Sonntag, 31. Juli 2011

Wesentliche Grundsätze für IWF - Kredite

Aufgrund seines Mandats muss der IWF in der Lage sein, seinen Mitgliedern mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten in Zeiten, in denen die internationalen Anleihemärkte nicht bzw. nur zu sehr hohen Zinssätzen zur Kreditvergabe bereit sind, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang werden drei wesentliche Grundsätze angewandt, um die Finanzposition des IWF zu schützen und die Rückzahlung der Finanzhilfen sicherzustellen.
 
Der erste wesentliche Grundsatz zur Vergabe von IWF - Krediten sieht vor, dass der Fonds nur dann Finanzhilfen bereitstellt, wenn die Verschuldung des Mitgliedstaats unter Berücksichtigung des von den nationalen Behörden erstellten Anpassungsprogramms tragfähig ist. Aus diesem Grund wird eine Schuldentragfähigkeitsanalyse durchgeführt, um festzustellen, ob der Mitgliedstaat seine Verbindlichkeiten ohne unrealistisch große politische Anpassungen bedienen kann. Seit 2002 hat der IWF ein formales Rahmenwerk zur Schuldentragfähigkeitsanalyse etabliert, das komplementäre Analysen der Tragfähigkeit der gesamten Staats- und Auslandsverschuldung des Mitgliedstaats umfasst. Da eine mechanische Interpretation der Schuldentragfähigkeit nicht möglich ist, sind die Ergebnisse anhand der länderspezifischen Gegebenheiten, einschließlich der besonderen Merkmale der Verschuldung des Mitgliedstaats, seiner bisherigen Politik und des politischen Spielraums, zu beurteilen.
 
Der zweite wesentliche Grundsatz besteht darin, dass das Anpassungsprogramm vollständig finanziert werden muss (da der IWF im Allgemeinen nur einen Teil der gesamten Programmfinanzierung übernimmt). Die Schließung der Finanzierungslücke eines Landes wird durch eine Kombination folgender Maßnahmen erreicht: 
 
a) inländische Anpassung,
b) Finanzhilfe vom IWF und möglicherweise von anderen öffentlichen Gläubigern und
c) Beteiligung des privaten Sektors.

Dabei wird von Fall zu Fall entschieden, auf welche Maßnahmen wie stark zurückgegriffen wird. Maßgeblich ist auch die Beurteilung der Größe der Finanzierungslücke des Staates, seine Fähigkeit zur wirtschaftlichen Anpassung sowie sein Marktzugang und die Schuldentragfähigkeitsaussichten.

In den meisten Fällen reicht zur Wahrung einer tragfähigen öffentlichen Verschuldung eine Kombination aus politischer Anpassung und Finanzierung durch öffentliche wie private Mittel aus. Dabei wird davon ausgegangen, dass dem Vorliegen eines glaubwürdigen, vom IWF unterstützten Anpassungsprogramm eine Katalysatorfunktion zukommt und dieses die Beteiligung privater Gläubiger an der notwendigen Finanzierung begünstigt. Die Beteiligung erfolgt meist in Form der Aufrechterhaltung des finanziellen Engagements und / oder der Bereitstellung zusätzlicher Mittel zu Bedingungen, die im Einklang mit der mittelfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen stehen (entweder freiwillig oder infolge offizieller moralischer Appelle).

In Ausnahmefällen kann der IWF zu dem Schluss kommen, dass die Schuldentragfähigkeit nicht über politische Anpassungen erzielt werden kann. In diesem Fall kann der IWF ohne die Zusicherung, dass das Land einen umfassenden Umschuldungsplan mit seinen privaten Gläubigern aushandelt, keine weiteren Finanzierungsmittel bereitstellen. Allerdings obliegt die Entscheidung, ob ein Schuldnerland eine Umschuldung vornimmt, einzig und allein dem Land selbst und nicht dem IWF oder einem anderen Gläubiger. In diesen Ausnahmefällen erfolgt die Beteiligung des privaten Sektors über eine Umschuldung, die den Schuldendienst des Staates durch eine Verlängerung des Tilgungszeitraums, ein Absenken des Zinssatzes oder ein Verminderung des ausstehenden Kapitalbetrags verringert. Um seiner potenziellen Rolle, die ordnungsgemäße Restrukturierung internationaler Staatsanleihen zu erleichtern, gerecht zu werden, unterstützt der IWF die Verwendung von Umschuldungsklauseln in internationalen Staatsanleiheverträgen.

Der dritte wesentliche Grundsatz betrifft den De-facto-Status des IWF als bevorrechtigter Gläubiger. Dieser bezieht sich auf die Bereitschaft der Mitgliedstaaten mit Verbindlichkeiten gegenüber dem IWF, zunächst ihre Verbindlichkeiten beim Fonds und dann erst bei den anderen Gläubigern zu tilgen, sowie auf die diesbezügliche Zustimmung oder Einwilligung der anderen Gläubiger. Zwar entbehrt dieser Status einer expliziten Rechtsgrundlage, doch wird das Konzept im Pariser Club angewendet, in dessen Rahmen sich die Gläubigerregierungen bereit erklärt haben, den IWF von einem Umschuldungsprozess auszuschließen. Der Status des bevorrechtigten Gläubigers ist für die Finanzierungsrolle des IWF entscheidend. Durch die Verringerung des Risikos in Bezug auf die Kreditvergabe kann der IWF Schuldnerländern leichter Finanzhilfen zur Verfügung stellen, wenn die privaten Gläubiger dazu nicht bereit sind. Gleichzeitig werden dadurch die beim IWF verwahrten Währungsreserven der Gläubigerstaaten geschützt. IWF - Schuldnerstaaten respektieren seit Langem den bevorrechtigten Gläubigerstatus des IWF, was unter anderem damit zusammenhängt, dass die Einhaltung der Tilgungszahlungen an den IWF entscheidend für den Erhalt weiterer Finanzhilfen bzw. den Schuldenerlass von anderen Gläubigern wie etwa dem Pariser Club ist. Öffentliche wie private Gläubiger erachten das Vorliegen eines vom IWF unterstützten Anpassungsprogramms oftmals als wichtige Zusicherung, dass das betroffene Land in der Lage ist, mittelfristig seine (umgeschuldeten) Verbindlichkeiten zurückzuzahlen.

(EZB, Monatsbericht Juli, S. 84-86)



 


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