Mittwoch, 13. Januar 2010

MOXTERs Schiedsgutachtenprinzip



Rationalität des Handelns und parteienbezogene Angemessenheit sind aus dem obersten Grundsatz funktionaler Unternehmensbewertung abgeleitete Basisgrundsätze.

Beide Grundsätze beziehen sich auf den Arbitriumwert innerhalb der Vermittlungsfunktion einer Unternehmensbewertung und stellen sicher, dass

  • durch Beachtung der Entscheidungswerte im Falle einer nicht dominierten Konfliktsituation der Arbitriumwert eine aus der Sicht aller Konfliktparteien zulässige Konfliktlösung darstellt und im Falle einer dominierten Konfliktsituation die Interessen der dominierten Konfliktpartei gewahrt bleiben und, dass

  • der Arbitriumwert eine Interessen ausgleichende "faire" Größe ist.

MOXTER spricht vom Schiedsgutachtenprinzip und konkretisiert den Interessenausgleich durch das Mittelungsprinzip der Grenzpreise, was jedoch nur eine von vielen Konkretisierungen des Angemessenheitsgrundsatzes darstellt, aber auf jeden Fall gewährleistet, dass der Schiedspreis mit rationalem Handeln der Parteien vereinbar ist (MATSCHKE: Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, Vortrag im Rahmen der EUROFORUM Jahrestagung 2003):


Schiedspreisprinzip


I. Schiedsgutachtenprinzip


1. Im allgemeinen kommen die für Unternehmen bzw. für (größere) Unternehmensanteile tatsächlich gezahlten Preise aufgrund von mehr oder weniger langwierigen Verhandlungen zustande. Es gilt insoweit grundsätzlich das gleiche wie für andere Güter, deren Preise nicht von vornherein (infolge entsprechender Markteigenschaften) festliegen, z.B. für gebrauchte Automobile.


Potentielle Käufer und potentielle Verkäufer von Unternehmen versuchen oft, direkte Verhandlungen mit der Gegenpartei zu vermeiden: Man weiß, daß bei solchen Verhandlungen die Wahrheit eine betrübliche Rolle zu spielen pflegt, daß ein ausgeprägtes Interesse an einem günstigen Abschluß das Bewußtsein entsprechend zu beeinflussen vermag; auch ist bekannt, daß Verhandlungsergebnisse sogar bei offenliegenden Positionen (Grenzpreisen) beider Parteien kaum vorhersehbar sind, weil solche Verhandlungsergebnisse entscheidend von psychologischen, erst während des Verhandlungsprozesses sich konkretisierenden Faktoren beeinflußt werden. Nicht einmal der raffinierte, finanziell starke Unternehmensaufkäufer darf sicher sein, sich gegenüber einem naiven, finanziell schwachen potentiellen Verkäufer durchzusetzen; denn die Haltung der Schwachen pflegt sich zu versteifen, wenn sie sich - ob zu Recht oder zu Unrecht - gedemütigt fühlen.


Wenn der potentielle Käufer K einen Grenzpreis (Maximalpreis) von 120 GE hat, der potentielle Verkäufer V dagegen einen Grenzpreis (Minimalpreis) von 100 GE, so verhandeln K und V an sich nur über die Verteilung des "gemeinsamen Gewinns" in Höhe von 20 GE. Gelingt es z.B. K, den V auf dessen "Ausbeutungsposition" zu drücken (K zahlt nur 100 GE), so fließt der gesamte, überhaupt zu verteilende "Gewinn" (20 GE) K zu. Aber V verliert mehr als einen Anteil am "gemeinsamen Gewinn": V verliert "sein Gesicht". Die Furcht vor einem solchen Gesichtsverlust kann V sogar veranlassen, ein Angebot des K, 105 GE zu zahlen, endgültig abzulehnen: Eine Annahme dieses Angebots brächte V 105 GE und nach Wiederanlage zum Zinssatz von 10 % einen Zahlungsstrom in Höhe von 10,5 GE; die Nichtannahme des Angebots bedeutet für V, daß er mit dem bei Nichtverkauf geltenden Zahlungsstrom aus dem Unternehmen, d.h. mit 10 GE vorliebnehmen muß. In diesem Falle kompensiert V den Minderzahlungsstrom (0,5 GE jährlich) durch die nichtfinanzielle Zielkomponente (Nutzenempfindung), die daraus erwächst, daß sich V von K nicht "in die Ecke drängen" ließ.


Durch den Einsatz eines "Schiedsgutachters" lassen sich Situationen wie die gerade skizzierte und auch die übrigen Widrigkeiten eines Verhandlungsprozesses vermeiden. Das gilt uneingeschränkt, wenn die Parteien von vornherein vereinbaren, daß sie sich dem Schiedsspruch unterwerfen. Fehlt dem Schiedsgutachten diese bindende Kraft, so kann das Schiedsgutachten immerhin zu einer gewissen Einengung des Verhandlungsspielraums führen.

2. Der Unternehmensbewerter, der als Schiedsgutachter tätig wird, hat nur bedingt die Aufgabe, das potentielle Verhandlungsergebnis beider Parteien zu simulieren. Das gilt aus zwei Gründen: Wegen der gerade skizzierten psychologischen Besonderheiten des Verhandlungsprozesses ist dieses Ergebnis gar nicht sinnvoll prognostizierbar; man würde das Verhandlungsergebnis der Willkür des Schiedsgutachters anheimstellen. In diesem Falle ersparten sich die Parteien besser die Kosten des Gutachtens: ein Würfel würde den gleichen Dienst entschieden billiger leisten. Zweitens gilt, daß der Schiedsgutachter gerade bestellt wird, um die Zufälligkeiten des Verhandlungsergebnisses auszuschalten oder doch zu begrenzen.


Simulieren darf der Schiedsgutachter nur eine "freundschaftliche" Verhandlung: Der Einsatz eines Schiedsgutachters bedeutet, daß man das "faire" Verhandlungsergebnis will; es gibt allein diese Alternative zum "freien", ungebundenen und deshalb nicht prognostizierbaren Verhandlungsergebnis.


3. Das Schiedsgutachtenprinzip besagt, daß der faire Einigungspreis gesucht wird. Der Schiedspreis soll einen freundschaftlichen Interessenausgleich bewirken; er soll nicht das Ergebnis eines simulierten Kampfes zwischen beiden Parteien darstellen, d.h. eines Kampfes, bei dem jede Partei auf maximale Interessenwahrung bedacht ist.

Außerdem schreibt Moxter:

Die Lehre vom Schiedspreis ist stark von MATSCHKE beeinflußt worden: Matschke nennt den Schiedspreis "Arbitriumwert"; dieser werde von einem "unparteiischen Gutachter" ermittelt, "der zwischen den an einer Eigentumsänderung der Unternehmung beteiligten Entscheidungssubjekten vermitteln und eine Konfliktlösung im Sinne eines Interessenausgleichs erleichtern oder herbeiführen soll". Der Arbitriumwert sei "grundsätzlich als ein Kompromiß aufzufassen, der die Interessen der beteiligten Parteien nach Meinung des unparteiischen Gutachters in angemessener Weise wahrt". Matschke erörtert auch die Bedingungen einer angemessenen Aufteilung des gemeinsamen Gewinns, warnt jedoch vor schematischen Lösungen.

(MOXTER: Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Auflage, Wiesbaden 1983, S. 16-17)












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