Samstag, 20. August 2011

Die europäische Haushaltsunion kommt!


Angela Merkel ist immer für eine Überraschung gut. Jedenfalls scheint es so. Tatsächlich geht sie salamitaktisch vor. Es ist nicht glaubwürdig, eine europäische Wirtschaftsregierung zu befürworten und gleichzeitig Eurobonds abzulehnen:

Eurobonds kommen! Europa auf dem Weg zur politischen Union

Einen Tag nach diesem Beitrag, am 19. August 2011, titelt die Financial Times Deutschland:

 

Brüssel bastelt an Eurobonds

Die EU-Kommission ignoriert den erbitterten Widerstand Frankreichs und Deutschlands gegen die Einführung von Eurobonds. Währungskommissar Olli Rehn lässt ein solches Instrument auf Machbarkeit prüfen, bei dem alle Euro-Staaten gemeinsam Anleihen auf den Markt bringen würden. Dazu sollen auch gesetzliche Vorschläge gehören.

 

Das Ganze sieht nach einem Scheingefecht aus. EU - Kommissar Olli Rehn begründet sein proaktives Handeln mit den Worten:

 

Diese Euro-Wertpapiere würden das Ziel haben, die fiskale Disziplin zu stärken und die Stabilität in der Eurozone über die Märkte zu erhöhen

 

Mit diesem Ziel können sich Politiker und Ökonomen identifizieren. Bleibt die Frage, ob es durch Eurobonds erreicht werden kann. Olli Rehn sagt ja! Wer ihm widerspricht, braucht gute Argumente, um sich durchzusetzen.


EZB - Direktoriumsmitglied Jürgen Stark im Interview mit dem HANDELSBLATT:


Handelsblatt: Herr Stark, alle diskutieren über Euro-Bonds. Wäre die Einführung einer europäischen Gemeinschaftsanleihe der erste Schritt in die Transferunion?

Jürgen Stark: Euro-Bonds sind nicht nur der Einstieg in die Transferunion, sie sind die Transferunion. Es ist ein Transfer von Bonität aus stabilen, soliden Ländern in Staaten, die weniger solide Staatsfinanzen haben. Die Länder, die schlechter dastehen, können sich mit Euro-Bonds günstiger refinanzieren. Für die anderen mit guter Kreditwürdigkeit wird es teurer.

Werden falsche Anreize gesetzt?

In jedem Fall. Es wird so getan, als wären die Euro-Bonds der Königsweg, um aus der Krise herauszukommen. Tatsächlich ist es ein Kurieren an den Symptomen und nicht an den Ursachen. Der Anreiz, die strukturellen Probleme in den Haushalten anzugehen, wird verringert. HB-Interview



Stark argumentiert gegen ad hoc eingeführte Eurobonds. Den Nutzen einer europäischen Wirtschaftsregierung, der beispielsweise darin liegen würde, einem "moral hazard" (Fehlanreiz) zu begegnen, sieht Stark sehr wohl:

 

Wir brauchen ein Mehr an politischer Union und weniger Versprechen, die am Ende nicht eingehalten werden. Die politische Union spielte schon bei den Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag im Februar 1991 eine zentrale Rolle. Die dort niedergelegten Haushaltsregeln und der Stabilitätspakt sind Teil einer politischen Union. Aber es wurde gegen Prinzipien verstoßen, Regeln außer Kraft gesetzt. Mit dem derzeitigen institutionellen Rahmen ist eine gesamtschuldnerische Haftung nicht möglich.


Bemerkenswert ist, dass Angela Merkel in der aktuellen Diskussion das Wort "Transfer" nicht benutzt, statt dessen aber "Haushalt". Offenbar kann sie sich nicht durchringen, von einer europäischen "Haushaltsunion" zu sprechen. Fürchtet Merkel, dass wir die Wahrheit nicht verstehen? Es ist beschlossene Sache, dass die EURO - Staaten künftig ihre Haushaltspläne der EU - Kommission zur Stellungnahme vorlegen. Merkel:

Wir müssen akzeptieren, dass die Kommission sagen darf, ob sie (die Haushalte) den Ansprüchen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes entsprechen.

Was ist, wenn der deutsche Haushalt den Anforderungen der Kommission nicht genügt? Merkel:

Dann müssen die Haushalte nochmals überarbeitet werden, sonst werden wir nie in Europa zusammenkommen.

Das zweite dieser beiden Zitate weist ziemlich deutlich in Richtung auf eine europäische Haushaltsunion. Beim Landesparteitag der niedersächsischen CDU in Hameln ermahnte Merkel die Europakritiker ihrer Partei. Die EU dürfe niemals in Frage gestellt werden.


 

 Anagramm von Tauba Auerbach



Merkel deutet etwas an, was EZB - Chef Trichet bereits seit mehr als einem Jahr öffentlich und mit großem Nachdruck fordert, zuletzt am 28. Juni 2011 in Brüssel:


Speech by Jean - Claude Trichet, President of the ECB, at the Gala Dinner of the State of the European Union Conference "Revitalising the European Dream: A Corporate View":

(...) 

It is the ‘E’ of the EMU, where progress is needed. Already the 1989 Delors report stated that “an Economic and Monetary Union could only operate on the basis of mutually consistent and sound behaviour by governments and other economic agents in all member countries. (…) Uncoordinated and divergent national budgetary policies would undermine monetary stability and generate imbalances in the real and financial sectors of the community.”

What does this mean in practice? It means improving economic governance. It means strengthening the rules to prevent unsound policies. And it means to prohibit individual countries from pursuing policies that can harm themselves and the euro area as a whole. For this reason, I have called, in the name of the Governing Council, on the Commission, the Council and the European Parliament to be very ambitious in reinforcing economic governance in the euro area. 

We have called for a “quantum leap” in governance, for a substantially deepened economic union. Vollständiger Redetext

Es wird immer deutlicher, dass es jetzt nicht mehr um die Stabilität des EURO geht, sondern um die schiere Existenz der gemeinsamen Währung. Die Entscheidung, eine Währungsunion einzuführen, ohne eine Haushaltsunion zu haben, mag politisch richtig gewesen sein. Aus ökonomischer Sicht war es eine Fehlentscheidung, die nun zu korrigieren ist.

Die Wissenschaft hat bereits 1990 auf dieses Problem hingewiesen. Barry Eichengreen, University of California at Berkeley:

One money for Europe? Lessons from the US currency union. 

Aus der Einleitung:
 

Vollständiger Text



Eine gemeinsame Haushaltspolitik setzt selbstverständlich eine einheitliche Besteuerung innerhalb der EURO - Zone voraus. Aber das ist ein anderes Thema.























 

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