Samstag, 1. Mai 2010

Managing the Crisis



Rede von Konstantin SIMITIS beim IX. Munich Economic Summit am 30. April 2010:

In einer deutschen Zeitung wurde im März ein Aufsatz unter dem Titel “Traum von einer europäischen Wirtschaftsregierung” veröffentlicht. Er stellte die Frage: “wie viel gemeinsames Handeln braucht Europa?” Dies ist die Frage die ich auch stellen möchte.  Die Krise macht sie aktueller denn je. 

Das Finanzsystem mit der globalen Ausbreitung, die es erfahren hat, hat die langfristigen Investitionen untergraben. Für den bestmöglichen Kapitaleinsatz gelten heutzutage neue Kriterien. Ausschlaggebend ist nicht die langfristige Rentabilität sondern der schnellstmögliche Profit. Die Kontrollen zur Vermeidung von Betrügereien und Spekulationsspielen im Finanzsektor sind notwendig, reichen allerdings nicht aus. Ein wichtiger Schritt in Richtung Wachstum ist von Nöten.


Konstantin Simitis, früherer Ministerpräsident Griechenlands


Die gegenwärtige Funktionsweise der Union erleichtert diese notwendige Intervention nicht. Der Wachstums- und Stabilitätspakt ist fast ausschließlich auf den Erhalt der Währungsstabilität ausgerichtet. Er verleiht dem Wachstum nicht die Bedeutung, die es hat, um bessere Lebensbedingungen zu gewährleisten, für mehr Beschäftigung zu sorgen und die Chancen auf Fortschritt zu erweitern. Will man die Situation ändern, müssen seitens der Mitgliedstaaten konkrete Verpflichtungen zur Förderung von Investitionen, zur Verbreitung der Wissensgesellschaft, zu Verwaltungsreformen und zur Verbesserung der Sozialsysteme eingegangen werden. 

Neben den Investitionsanstrengungen der Mitgliedstaaten ist ein Rahmenprogramm für Investitionen für die Gesamtheit der Union notwendig. Investitionen sind notwendig für die Verbesserung der Infrastrukturen im Transport- und Telekommunikationssektor, im Bereich der erneuerbaren Energien, der Forschung, der Zusammenarbeit der Hochschuleinrichtungen usw.

Es ist bekannt, dass die Haushaltsmittel der Union nicht für derartige Initiativen ausreichen. Die Möglichkeiten des Beitragsanstiegs der Mitgliedstaaten sind beschränkt. Die Union sollte bereit zur Ausgabe von Europäischen Anleihen sein.  Sie würden der Realisierung von Investitionen aber auch zur Finanzierung von Aktivitäten, die für das Wachstum und die Beschäftigung förderlich sind, dienen.

Der Ratspräsident der Europäischen Union Van Rompuy hat  im Februar 2010 dem Europäischen Rat vorgeschlagen, sich auf einen gemeinsamen Prozess zur Gestaltung einer europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie zu einigen. „Wichtig ist“, unterstrich er, „dass wir festlegen, wie wir unsere Beschlüsse umsetzen wollen. Die Governance stellt hierbei den Schlüssel dar”. 

Die Staats – und Regierungschefs der Eurozone haben am 25 März in einer gemeinsamen Erklärung ihre Entschlossenheit betont “eine enge Koordinierung der Wirtschaftspolitiken in Europa zu fördern”.  Sie “sind der Ansicht, dass der Europäische Rat die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union verbessern muss.”

Unklar bleibt jedoch was eigentlich geschehen wird.  Handelt es sich um eine effektive Harmonisierung der Wirtschaftspolitik oder nur um ein neues Thema, dass die Staats und Regierungschefs der 27 EU Staaten beschäftigen soll? 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Mitte Februar erklärt: “Wir (der Rat) sind die Wirtschaftsregierung” die laut Lissaboner Vertrag der Union “die für Ihre Entwicklung erforderliche Impulse geben sollen”.  Der Fortschritt wäre aber minimal wenn man die  «Wirtschaftsregierung» in diesem Sinne interpretieren wurde.  Es geht um die Erweiterung der Zuständigkeiten der Union, damit sie nicht nur währungspolitische Angelegenheiten entscheiden kann, sondern auch die Grundregel der Finanz- und Wachstumspolitik festlegt sowie den makroökonomischen Rahmen bestimmt. Nötig ist aber auch ein weiterer entscheidender Schritt. Eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung die nicht immer wieder am Einspruch der einzelnen Mitglieder scheitert.  Die Möglichkeit  ohne Anwendung der langatmigen Prozesse der intergouvernementalen Zusammenarbeit  zu entscheiden. Die Union wird sonst von einer Krise in die nächste Krise gezogen werden und über die Schwierigkeiten, die in den Mitgliedstaaten entstehen werden, wegen ihres Unvermögens zu reagieren, stolpern. 


Die Wirtschaftsregierung kann entweder im Rahmen der bestehenden WWU angestrebt werden oder mittels einer „gestärkten Zusammenarbeit“, an der sich alle Mitglieder, die es wünschen, beteiligen würden. Diese Form der Zusammenarbeit ist schon im Lissaboner Vertrag vorgesehen. Er ist der Weg den Staaten innerhalb der Union befolgen können, um eine Zusammenarbeit zur Erweiterung ihrer Aktionsfelder zu erzielen ohne jedoch den Vertrag abzuändern. Viele Kommentatoren der jüngsten Entwicklungen in der Union haben diesen Weg vorgeschlagen. Ihnen allen ist die Feststellung gemein, dass „der Ausgang aus der Krise einen Weg nach vorn erfordert“, hin zu der Wirtschaftsregierung und der politischen Integration. Dies ist das Ziel dem wir uns mit Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit nähern sollen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen