Donnerstag, 4. August 2011

Krisenmanagement im Finanzsektor - Vorschläge aus der Literatur


Aus theoretischer Sicht ergeben sich die bekannten Herausforderungen im Prizip aus dem "Trilemma der Finanzpolitik", demzufolge ein stabiles Finanzsystem, ein integriertes Finanzsystem und nationale Finanzautonomie nicht miteinander vereinbar sind (zwei der drei Ziele könnten beliebig miteinander kombiniert werden, jedoch nicht alle drei; eines der Ziele muss jeweils vernachlässigt werden. Diesem Gedankengang zufolge wird die EU als ein hochgradig integrierter Markt mit nationalen Finanzpolitiken zwangsläufig ein instabiles Finanzsystem haben. Dies kann aber auch dahingegend interpretiert werden, dass die Stabilität des Finanzsystems der EU nur erhöht werden kann, wenn die einzelstaatliche Politik stärker europäisch ausgerichtet wird, da Desintegration (z.B. eine Einschränkung des einheitlichen europäischen Passes) keine realistische oder wünschenswerte Lösung darstellt.

Während in der einschlägigen Fachliteratur weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass spezielle Abwicklungsordnungen mit einer Art Finanzierungsregelung für die Mitgliedstaaten notwendig sind, wurden eine Reihe unterschiedlicher Optionen zur Überwindung der grenzüberschreitenden Herausforderungen in der EU diskutiert.

Einige Autoren haben sich als Form der Koordination der nationalen Regierungen bei der Bewältigung grenzüberschreitender Bankenkrisen für rechtsverbindliche Lastenteilungsregelungen ausgesprochen. GOODHART und SCHOENMAKER legen in einem Beitrag nahe, dass bestimmte Ex - Ante - Lastenteilungsabkommen sowohl Ex - Post - Verhandlungen über die Lastenteilung als auch einem durch die Teilnehmerländer gemeinschaftlich finanzierten (allgemeinen) Programm (generische Lastenteilung) überlegen sind. Obwohl sich ihr Beitrag vor allem auf die staatliche Rekapitalisierung und streng genommen nicht auf die Abwicklung von Banken konzentriert, so hat er doch eine EU - weite Diskussion ausgelöst. Letztlich wurde ein solcher Ansatz jedoch von den politischen Entscheidungsträgern als nicht realisierbar erachtet.

MAYES empfiehlt die Entwicklung eines stringenten regelgebundenen Handlungsrahmens, der dem in den Vereinigten Staaten verfolgten Ansatz rascher Korrekturmaßnahmen ähnlich ist. Durch die Umsetzung eines solchen Rahmens wüssten sowohl Aufsichtsbehörden wie auch Banken, dass mit fortschreitender Schieflage eines Instituts gemäß einem strikten Zeitplan zunehmend intrusive Maßnahmen ergriffen werden und die Bank schlussendlich von den zuständigen Behörden übernommen werden muss, solange sie noch über positives Eigenkapital verfügt. Dies könnte durch flankierende Anpassungen des Aufsichtsrahmens unterstützt werden. Somit wäre ein besserer Umgang mit grenzüberschreitend tätigen Banken möglich, der entweder durch eine Anpassung der jeweiligen Zuständigkeiten der Herkunfts- und Aufnahmeländer (durch Übertragung einiger bindender Entscheidungsbefugnisse auf die Aufsichtsbehörde des Herkunftslands über die anderen zuständigen Aufsichtsbehörden) oder durch eine Verlagerung der Aufsicht auf eine supranationale Zuständigkeitsebene erzielt würde.

In mehreren Beiträgen wird das Konzept einer europäischen Behörde für das Krisenmanagement und die Abwicklung befürwortet. FONTEYNE et al. schlagen sogar die Errichtung eines integrierten Rahmens für Krisenmanagement und Abwicklung unter der Führung einer europäischen Abwicklungsbehörde (European Resolution Authority) vor. Dieser Argumentation folgend wäre die Arbeit einer solchen Behörde besonders effektiv, wenn sie durch einen europäischen Einlagensicherungs- und Abwicklungsfonds (European Deposit Insurance and Resolution Fund) ergänzt bzw. mit einem solchen Fonds kombiniert würde. 

In einigen anderen Beiträgen wird auf der Suche nach einer Art Kompromisslösung ein politisch weniger ambitionierter Standpunkt vertreten. So wurde vorgeschlagen (DEWATRIPONT et al.), dass eine europäische Wettbewerbsbehörde explizit die Koordination des Krisenmanagements übernehmen sollte, sofern eine europäische Behörde für die Abwicklung von Banken als politisch nicht umsetzbar erachtet wird oder sich deren Einrichtung verzögert. Diese Wettbewerbsbehörde könnte die Maßnahmen der nationalen Abwicklungsbehörden im Fall von grenzüberschreitend tätigen Banken, die in Schieflage geraten sind, koordinieren und dabei ihr bereits bestehendes Beihilfemandat voll ausschöpfen.

(EZB, Monatsbericht Juli 2011, S. 93-94)




Schoenmaker, Dirk: The Financial Trilemma





Schoenmaker, Dirk: Central Banks and Financial Authorities in Europe: What Prospects?



Goodhart, Charles und Schoenmaker, Dirk: Fiscal Burden Sharing



Mayes, David G.: Early intervention and prompt corrective action in Europe



Fonteyne, Wim et al.: Crisis Management and Resolution for a European Banking System



Dewatripont, Mathias et al.: The role of state aid control in improving bank resolution in Europe 










 



 








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