückzahlbare Vorzugsaktien entwickelt („Quasi – Eigenkapitalfall“). Die in Deutschland gebräuchliche Beteiligung durch Anteile am haftenden Eigenkapital („Eigenkapitalfall“) kann in dieser Methode nicht sinnvoll abgebildet werden. Die dem Investor in diesem Fall zufließenden Zahlungsströme in Höhe des von ihm zu fordernden Eigentumsanteils lassen sich nicht in die Berechnung integrieren, weil diese beiden Größen interdependent sind.



Bestimmung des Unternehmenswertes


In einem ersten Schritt wird der Endwert der Investitionssumme (Beteiligungsendwert) zum Exit – Zeitpunkt des best case – Szenarios berechnet. Dies geschieht kurzerhand durch eine Aufzinsung der Investitionssumme. Der Aufzinsungsfaktor entspricht dem Renditeziel des Venture Capital – Gebers.


In einem zweiten Schritt wird, ebenfalls durch Aufzinsung, der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtete Endwert der exitunspezifischen Zahlungsströme berechnet.


Zur der im dritten Schritt erfolgenden Berechnung des zu fordernden prozentualen Eigentumsanteils setzt man einfach die Differenz zwischen dem Endwert der Investitionssumme und dem gewichteten Endwert der exitunabhängigen Zahlungsströme (Zähler) ins Verhältnis zum erwarteten Exiterlös (Nenner). Der erwartete Exiterlös wird für gewöhnlich mit Hilfe eines Multiplikators errechnet und mit der für das best case – Szenario festgelegten Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert.


Die Berechnung des gegenwärtigen Unternehmenswertes (Present Value) erfolgt im vierten Schritt. Dies geschieht, indem einfach der zu fordernde prozentuale Eigentumsanteil des Venture Capital – Gebers auf 100 % der Anteile hochgerechnet wird:


Unternehmenswert = Nominale Investitionssumme / Eigentumsanteil.


Beispiel für die Bestimmung des Unternehmenswertes

Investition

750.000

Dividende Vorzugsaktie p.a.

6,00%

Renditeforderung p.a.

15,00%

Wahrscheinlichkeit best case - Szenario

25,00%

Nach dem 5. Jahr Börsengang zum 10-fachen des Gewinns von 1.000.000

Vor dem Börsengang wird noch 75 % der Dividende gezahlt

Wahrscheinlichkeit expected case - Szenario

50,00%

Ab dem 3. Jahr Tilgung der Vorzugsaktie durch Annuitäten

Wahrscheinlichkeit worst case - Szenario

25,00%

Im 2. Jahr Liquidation und Rückzahlung von 15 % der Investition



Exitunspezifische Zahlungsströme

Jahr

1

2

3

4

5

best case

45.000

45.000

45.000

45.000

33.750

expected case

45.000

45.000

280.582

280.582

280.582

worst case

45.000

112.500

0

0

0

Endwerte der Zahlungsströme

Jahr

1

2

3

4

5

best case

292.157

expected case

1.121.467

worst case

249.804

Endwerte der Zahlungsströme * Eintrittswahrscheinlichkeiten

Jahr

1

2

3

4

5

best case

73.039

expected case

560.733

worst case

62.451



Berechnungen in vier Schritten

Beteiligungsendwert im Exit - Zeitpunkt

1.508.518

Endwert der exitunspezifischen Zahlungsströme

696.224

Zu fordernder Eigentumsanteil

32,49%

Gegenwärtiger Unternehmenswert

2.308.277



Der gegenwärtige Unternehmenswert hängt von folgenden Faktoren ab:



Dividende, Renditeforderung, Exit – Erlös des best case – Szenarios,

Wahrscheinlichkeitsverteilung der Szenarien.


Die First Chicago – Methode kann auf deutsche Verhältnisse übertragen werden, wenn der Venture Capital – Geber in Form einer stillen Beteiligung in das Unternehmen investiert.



(Scherlis, Sahlman: A Method for Valuing High - Risk, Long – Term Investments – The “Venture Capital Method”, Harvard Business School Note Nr. 9-288-006, Boston 1989)

1 Kommentar:

  1. Wie genau kommt man den auf den Gegenwärtiger Unternehmenswert? BZW auf die Beteiligung?

    VG

    AntwortenLöschen