Gestern hat FOCUS ONLINE Börse spektakulär gemeldet:
Apple setzt zum Sprung auf den Börsenthron anDer Technologiekonzern Apple ist für kurze Zeit zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt aufgestiegen. In einem turbulenten US-Handel überholte der iPhone-Hersteller den langjährigen Spitzenreiter Exxon Mobil.
Dieser Aufmacher wäre hier unerwähnt geblieben, wenn FOCUS ONLINE nicht auf die Idee gekommen wäre, diesem Artikel die Überschrift "Unternehmenswert" zu geben. Börsenkapitalisierung und Unternehmenswert sind nämlich zwei Paar Schuhe. 
Konsequenterweise liegt der Autor dieses FOCUS - Beitrags auch mit seiner Kernaussage falsch:
Kursgewinne der Apple-Aktie hievten den Computerkonzern aus dem kalifornischen Cupertino am Dienstag kurzeitig auf Platz eins der teuersten Unternehmen der Welt.
Apple ist nicht das teuerste Unternehmen der Welt, sondern hatte gestern bloß die höchste
Börsenkapitalisierung 
aller Unternehmen. Die  Börsenkapitalisierung eines Unternehmens ist das Produkt aus dem  aktuellen Börsenkurs der Aktie und der Gesamtzahl seiner ausstehenden  Aktien. Bei  oberflächlicher Betrachtung erscheint dieses Bewertungskonzept durchaus  plausibel. Der Börsenkurs aggregiert die Erwartungen der Anleger  bezüglich der von ihnen erwarteten finanziellen Rückflüsse aus den  Aktien; er repräsentiert also das "Urteil des Marktes" über die  Werthaltigkeit der finanziellen Rückflüsse. Für die  Unternehmensbewertung ist dies ein attraktiver Wert: Es ist ja gerade  der Barwert der finanziellen Rückflüsse,  der den präsumtiven Erwerber eines Unternehmensanteils nach den Regeln  und Annahmen der Investitionstheorie interessiert. Dabei stellt sich  jedoch die Frage: Wie gut ist diese Durchschnittseinschätzung des Marktes? In  anderen Worten: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein einzelner  Marktteilnehmer, hier derjenige, der das Unternehmen zu bewerten hat,  "es besser weiß" als der Markt und deshalb nicht die  Börsenkapitalisierung als Maßgröße für den Unternehmenswert heranzieht?
Es gibt gute Gründe, aus denen dem Börsenkurs nur eine eingeschränkte Brauchbarkeit für die Unternehmensbewertung zugestanden wird:
- Es werden immer häufiger "Spekulationsblasen" beobachtet, die mit der Hypothese individuell-rationalen Verhaltens nicht vereinbar sind.
 
 
- Zufallsschwankungen und langfristige Verzerrungen  des Aktienkurses sind umso wahrscheinlicher, je weniger liquide der  Börsenmarkt ist, d.h. je niedriger das regelmäßig gehandelte  Wertpapiervolumen ist.
 
 
- Die  einfache Formel: Unternehmenswert = Börsenkurs x Aktienanzahl setzt  voraus, dass das Ganze genau gleich der Summe seiner Teile (Wertadditivitätstheorem)  ist. Dies ist jedoch häufig nicht der Fall: Präsumtive Erwerber  größerer Unternehmensanteile erhalten so genannte "Paketabschläge" vom  aktuellen Börsenkurs und / oder sind bereit, einen Aufschlag dafür zu  bezahlen, dass sie große Einflussmöglichkeiten auf die Strategie des  Unternehmens erhalten.
 
Auch (Aktien-) Preis und (Unternehmens-) Wert sind zwei Paar Schuhe. Die im Zuge des "Shareholder  Value - Konzeptes" aus dem angelsächsischen Wissenschaftsraum zu uns  herübergeschwappte "Marktwert" - Lehre ist unverdrossen bemüht, 
"...den Wert eines Unternehmens aus einem aus neoklassischen Annahmen abgeleiteten Gleichgewichtspreis in eins zu setzen."(Zitat aus HERING: Unternehmensbewertung, 2. Auflage, München 2006, Vorwort)
Das Entscheidende an dieser Betrachtung ist, dass ein Preis  für handelbare Unternehmensanteile - nicht für das Unternehmen als  Ganzes - abgeleitet wird, wobei die subjektiven Wertvorstellungen der  Marktteilnehmer mit diesem Gleichgewichts - Preis übereinstimmen, so  dass Wert und Preis eines Unternehmens  genau gleich sein sollen. Aus dieser Sichtweise erhebt sich - ohne auf  die Problematik im Detail eingehen zu wollen - die Grundsatzfrage,  welche Motivation Käufer bzw. Verkäufer für eine Transaktion haben. Ein potenzieller Käufer wird nur dann Aktien kaufen, wenn er davon  überzeugt ist, dass der Wert des Unternehmens höher als der Aktien - Preis ist,  den er dafür zu entrichten hat; andernfalls würde er bei rationaler  Handlungsweise sein Geld behalten oder es anders anlegen.
Das "Luxemburger Wort" hat heute eine informativere Schlagzeile als gestern FOCUS ONLINE:
Apple und Exxon ringen um Börsenthron
 Auch der weitere Verlauf des Artikels zeugt von einem höheren Sachverstand des Verfassers, wenn er schreibt:
Am Vortag war der iPhone- und iPad-Hersteller erstmals an die Weltspitze beim Börsenwert vorgerückt, wenn auch nur für kurze Zeit.
Demaskierung der angelsächsischen Bewertungslehre
Aus der Traum – „Demaskierung“ der angelsächsischen Bewertungslehre



 
 
 
 Posts
Posts
 
 
 
 
 
 

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen