Dienstag, 15. Dezember 2009

Historische Zitate aus der Unternehmensbewertung


1969: Harte Kritik an der Bewertungspraxis

Viel bleibt nicht zu sagen. Die vorangegangene Kommentierung genügt, um erkennbar zu machen, daß den Empfehlungen zur Unternehmensbewertung von Viel, Bredt und Renard mit einiger Skepsis begegnet werden muß. Auf eine Anzahl kleinerer Schwächen des Buches wurde dabei nicht eingegangen; zumindest für den mit der jüngeren Theorie vertrauten Leser reichen die herausgegriffenen Punkte aus, um die Schrift fachlich einordnen zu können. Für den Theoretiker ist der Eindruck deprimierend; deprimierend vor alles deshalb, weil man erkennt, wie Forschungsergebnisse übergangen werden können. Der logische Kalkül scheint nur wenig Anerkennung zu finden. Die führenden Praktiker - zu denen man die Autoren rechnen darf - schätzen offenbar die langjährige Übung höher als eine logisch geschlossene Argumentation. Das verrät eine wenig wissenschaftsfreundliche Haltung. Die Autoren setzen mit ihren Bemühungen an der Stelle des geringsten Widerstandes an, indem sie nämlich von der Handhabung der Bewertungspraxis ausgehen: Mit entschiedener Gegenwehr ist da wohl nicht zu rechnen. "Bewährung" gilt als ein Indiz für Qualität, ohne daß darauf aufmerksam gemacht wird, daß diese Art von Bewährung nur in dauernder Übung besteht. So gesehen erweist sich das Prinzip der "bewährten Bewertungsmethode" als Teufelskreis: Die am längsten verwendete Methode hat sich - am längsten - bewährt; neue Erkenntnisse haben bei solcher Beweisführung keine Chance auf Anerkennung. Eine beklemmende Prognose drängt sich deshalb auf: Wenn man die augenblickliche Haltung der Bewertungspraxis, wie sie auch in den Empfehlungen von Viel, Bredt und Renard zum Ausdruck kommt, als Basis für einen Induktionsschluß ansehen darf, dann werden die Mittelwertmethode und aus ihr abgeleitete Verfahren, wie etwa die Methode der verkürzten Goodwillrentendauer, auch noch im Jahre 2000 dominieren. Dem Theoretiker bleibt nur ein bescheidener Trost: Er weiß, daß er die besseren Argumente für sich hat.

(JAENSCH: Empfehlungen zur Bewertung von ganzen Unternehmungen (Rezension von Viel, Jakob/Bredt, Otto/Renard, Maurice: Die Bewertung von Unternehmungen und Unternehmungsanteilen. 2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart 1967. Veränderte Wiederauflage des gleichnamigen Buches der UEC von 1961), in: ZfbF, 21. Jg. (1969), S. 643-655.)

JAENSCHs düstere Prognose, wonach die Mittelwertmethode und aus ihr abgeleitete Verfahren auch noch im Jahre 2000 dominieren, ist glücklicherweise nicht eingetreten. Aber den heute dominierenden, so genannten "marktwert" - orientierten Verfahren der Unternehmensbewertung, wie sie in Deutschland angewendet werden, ließe sich das Gleiche entgegenhalten.

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