Dienstag, 11. Mai 2010

Es ist die Erwartung, und nicht die Spekulation!


Das Wort "Spekulation" entstammt ironischerweise der griechischen Sprache und bedeutet sinngemäß,

" etwas aus der Ferne zu erspähen".

Wer sich in diesem Sinne Gedanken über die Zukunft griechischer Staatsanleihen macht, bildet Erwartungen. Diese rational oder irrational gebildeten Erwartungen führen an den Finanzmärkten dazu, dass die Akteure entweder Wertpapiere bzw. Derivate kaufen, weil sie steigende Kurse erwarten, oder verkaufen, d.h. auf Baisse wetten.

Es gab Zeiten, in denen gehörte die zielgerichtete Beeinflussung dieser Erwartungsbildung zu der vornehmsten Aufgabe  von Zentralbanken. Der Erfolg geldpolitischer Strategien ruht nämlich auf drei Säulen:

  • Glaubwürdigkeit,
  • Selbstdisziplin und
  • Vorhersehbarkeit.
Zur Vorhersehbarkeit:

Die EZB gibt ihre geldpolitische Strategie bekannt und veröffentlicht ihre regelmäßige Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung. Dies hilft den Märkten, die systematischen Reaktionsmuster der Geldpolitik auf wirtschaftliche Entwicklungen und Schocks zu verstehen. Dadurch werden geldpolitische Maßnahmen für die Märkte mittelfristig leichter vorhersehbar. Somit wird eine effizientere und korrektere Erwartungsbildung am Markt gefördert.

(EZB zur Transparenz)

Entsprechendes gilt für die Währungspolitik

Ebenso wie in der Geld- und Währungspolitik hängt der Erfolg fiskal- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen von der Erwartungsbildung bei den Wirtschaftssubjekten ab. Im Falle Griechenlands wurden  durch eine hohe Verschuldung des Staates sowie durch eine offenbar gewordene Krise der Institutionen (ungerechtes Steuersystem, Korruption etc.) bezüglich der Solvenz Griechenlands negative Erwartungen gebildet. 
 
Die europäische Politik hat im Grunde unterschätzt, welche "Macht" von Erwartungen ausgeht. Die dadurch ausgelösten Marktentwicklungen, wie ein sprunghaftes Steigen und Sinken der Renditen griechischer Staatsanleihen, führen dazu, dass der Markt die Politik vor sich hertreibt.

Nur eine nachhaltige und damit glaubwürdige, stabilitätsorientierte Politik schafft die Basis für die richtigen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte, damit für Sicherheit und so für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung. Monetäre Stabilität wirkt für eine Volkswirtschaft wohlfahrtserhöhend, weil erst über die damit verbundene Stabilisierung von Erwartungen, Kalkulationsgrundlagen und Handlungen langfristig orientiertes Wirtschaften ermöglichen.

(Dr. Klaus Liebscher, Governeur i.R., Oesterreichische Nationalbank, am 06. Juli 2006 in Innsbruck)

Der US - Ökonom Michael WOODFORD hat in einem Buch zur Geldpolitik und Geldtheorie die Bedeutung der Erwartungen prägnant beschrieben:

Not only do expectations about policy matter, but, at least, under current conditions, very little else matters.

Auch Stephen MORRIS hat in seinem Beitrag zu "Central Banks as Economic Institutions " die Bedeutung koordinierter Erwartungsbildung hervorgehoben:


Coordinating expectations in monetary policy.


Geld-, Währungs-, Fiskal- und Wirtschaftspolitiker müssen ein sehr stark ausgepräges Bewusstsein dafür haben, dass jede ihrer öffentlichen Äußerungen in die Erwartungsbildung einfließt. Wenn Thilo Sarrazin als Vorstandsmitglied der Bundebank dazu rät, das hochverschuldete Griechenland in die "Insolvenz" gehen zu lassen, kann es niemanden überraschen, dass die Akteure an den Finanzmärkten genau darauf wetten (SPIEGEL-ONLINE am 19.03.2010).

Wer Spekulation kritisiert, hat diese Mechanismen nicht verstanden, und er hat  nicht verstanden, dass jedes ökonomische Handeln unter Unsicherheit auch ein spekulatives Handeln ist. 

Die Qualität der Berichterstattung zur europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise lässt sich  vor diesem Hintergrund ganz einfach überprüfen, indem man in den Berichten das Wort "Spekulation" durch "Erwartung" ersetzt. Bleibt der Text trotzdem sinnvoll, ist er aus ökonomischer Sicht gut. 

Über die Rolle der Medien als Determinanten der Erwartungsbildung war am 01. Dezember 2008 im BlickLog zu lesen:











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