Samstag, 2. Juli 2011

Den Homo Oeconomicus hat es nie gegeben!



Irrationale Kapitalmärkte führen zu irrealen Unternehmenswerten. Dies ist eine der Lehren aus den Finanzkrisen. Die den finanzierungstheoretisch fundierten Methoden der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Annahmen rationaler Investoren beziehungsweise effizienter Kapitalmärkte sind äußerst anspruchsvoll und in der Realität nicht zu erfüllen. Das räumt jetzt auch die DEUTSCHE BUNDESBANK ein:

Die klassische Finanztheorie, die Effizienzmarkthypothese und das Leitbild des mündigen und eigenverantwortlichen Anlegers

Wesentlicher Eckpfeiler der klassischen Finanztheorie ist der rationale Investor. Ihm werden eine rationale Erwartungsbildung und rationale Entscheidungen zugeschrieben. Dies bedeutet, dass er diejenige Alternative wählt, die ihm persönlich den größten Nutzen bringt. Modelltheoretisch gesehen maximiert er seinen Erwartungsnutzen. Der so definierte Homo Oeconomicus besitzt eine eindeutige, vollständige und widerspruchsfreie Präferenzordnung, kennt alle Handlungsalternativen und kann jeder Alternative unter Ausnutzung aller Informationen ihren jeweiligen Zielerreichungsgrad zuordnen. Weiter postuliert die Theorie, dass Anleger eingegangene Risiken sicher quantifizieren können und Transaktionskosten vollständig berücksichtigen. Letztlich besitzen in diesem Rahmen alle Marktteilnehmer ein "korrektes" und somit identisches Entscheidungsmodell. In diesen einfachen Modellen gelten Informationen als kostenlos und unbegrenzt zugänglich.

Fama (Efficient capital markets: a review of theory and empirical work: in Journal of Finance, Band 25, S. 383-417, 1970) verknüpft die Theorie rationaler Erwartungen mit der These informationseffizienter Kapitalmärkte. Hier sind in unterschiedlichen Abstufungen die verfügbaren und für die Einschätzung eines Vermögensgutes relevanten Informationen unmittelbar, vollständig und korrekt in den Preisen verarbeitet. Auf diesen Märkten existieren keine Informationsvorteile, die es einem Investor ermöglichen würden, nachhaltig eine höhere Rendite bei gleichem Risikoniveau zu erreichen (bzw. ein niedrigeres Risikoniveau bei gleicher Rendite). Da auf diesen Märkten alle verfügbaren Informationen verarbeitet sind, ist theoretisch der beobachtete Preis stets identisch mit dem sogenannten fairen oder fundamental gerechtfertigten Preis. Dieser ist der Gegenwartswert aller zukünftigen Netto - Zahlungseingänge, die der Investor aus dem Besitz des Vermögenstitels erwarten darf. Lediglich neue Informaitonen, die für alle Teilnehmer überraschend sind, können somit Kursveränderungen herbeiführen. 

Die Annahmen rationaler Investoren beziehungsweise effizienter Märkte sind äußerst anspruchsvoll und in der Realität nur näherungsweise zu erfüllen, dennoch stellen sie grundsätzlich einen geeigneten und gängigen Rahmen für Finanzmarktmodelle dar. Jedoch hat nicht zuletzt die jüngste Finanzkrise gezeigt, dass diese Modelle oft nur einen begrenzten Erklärungsgehalt bieten können, da das Verhalten von Finanzmarktakteuren nicht oder nur unzureichend mit der klassischen Finanzmarkttheorie erklärt werden kann.

Trotzdem orientieren sich die regulatorischen Überlegungen zum Finanzverbraucherschutz häufig am Leitbild des aus der klassischen Finanztheorie stammenden Homo Oeconomicus. Die Überwindung der Informationsassymetrien zwischen Anbieter bzw. Vermittler einerseits und Anleger andererseits ist zentraler Anknüpfungspunkt dieses Konzeptes. Die Position des Verbrauchers soll durch bessere Informationsversorgung gestärkt und dieser in die Lage versetzt werden, überlegte und an den eigenen Zielen und Möglichkeiten ausgerichtete Anlageentscheidungen zu treffen. Kennzeichen dieses Regulierungsansatzes sind insbesondere anbieterseitige Informations- und Offenlegungspflichten gegenüber dem Verbraucher, wie die Veröffentlichung von Verkaufsprospekten und Produktinformationen sowie die Offenlegung von Interessenkonflikten. Ergänzt wird dieser Ansatz in der Praxis unter anderem durch Maßnahmen zur Stärkung der Rechtsdurchsetzung von Verbrauchern sowie der Marktaufsicht über Anbieter von Finanzdienstleistungen.

(Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK, Monatsbericht Januar 20011, S. 47)


DCF - Methodik der Unternehmensbewertung im Verriss

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