Dienstag, 6. April 2010

Hybride Finanzierungspolitiken in der Unternehmensbewertung


Ein Bewerter, der die marktwert - orientierte Methode der durchschnittlichen Kapitalkosten anwendet (weighted average cost of capital = wacc), muss Annahmen über die Finanzierungspolitik des zu bewertenden Unternehmens treffen. Im Rahmen des Modigliani / Miller - Modells lässt sich anhand des Leverage - Effektes zeigen, wie sich eine zunehmende Verschuldung des zu bewertenden Unternehmens auf Rendite und Risiko der Kapitalgeber auswirkt. Ist das zu bewertende Unternehmen anteilig fremdfinanziert, muss der operative Einzahlungsüberschuss auf Eigenkapital- und Fremdkapitalgebere aufgeteilt werden. Fremdkapitalgeber erhalten ihre vertraglich vereinbarten Zinsen, den Eigenkapitalgebern steht ein Residualanspruch zu. Der Leverage - Effekt beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen der Kapitalstruktur und dem Erwartungswert der Eigenkapitalrendite. Für den Fall, dass der Erwartungswert der Gesamtkapitalrendite den Fremdkapitalzinssatz übersteigt, kann die Eigenkapitalrendite durch Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital erhöht werden (Leverage - Chance). Ist die erwartete Gesamtkapitalrentabilität dagegen kleiner als der Fremdkapitalzinssatz, verringert sich die Eigenkapitalrentabilität bei zunehmender Verschuldung (Leverage - Risiko).

Die geforderten Annahmen über die Finanzierungspolitik des zu bewertenden Unternehmens müssen berücksichtigen, dass die Unsicherheit mit der Länge des Planungszeitraums zunimmt. Es ist deshalb üblich, die so genannte Phasenmethode anzuwenden. Für die nähere Phase werden detaillierte Pläne bezüglich der Kreditaufnahme und Kredittilgung erstellt. In der fernen Phase ist dies nicht mehr sinnvoll möglich; dann wird einfach eine Fremdkapitalquote als Ziel vorgegeben. Diese Vorgehensweise wird in der Literatur als hybride Finanzierungspolitik bezeichnet. 

Bis vor wenigen Jahren konnte man in der Literatur zwar gut ausgearbeitete Vorschläge finden, wie der Bewerter vorzugehen hat, wenn entweder detailliert (autonom) oder mithilfe einer Fremdkapitalquote (wertorientiert) geplant wird.  Es gab jedoch keine Bewertungsgleichung, die einer hybriden Finanzierungspolitik Rechnung getragen hat. Diese Lücke hatten KRUSCHWITZ /LÖFFLER/ CANEFIELD mit Ihrem Beitrag "Hybride Finanzierungspolitik und Unternehmensbewertung" geschlossen (in: FINANZ-BETRIEB, Heft 7-8/2007, S. 427-431).

Dieser Beitrag wurde kürzlich von DIERKES / GRÖGER aufgegriffen. 

 Prof. Dr. Stefan Dierkes

Nach ihrer Auffassung ergibt sich aus der von KRUSCHWITZ / LÖFFLER /CANEFIELD vorgeschlagenen hybriden Finanzierungspolitik daraus ein Kritikpunkt, 

dass bereits im Bewertungszeitpunkt eine Fremdkapitalquote für die zweite Prognosephase mit Sicherheit festgelegt wird. Eine solche frühzeitige Festlegung der Fremdkapitalquote hat in Verbindung mit der autonomen Finanzierung in der ersten Prognosephase zur Folge, dass am Ende der Detailprognosephase der bislang deterministisch festgelegte Fremdkapitalbestand gemäß der für die Rentenphase deterministisch vorgegebenen Fremdkapitalquote anzupassen ist. Je nachdem, welcher Zustand am Ende der letzten Periode der ersten Prognosephase eintritt, müssen demnach erhebliche Fremdkapitalbestandsanspassungen vorgenommen werden, die es fraglich erscheinen lassen, ob das Unternehmen überhaupt in der Lage ist, diese Umfinanzierung vornehmen zu können.

Im Hinblick auf die in Deutschland beobachteten Kreditrestriktionen ist diese Kritik durchaus berechtigt.

DIERKES / GRÖGER stellen eine alternative hybride Finanzierungspolitik vor:

Hybride Finanzierungspolitik in der Unternehmensbewertung, in: CORPORATE FINANCE biz 1/2010, S. 59-64.

Thesenförmige Zusammenfassung:

  • Kruschwitz / Löffler / Canefield haben eine Bewertungsformel für eine L-hybride Finanzierungspolitik in einem Zwei - Phasen - Modell entwickelt, die in der ersten Prognosephase eine autonome und in der zweiten Prognosephase eine wertabhängige Finanzierung vorsieht. Kennzeichen der L-hybriden Finanzierungspolitik ist, dass der wertabhängigen Finanzierung eine zum Bewertungszeitpunkt festgelegte Zielkapitalstruktur zugrunde liegt.

  • Die Bewertungsformel bei L-hybrider Finanzierungspolitik setzt sich aus dem APV Verfahren und dem WACC Verfahren zusammen.

  • Beim Übergang der Prognosephasen kann es bei L-hybrider Finanzierungspolitik zu erheblichen Fremdkapitalbestandsänderungen kommen, die die Realisierbarkeit der hybriden Finanzierungspolitik fraglich erscheinen lässt. Zudem werden für die Rentenphase in der Regel aufgrund fehlender detaillierter Informationen pauschalisierende Annahmen getroffen, die eine Fortschreibung der Ergebnisse am Ende der Detailprognosephase vorsehen. Hohe Fremdkapitalbestandsänderungen stellen vor diesem Hintergrund einen Systembruch dar.

  • Es wurde eine alternative F-hybride Finanzierungspolitik vorgestellt, die ebenfalls eine autonome Finanzierung in der Detailprognosephase und eine wertabhängige Finanzierung in der Rentenphase vorsieht. Der Unterschied zur L-hybriden Finanzierungspolitik besteht darin, dass sich die deterministische Fremdkapitalquote der Rentenphase aus der Fremdkapitalquote ableitet, die sich in der letzten Periode der Detailprognosephase aus dem autonom geplanten Fremdkapitalbestand und dem zustandsabhängigen Unternehmenswert ergibt. Die Sicherheit des Fremdkapitalbestandes am Ende der Detailprognosephase führt dazu, dass die Fremdkapitalquote in der Rentenphase zum Bewertungszeitpunkt unsicher ist.

  • Der Unternehmenswert kann bei F-hybrider Finanzierungspolitik ohne Probleme mit dem APV Verfahren bestimmt werden. Die Kenntnis der für die Rentenphase erwarteten Fremdkapitalquote ist für die Wertermittlung nicht erforderlich.

  • Eine F-hybride Finanzierungspolitik führt im Vergleich zu L-hybriden Finanzierungspolitik grundsätzlich zu höheren Unternehmenswerten, da die Tax - Shields in der Rentenphase in den Perioden der Detailprognosephase nicht mit dem Eigenkapitalkostensatz des unverschuldeten Unternehmens, sondern mit dem sicheren Zinssatz des Kapitalmarktes zu diskontieren sind.









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