Mittwoch, 6. Juli 2011

Unternehmensbewertung unter Berücksichtigung der Zinsschranke

Matthias MEITNER / Felix STREITFERDT (CF biz Juni 2011, S. 258-269)

I. Einleitung

Die Zinsschranke gehört sicherlich zu den in der Fachliteratur am intensivsten diskutierten Regelungen, die die Unternehmensteuerreform 2008 hervorgebracht hat. Dieses Instrument - vom Gesetzgeber mit dem Ziel eingeführt, der Verschuldung deutscher Unternehmen aus Gründen der Steueroptimierung Einhalt zu gebieten - stellt eine Obergrenze für die in einer Periode steuerlich abziehbaren Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom aktuellen Unternehmensergebnis dar. Unternehmen, deren Zinsaufwendungen diese Grenze in einer Periode übersteigen, können die Fremdfinanzierungskosten nicht vollständig steuerlich geltend machen und zahlen dann höhere Steuern als in einer Welt ohne Zinsschranke. Von Vertretern aus Theorie und Praxis wird in diesem Zusammenhang gerne auf die insbesondere in Krisenzeiten für Unternehmen nachteilige Wirkung der Zinsschranke hingewiesen. Bei angespannter wirtschaftlicher Lage würden die Zinsen ansteigen und die operativen Ergebnisse fallen. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke greift und führe somit zu einer Erhöhung der Steuerlast der Unternehmung.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Argumentation problematisch ist. Zwar stellen die Regelungen zur Zinsschranke eine Limitation der periodengenauen steuerlichen Anrechenbarkeit von Zinsaufwendungen dar. Gleichzeitig beinhalten sie aber auch die Möglichkeit, dass Verlustvorträge schneller abgebaut werden als im Falle ohne Zinsschranke. Auf diesem Gedanken aufbauend kann nachgewiesen werden, dass die Zinsschranke in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Wert der Steuerersparnis aus Zinsaufwendungen (den so genannten Wert der Tax Shields) erhöhen kann, sofern das Unternehmen bestimmte Charakteristika aufweist. Eine pauschale Aussage hinsichtlich der Wirkungsrichtung der Zinsschranke auf den Wert der Unternehmung ist nicht möglich.

Insgesamt stellt sich somit die prinzipielle Frage, wie die Zinsschranke in eine Unternehmensbewertung integriert werden kann. Weiterhin stellt sich die Frage, wie sich die Zinsschranke auf den Wert der Tax Shields auswirkt und welche Determinanten diese Wirkung beeinflussen. (...)


V. Thesenförmige Zusammenfassung

  • Es konnte eine entscheidungstheoretisch fundierte Bewertungstechnik für die Tax Shields unter Berücksichtigung der Zinsschranke auf Basis einer risikoneutralen Bewertung abgeleitet werden.

  • Gegen die in diesem Artikel für die Simulation angewendete Bewertungstechnik mag eingewendet werden, dass die Simulation der steuerlichen Bemessungsgrundlage unabhängig von den freien Cashflows der Unternehmung erfolgte. Diese Kritik gilt aber auch für die Annahmen einer - unabhängig von der Höhe der freien Cashflows - stets oder niemals bindenden Zinsschranke.

  • Ein positiver Werteffekt der Zinsschranke tritt insbesondere dann auf, wenn Unternehmen mit aktuell operativen Verlusten gute Zukunftsaussichten haben oder ihr steuerliches operatives Ergebnis sehr volatil ist.

  • Je höher die Abschreibungen der Unternehmung relativ zu ihrem operativen Ergebnis sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass die ZInsschranke einen positiven Effekt auf die Tax Shields hat.

  • Die Zinsschranke wirkt sich bezüglich der Tax Shields insbesondere dann stark negativ aus, wenn das Unternehmen relativ sichere und niedrige, aber positive operative Einkünfte ausweist.

  • Unter Umständen führt eine Abschaffung der Zinsschranke zu einer (im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt gesehenen) stärkeren steuerlichen Belastung von Unternehmen. Daher stellt sich die Frage, inwiefern die aktuellen Klagen über die krisenverschärfende Wirkung der Zinsschranke gerechtfertigt sind. Insbesondere in Krisenzeiten weisen Unternehmen sehr volatile Ergebnisse auf. Zudem zeigt sich aktuell, dass nicht wenige Unternehmen dabei sind, die Finanzkrise endgültig zu überwinden und einen Turnaround hin zum alten Wachstumspfad zu vollziehen. Genau in diesen Fällen hat die Zinsschranke eine positive Wirkung auf den Wert der Tax Shields.

  • Aus den Ergebnissen dieses Beitrags resultiert zusätzlich die Frage, ob aus Gründen der Komplexitätsreduzierung bei Unternehmensbewertungen die ZInsschranke nicht vernachlässigt werden sollte. Die Zinsschranke kann schließlich sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Wert der Tax Shields haben. Sofern ein Bewerter ex ante nicht identifizieren kann, ob sich die Zinsschranke für das zu bewertende Unternehmen eindeutig positiv oder negativ auswirken kann, erscheint die Annahme nicht abwegig, dass sich die Effekte im Durchschnitt ausgleichen. Insofern halten wir die Vernachlässigung der Zinsschranke in Bewertungsmodellen für das deutsche Steuerrecht für nicht übermäßig kritisch.

  • Aber auch wenn die Zinsschranke in der Bewertung vernachlässigt wird, empfiehlt sich die Bewertung der Tax Shields anhand des hier aufgestellten Modells. Der Grund hierfür ist, dass die Simulationsrechnung gezeigt hat, dass der Wert der Tax Shields in einer Großzahl der betrachteten Fälle nicht dem Wert der Tax Shields bei periodengerechter Zinsverrechnung entspricht. Die nicht periodengerechte Zinsverrechnung senkt den Wert der Tax Shields erheblich und hat einen nicht zu vernachlässigenden Werteffekt. Bisherige Bewertungstechniken, die stets eine periodengerechte Zinsverrechnung unterstellen, liefern daher in aller Regel zu hohe Unternehmenswerte.


Das Modigliani / Miller - Modell in der Unternehmensbewertung

 

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