Mittwoch, 7. Oktober 2009

Was meint Horst Köhler eigentlich mit "Monster"?


WELT Online schreibt heute:

"Ich sehe das Monster noch nicht auf dem Weg der Zähmung", sagte Bundespräsident Horst Köhler vor kurzem. Was er damit wirklich meint, bleibt unklar. Das neoliberale Schreckgespenst? Die menschliche Gier? Das Krümelmonster? Zuletzt waren Monster jedenfalls große Sympathieträger.

Bundespräsident Horst Köhler hat mit Blick auf die Finanzkrise einen bemerkenswerten Satz wiederholt. „Ich sehe das Monster noch nicht auf dem Weg der Zähmung“, sagte er beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Das Staatsoberhaupt benutzte das Bild nicht zum ersten Mal. Nach Ausbruch der Krise hat er das Monster bereits identifiziert und verlangt, es müsse „in die Schranken gewiesen werden“.

Bei genauem Hinsehen weiß man gar nicht so genau, was Köhler meint. Auch ohne auf die Einzelheiten der Finanzmarkt-Regulierung einzugehen, ist der Monsterbegriff doch recht schwammig. Jugendliche beispielsweise benutzen das Wort sehr anerkennend. Monster sind akzeptierte Wertgrößen.

Jeder gute Kopfhörer und jeder Club müssen etwa mit „Monsterbass“ ausgestattet sein. Das Krümelmonster, das statt Staatsknete nur Kekse verschlingt, mag bei der Verniedlichung des Begriffs Pate gestanden haben. In Kinderkreisen sind Pokemons aus Japan konstant beliebt, die Poketto Monsutâ oder Pocket Monsters. Hat der Bundespräsident bei seinem Zähmungsruf den niedlich quiekenden Pikachu vor Augen? Es gibt 493 Pokemons, die sich alle verwandeln und kämpfen. Puuh.

Das Monster hat in der populären Kultur seinen Schrecken schon lange verloren. Monster versprechen „Fun“, selbst wenn sie blutrünstig sind. „In Monsters vs. Aliens“ müssen gerade die Ungeheuer den Menschen gegen die Außerirdischen helfen.

Mustergültig wird die neue Dialektik von Monster und Kinder im Pixar-Film „Die Monster AG“ geschildert. Weil die Kinder sich vor den furchterregenden Wesen nicht fürchten, kommt es in Monster City zu Problemen. Die kleinen Menschen sind einerseits im Geiste verhärtet und fantasielos, andererseits zu nüchtern, vernunftbegabt und realistisch. um die Fantasiegebilde ernst zu nehmen. Folgerichtig beginnen die Monster, die Kinder zum Lachen zu bringen – was wesentlich ertragreicher ist als sie Kreischen zu lassen.

Diese Karriere des Monsters – in der Popkultur nur mit dem Aufstieg des Pinguins zur Sympathiefigur per se zu vergleichen – bleibt Spitzenpolitikern gerne verborgen. Dennoch wirft es ein Licht auf die mit Vehemenz vorgebrachte These. Zumal bei Lichte betrachtet auch der würdige Kern falsch ist.

Ein Monster wird nicht gezähmt. Ein Monster wird umgebracht, beseitigt, vernichtet. Der Leviathan der Bibel wird von Gott geschaffen, um „mit ihm zu spielen“ (Psalm 104,26). Das klingt schon sehr nach den Hasardeuren der Immobilienfonds und Derivat-Jongleuren.

Doch nur Gott kann Leviathan den Kopf zermalmen. Alternativ-Killer ist Behemoth, die Monsterkonkurrenz. Thomas Hobbes schrieb „Leviathan“ 1651 als Warnschrift und setzte den mächtigen Staat mit dem Monster gleich und Behemoth mit dem Naturzustand.

Unbeweglich, unbesiegbar, heillos. Und auf keinen Fall reformierbar. So ist der Weg des Monsters stets vorgezeichnet: Die mythischen Ungeheuer der Antike sterben durch Helden, Siegfried und der Heilige Georg erschlagen den Drachen, Beowulf tötet Grendel, Ripley tötet das Alien (immer wieder), King Kong fällt vom Hochhaus. Das Monster-Bild wird schief, so bald die sozialpädagogische Variante der Regulierung und Einhegung gebraucht wird.

Wenn die Menschen das Monster schaffen, so wie Dr. Frankenstein sein Wesen, laufen die Heerscharen der Furchtsamen Sturm dagegen. Dabei kann Frankensteins Monsters als romantische Kreatur wenig für das Unheil. Es flieht folgerichtig in die Kälte und Einsamkeit der Arktis.

Welche Form von Monster schwebt Horst Köhler vor? Das neoliberale Schreckgespenst? Die kreatürliche Verkörperung der menschlichen Gier? Die Bestie der auf Finanzmärkten versammelten „Hütchenspieler“, die er am Montag wieder wirken sah. Man weiß es bei ernsthafter Monster-Betrachtung nicht. Es bleibt ein Ausdruck plakativer Empörung. Wer im Internet die Seite „Monster.de“ aufsucht, findet einen Marktplatz für Stellengesuche. Dort steht groß: „Monster. Ihr neues Leben ruft.“


G20 Leaders Statement: The Pittsburgh Summit

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