Samstag, 20. November 2010

Wert

In der Bewertungstheorie ist die Beziehung zwischen Wert und Preis einer Unternehmung von grundlegender Bedeutung. 1962 hat Wolfram ENGELS in einem weitsichtigen Beitrag zu diesem Thema folgendes Fazit gezogen:

"Aus der Tatsache, daß ein Preis gezahlt wurde, wird geschlossen, daß ein entsprechender Wert vorhanden sein müsse und umgekehrt, daß die Preise der Güter genau ihre Werte darstellen. Die Möglichkeit des Irrtums - Fehlinvestitionen, falsche Preisbildung-, die durch Bewertung gerade verhindert werden soll, wird begrifflich ausgeschlossen. Dieser Wertbegriff ist deshalb nicht brauchbar."

Auf welche Art und Weise tatsächlich Wert entsteht, hat jetzt das Max - Planck - Institut für Gesellschaftsforschung an Beispielen aus unserem Alltagsleben untersucht:

Wert

In modernen wohlhabenden Ökonomien ist die Nachfrage nach Gütern längst keine Frage der Bedarfsdeckung mehr. Warum aber kaufen wir immer mehr, anstatt einfach weniger zu arbeiten? Der Wert und die Attraktivität eines Gutes werden immer stärker durch seine symbolische Aufladung bestimmt. Damit symbolischer Wert entstehen kann, müssen Bedeutungen durch Kommunikation konstruiert und ausgefeilte soziale Strukturen aufgebaut werden. Forschungsprojekte am MPIfG gehen der Frage nach den Quellen des Werts von Gütern nach und identifizieren Bewertungsmechanismen in Märkten wie dem Weinmarkt oder dem Bestattungsmarkt.

 "In einer Ökonomie des Verzichts wäre die Krise permanent."


Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung

In verschiedenen Forschungsprojekten am Max - Planck - Institut für Gesellschaftsforschung sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den letzten Jahren der Frage nach den Quellen des Werts von Gütern nachgegangen. Dabei richtet sich das Interesse gerade auf Produkte, für die sich diese Frage besonders offensichtlich stellt: Warum geben Mensche jedes Jahr über acht Milliarden Euro für das Lotto aus, wo sie doch mit jedem Lottoschein statistisch die Hälfte ihres Einsatzes verlieren? Wie kann es sein, dass eine Flasche Wein für einhundert Euro verkauft wird, obwohl sie in der Produktion nicht teurer ist als eine Flasche für fünfzehn Euro und selbst Experten die Qualitätsunterschiede nicht schmecken? Warum geben Menschen viel Geld für einen Holzstuhl aus, nur weil er alt ist und möglicherweise einmal einer berühmten Familie gehörte?

Die Untersuchung von Lotto, Wein und Antiquitäten mag auf den ersten Blick ein wenig abwegig erscheinen. Sicher, mag man meinen, solche Phänomene gibt es, doch in den wirklich wichtigen Teilen der Wirtschaft spielt das doch keine Rolle! Dieser Schluss ist voreilig. Phänomene, die sich bei Wein und Antiquitäten finden lassen, treten auch bei Autos, Reisen und sogar bei der Nachfrage nach Innovationsgütern sowie auf Finanzmärkten auf.

Die Beschäftigung mit der sozialen Konstruktion von Wert ist somit ein Kernthema der Erforschung der Wirtschaft. Es geht dabei um die Identifizierung der Mechanismen, die in der Bewertung von Gütern wirken. Dies können moralische Überzeugungen sein, wie etwa bei Fairtrade - Produkten, bei denen die Käufer bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen, und zwar nicht, weil das Produkt besser ist, sondern weil die Produktionsweise mit ihren moralischen Werten korrespondiert. Das kann der Versuch der Erlangung einer eigenen Identität - etwa des sozialen Status oder der kulturellen Zugehörigkeit - sein, wenn modische Kleidung oder schicke Kleinwagen angeschafft werden. Es können aber auch Traumwelten sein, in die die Käufer von Gütern flüchten, etwa wenn sie ein Lotterieticket oder einen besonders alten Wein erwerben.

Wert, so die Ausgangsüberlegung der verschiedenen Forschungsprojekte am MPIfG zu diesem Thema, entsteht in modernen Ökonomien immer stärker durch die symbolische Aufladung von Gütern. Qualität ist nichts den Gütern Innewohnendes, sondern entsteht in der Gesellschaft - also in der Kommunikatioin über die Objekte und Dienstleistungen und in den Bedeutungen, die sie hierbei erlangen.

Damit symbolischer oder vorgestellter Wert entstehen kann, bedarf es nicht in erster Linie besonders guter Fabriken. Vielmehr bedarf es der Konstruktion von Bedeutungen durch Kommunikation und ausgefeilte soziale Strukturen wie anerkannte Experten, Rankings, Zertifikate, Marken, Diskussionsforen, Standards und soziale Netzwerke, mit Hilfe derer Unterscheidungen zwischen ansonsten ununterscheidbaren oder bedeutungslosen Objekten getroffen werden und Wert entspringt. Wie solche Qualitätsmarker oder Beurteilungsinstrumente entstehen und funktionieren, und wie sie zwischen den Marktakteuren umkämpft sind, ist Gegenstand der Forschung. Die durch Beurteilungsinstrumente geschaffenen Unterscheidungen erlauben Orientierung in einem ansonsten völlig unüberschaubaren Meer von Waren. Wie sonst sollte man zwischen Tausenden verschiedenen Weinen unterscheiden können oder zwischen den vielen Dutzend verschiedenen Aufnahmen von Beethovens Neunter Symphonie. Warum sollte man sich dafür überhaupt interessieren? Nicht technische Qualitätsunterschiede bestimmen den Wert von symbolisch aufgeladenen Gütern, sondern im Marktfeld intersubjektiv geteilte Bedeutungen. Dass das Cháteu Lafite - Rothschild seinen Wein als Premier Grand Cru Classé verkaufen kann, hat nichts mit dem Geschmack dieses Weines zu tun, sondern mit einer Klassifikation von Weingütern im Bordeaux, die seit 1855 nahezu unverändert besteht.

"Die Beschäftigung mit der Konstruktion ökonomischen Werts gibt nicht nur Einblicke in die soziale Konstruktion der Ökonomie, sondern auch Erkenntnisse über die Gesellschaft."

Die Beschäftigung mit der Konstruktion ökonomischen Werts gibt nicht nur Einblick in die soziale Konstruktion der Ökonomie, sondern auch Erkenntnisse über die Gesellschaft. Bei Lotterielosen lässt sich fragen, welche Bedeutung die Hoffnung auf den Hauptgewinn für die Integration der Gesellschaft hat. Bei Mode und Luxuswaren lässt sich fragen, welche Bedeutung diese für die Differenzierung sozialer Ordnung haben.

Die Beschäftigung mit der sozialen Konstruktion von Wert schärft zugleich den Blick für die Verwundbarkeit einer Wirtschaftsordnung, deren Grundlage wesentlich in der Symbolbedeutung der Objekte besteht. So wie Menschen die Nacht vor einem Geschäft zubringen, nur um als erste das neueste Produkt eines kalifornischen Computerherstellers zu besitzen, so kann dieses Interesse auch erlöschen. Doch was geschähe mit der deutschen Automobilindustrie, wenn Menschen zukünftig im Auto nichts anderes als ein Transportmittel sähen, um von einem Ort zum anderen zu gelangen? Wer würde dann noch so viel Geld ausgeben wollen, um ein teures Auto aus Sindelfingen zu erstehen? Was würde dies für das Wachstum von Wirtschschaft bedeuten? Und wie sähe eine Gesellschaft aus, die sich nicht über die Symbolbedeutung von Waren differenziert?
(Jens Beckert)



Fundamentals of Functional Business Valuation

Wert und Preis in der Unternehmensbewertung
















Sovereign Risk Monitor Q 3 2010

 
3rd. Quarter 2010

The CMA Sovereign Risk Monitor identifies and ranks the world’s most volatile sovereign debt issuers according to percentage changes in their 5 year CDS. The countries are ranked by their cumulative probability of default (CPD), which gives the market's assessment of an issuer's likelihood of default over the life of a CDS contract. So, if a country has a 20% CPD rating for its five-year CDS contracts, the market believes this debt has a two-in-ten chance of defaulting in the next five years.


Highest Default Probabilities


Entity Name Mid Spread CPD (%)



Venezuela 1109.40 54,20



Greece 775.30 48.70



Argentina 749.30 40.40



Pakistan 606.40 34.60



Ukraine 546.80 32.30



Ireland 458.30 33.00



Dubai 437.40 26.50



Iraq427.1026.40



Portugal 408.80 30.20



Romania 350.90 22.10



 
 
 

Freitag, 19. November 2010

The Rebirth of the American Auto Industry

From White House White Board:

In the fourth edition of White House White Board, Austan Goolsbee, Chairman of the Council of Economic Advisers, discusses the President’s tough decisions on the American auto industry in light of the General Motors IPO.


Quantitative Easing: It's Sinking the Fed's Status



Uh oh, Mr. Bernanke, the natives are getting restless. Now it's not just Sarah Palin and Glenn Beck, or foreign central bankers, but more and more American economists who are starting to openly challenge the second round of "quantitative easing."




It's tough to rule the world, and sometimes the benighted masses get uppity. The first surprising pushback came in the summer of 2009, during the healthcare "town hall" meetings, which scared many legislators back to DC. More recently, Transportation Security Administration (TSA) officials seemed unprepared for the outrage over invasive pat downs and body scans.

In the realm of monetary policy, the Fed's apologists are circling the wagons against the ostensibly unsophisticated critics of "QE2," who don't want to take their inflationary medicine. In the present article I'll point out some of the latest (and most amusing) twists and turns in the debate.

Highbrow and Lowbrow Assaults on Bernanke

This open letter to Fed Chair Ben Bernanke in the WSJ has gotten a lot of coverage. Its message is straightforward enough:

We believe the Federal Reserve's large-scale asset purchase plan (so-called "quantitative easing") should be reconsidered and discontinued. We do not believe such a plan is necessary or advisable under current circumstances. The planned asset purchases risk currency debasement and inflation, and we do not think they will achieve the Fed's objective of promoting employment. …

We disagree with the view that inflation needs to be pushed higher, and worry that another round of asset purchases, with interest rates still near zero over a year into the recovery, will distort financial markets and greatly complicate future Fed efforts to normalize monetary policy.

As Jeffrey Tucker noted, the letter is refreshing because it doesn't merely warn of price inflation, but also acknowledges that the Fed's planned $600 billion in new purchases will "distort financial markets." What makes the letter particularly inspiring is that a few respectable economists signed it.

For those who prefer rough-and-tumble critiques, this amusing Xtranormal cartoon (which has a few naughty words) has been making the rounds. Although its author probably doesn't have a PhD in economics from MIT, it hardly matters, because most of its volleys hit their mark.

Fed Apologists Circle the Wagons

Naturally, the proponents of QE2 rushed to its defense. But in many cases, it was a very halfhearted defense. In this respect, my personal favorite was Tyler Cowen's:

I'm not sure it will work, because it won't fix the housing market, may not restore the demands for wealth-elastic goods in a sustainable manner, may not restore the normal flow of credit to small businesses, may not lower subjective estimated risk premia, and may not fix the general disconnect between expectations and reality. The effects on long-term interest rates are murky. …
Still, QEII may do some good. Money matters, even if we don't always understand how or why, and excessively tight money has never done market-oriented economics any favors. Think of QEII as a make-up for some earlier monetary policy mistakes. … QEII is not some terrifying burst of potential hyperinflation. The TIPS market is forecasting in the range of two percent inflation and it's gone up — what — sixty basis points since August? That's hardly the end of the Republic. … I've thought through "trigger models" of rapidly escalating inflation, but they don't scare me much.

Another amusing reaction came from monetary economist Scott Sumner. Recall that President Obama explained away the 2010 elections, not by saying the American people rejected the essence of his agenda, but rather by saying that the silly gooses didn't understand  how much he was trying to help them. What we have here, Obama said, was a failure to communicate.

Well, Sumner takes that exact tack in explaining why all the rubes (and lesser economists) are distraught over QE2. Sumner thinks Bernanke suffers from a marketing problem. Instead of calling it "inflation," Bernanke should simply say he's trying to boost income. Then the American people wouldn't fall for foolish animations criticizing the plan.

A Possible Black Swan

Bestselling financial author Nicholas Nassim Taleb — who is familiar with the Hayekian critique of central planning and has written scathing attacks on mathematical economics — as usual offers an interesting perspective on this second burst of inflation. In a sense, Taleb is the anti-Cowen: whereas Cowen effectively said, "Hey, it probably won't work, but we might as well give QE2 a try," Taleb effectively argues, "Hey, it just might blow up the world financial system, so let's not give QE2 a try."

Let me outline a possible scenario in which the current defenders of the Fed would look back and say, "Oops!" Suppose — contrary to Paul Krugman — that price inflation continues to accelerate in the next 12 months. (After all, in the prior 12 months, the Producer Price Index is up 4.3 percent while the Consumer Price Index is up 1.2 percent — hardly the edge of a deflationary cliff.)

As expectations of price inflation rise, the yields on various bonds will begin increasing as well. At some point, some commercial banks will find it more attractive to begin lending out their nearly trillion dollars in excess reserves, rather than keeping them on deposit with the Fed, where they currently earn 0.25 percent.

At the same time, suppose that the economy is still a wreck. Unemployment is still higher than 8 percent, and the government at all levels is still projected to run massive deficits as far as the eye can see.

Then an offhand remark by a Chinese official is mistranslated. Traders around the world suddenly think that the Chinese are going to begin unloading a large portion of their Treasury holdings. Fearing a crash in the dollar, everyone rushes to dump their Treasuries first — hence leading to a crash in the dollar.

Interest rates on Uncle Sam's debt skyrocket. Rather than yielding 2.85 percent as they currently do, ten-year Treasuries suddenly yield 8 percent — which was the case in the mid-1990s.

At this point, the inflation genie is out of the bottle. The excess reserves begin flying out of the commercial banks. Rather than earning the lower interest rate that Bernanke is paying them, the banks chase higher returns now available even on relatively safe government bonds. Bernanke attempts to staunch the exodus by implementing one of his new "tools," namely by increasing the interest rate paid on excess reserves from 0.25 percent to 5 percent. However, after a few days the market begins to panic once again. It finally dawns on investors — and they all realize that they all realize it — that Bernanke can't really solve the problem of too many excess reserves by causing them to grow exponentially.

Watching the difference between yields on regular versus TIPS bonds, Bernanke and his colleagues realize that the market is forecasting annual rates of price inflation in excess of 10 percent for the next decade. Bernanke decides that he has no choice but to begin unwinding the Fed's massive balance sheet expansion, even though the "recovery" is still fragile and the move will destroy some major banks as well as the real-estate market.

Yet Bernanke must begin selling off the Fed's assets, in order to sop up some of the remaining excess reserves before the commercial banks lend them all out and create a multiple amount of new money. But to his horror, Bernanke soon realizes that, even if he were willing to return the Fed's balance sheet to its 2007 level, it won't be enough to arrest the inflation.

The problem is that Bernanke is sitting on huge piles of US government debt, which have just gotten decimated in the bond market. For example, if Bernanke in 2010 had created $1 billion of new reserves by buying $1 billion in additional Treasury debt, those securities would now be worth (say) only $650 million. So even if Bernanke sells them all back into private hands, he will only be able to eliminate 65 percent of the new reserves he had earlier created. Open market operations will not allow him to drain the system.

Bernanke and his clever colleagues would be able to postpone the crisis a few more months, perhaps even a year, by inventing all sorts of new emergency programs and "tools." For example, the Fed could issue its own debt, and "borrow" the reserves away from the banks for an extended period. But this would just be a variant of the trick of paying interest directly, and wouldn't solve the problem once investors thought through its ramifications.

At this point, the United States would suffer from double-digit stagflation, with worse on the horizon depending on how many excess reserves were still in the system at the point Bernanke (or his successor) finally lost control. Paul Krugman et al. would then declare, "Well how about that, looks like we're no longer in a liquidity trap. The government better jack up tax rates and clamp down some new regulations on the financial sector before the economy overheats."

Conclusion

The world financial system is incredibly complex. As Taleb warns, the policy of quantitative easing is analogous to someone trying to jerk ketchup out of a bottle. The first few attempts, and nothing seems to happen. But then a careless lunge can lead to disaster.


(Ludwig von Mises Institut)

Mehr Arbeitsplätze durch Unternehmensneugründungen

Die vielen Unternehmensgründungen im letzten Jahr haben über eine halbe Million neuer Arbeitsplätze geschaffen. Um genau zu sein: 560.000 Neueinstellungen – und damit so viele wie seit Jahren nicht mehr! Die neuen Rekordzahlen liefert das aktuelle Gründungspanel von KfW, ZEW Mannheim und Creditform. Für das Panel werden jedes Jahr 6000 Unternehmen untersucht.

Und es gibt noch mehr positive Nachrichten: Es stieg nicht nur die Zahl der Unternehmensgründungen, sondern die Firmen wurden mit durchschnittlich drei Vollzeitstellen auch größer. Zudem registrierte Axel Nawrath, Vostandsmitglied der KfW, dass die Umsatz- und Gewinnsituation sich im Krisenjahr 2009 stabilisiert habe und auch weitere auch Erfolgskurs stehe. Die jungen Unternehmen hätten die Wirtschaftskrise gut gemeistert.

Einziges Manko: Die Start-ups investieren weniger. Das liegt möglicherweise auch daran, dass Firmen, die sich auf Marktneuheiten spezialisiert haben, schwerer an Bankkredite kommen. An dieser Stelle greift Private Equity an und ermöglicht den Unternehmen so ihren Start zu einem erfolgreichen Business.
 
 
 
 

Europa im IWF

Daniel Gros:

BRÜSSEL: Europas politische Führer werden es nicht müde, ihre Wähler beinahe mantraartig daran zu erinnern, dass die wichtigen Schwellenländer dabei sind, die bestehende globale Wirtschaftsordnung auf den Kopf zu stellen. Doch wenn es darauf ankommt, diese Realität in den internationalen Finanzorganisationen der Welt anzuerkennen, singen sie ein anderes Lied. Dies gilt insbesondere für die Eurozone.





Die Eurozone als Solche ist in den internationalen Finanzorganisationen nicht vertreten. Stattdessen sind beispielsweise im Exekutivdirektorium des Internationalen Währungsfonds zwölf Euroländer über sechs verschiedene Stimmrechts- oder Ländergruppen vertreten. Die beiden größten, Deutschland und Frankreich, bilden jedes für sich eine einzelne Gruppe. Zehn weitere Mitglieder der Eurozone sind Mitglieder von vier weiteren Stimmrechtsgruppen, die von Belgien, der Niederlande, Spanien und Italien angeführt werden. Allerdings umfassen diese vier Gruppen zugleich mehr als 20 andere Länder, von denen die meisten nicht einmal EU-Mitglieder sind.



Copyright: Project Syndicate 2010
Aus dem Englischen von Jan Doolan






Die Argumentationsfunktion der Unternehmensbewertung


In Ergänzung zur subjektiven Bewertungslehre wurde in den 1970er Jahren die funktionale Unternehmensbewertung entwickelt. Diese Kölner Funktionenlehre oder Kölner Schule der Unternehmensbewertung wurde von MÜNSTERMANN sowie von seinen akademischen Schülern SIEBEN, BUSSE VON COLBE und MATSCHKE entworfen. Matschke hat von 1963 bis 1968 in Köln studiert. Von 1970 bis 1977 war er Assistent an dem von Eugen Schmalenbach begründeten Treuhandseminar. Hans Münstermann war sein Doktorvater.

Wesentliche Bausteine dieser Funktionenlehre waren neben Siebens nicht veröffentlichter Habilitationsschrift (Köln 1968) Matschkes Dissertation „Der Entscheidungswert der Unternehmung" (Wiesbaden 1975) und seine Habilitationsschrift „Der Arbitriumwert der Unternehmung" (Wiesbaden 1979).

Mit der Kölner Funktionenlehre ist das Spektrum der Aufgabenstellung der Unternehmensbewertung erweitert worden, indem generell gefordert wurde, dass der jeweilige Bewertungszweck die Bewertungsmethode zu bestimmen habe. So wurden einzelnen Funktionen (Aufgaben) entsprechende Zwecksetzungen (Ziele) zugeordnet. 

Hauptfunktionen sind die Entscheidungssfunktion (Beratungsfunktion), die Vermittlungsfunktion und die Argumentationsfunktion. Davon zu trennen sind Nebenfunktionen, die vor allem auf Rechtsvorschriften und nicht auf ökonomischen Fragestellungen basieren - beispielsweise Wertbestimmungen zum Zwecke der Besteuerung oder zum Ansatz von Bilanzpositionen.

Seit wenigen Tagen ist nun auch in den USA, nämlich im Journal of Business Valuation and Economic Loss Analysis, ein Überblicksartikel 


von

Manfred Jürgen MATSCHKE, Gerrit BRÖSEL and Xenia MATSCHKE

erschienen.

Aus diesem aktuellen Anlass, der sehr erfreulich ist, weil Fundamentals of Functional Business Valuation  Platz 1 der "Most Popular Papers" belegt, geben wir hier einen Rückblick auf das Jahr 1977. Seinerzeit hatte Manfred Jürgen MATSCHKE einen - wie immer gut verständlichen -  Vortrag mit dem Titel

Die Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung

gehalten:

1. Die Stellung der Argumentationsfunktion im Rahmen funktionaler Unternehmungsbewertung

Ich möchte zu Ihnen über die Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung sprechen. Es handelt sich auch dabei um eine Aufgabenstellung, bei der die Unternehmungsbewertung zur Fundierung von solchen Entscheidungen dient, durch die eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse der zu bewertenden Unternehmung etwa durch Kauf / Verkauf, Fusion, Ein- oder Austritt von Gesellschaftern, herbeigeführt werden soll. Die Fundierung solcher unternehmerischen Entscheidungen ist der gemeinsame Zweck und das Bindeglied zwischen den Ihnen schon erläuterten Funktionen der Beratung und Vermittlung und der jetzt zu untersuchenden Argumentationsfunktion. Der jeweilige Gesichtspunkt, unter dem die Bewertung der Unternehmung vorgenommen wird, ist freilich bei der Argumentationsfunktion ein anderer als bei der Beratungsfunktion und bei dieser wiederum verschieden von der Vermittlungsfunktion.

Während Beratungs- und Vermittlungsfunktion zum Teil schon seit längerem und ausführlich diskutiert worden sind und zumindest im Grundsatz zwischen Theorie und aufgeschlossener Praxis immer weniger umstritten sind, gilt für die Funktion, Argumentationshilfe für Verhandlungen zu leisten, daß sie theoretisch noch weitgehend unbehandelt ist, dafür aber wahrscheinlich um so mehr praktiziert wird.

Die spezifische Aufgabenstellung einer Unternehmungsbewertung im Sinne der Argumentationsfunktion kann allgemein folgendermaßen umschrieben werden: Die Verhandlungsposition einer bestimmten Partei ist in einem Verhandlungsprozeß zu stärken. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. Es können Argumente geliefert werden, die den Verhandlungspartner zu Zugeständnissen oder zur Zustimmung zu einem bestimmten angestrebten Verhandlungsresultat bewegen. Die verhandelnde Partei kann aber auch durch eine Unternehmungsbewertung im Sinne der Argumentationsfunktion Informationen erhalten, mit denen die Argumente der anderen Verhandlungsseite entkräftet, deren Verhandlungsangebote mit einsichtigen Gründen zurückgewiesen oder in einem für ihre eigene Verhandlungsführung günstigen Sinne modifiziert werden können. 

Eine Unternehmungsbewertung im Sinne der Argumentationsfunktion ist folglich stets parteiisch. Denn derjenige, der das Ergebnis einer solchen Bewertung, das mit dem Begriff des Argumentationswertes der Unternehmung umschrieben werden soll, benutzt, möchte sich Vorteile verschaffen, die er ansonsten nicht oder nicht in dem Maße oder nicht so schnell erreicht hätte, oder aber er möchte mögliche Nachteile vermeiden. Gerade dieser Aspekt, mit Hilfe einer Unternehmungsbewertung eine Änderung des Verhaltens des Verhandlungspartners anzustreben, um Vorteile zu erlangen oder Nachteile abzuwenden, dürfte mit ein wichtiger Grund dafür sein, daß eine theoretische Behandlung der Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung bislang weitgehend unterblieben ist und daß die Argumentationsfunktion von einem Hauch von Unseriosität umgeben zu sein scheint, die zwar nicht das Tun, aber doch das Sprechen darüber behindert.

2. Die Zurückhaltung gegenüber der Argumentationsfunktion als Erbe der objektiven Unternehmungsbewertungslehre

Diese hinsichtlich der Argumentationsfunktion der Unternehmung zur Zeit noch bestehende verbale Zurückhaltung ist meines Erachtens ein Erbe der sogenannten objektiven Unternehmungsbewertungslehre. Nach dieser Lehre sollte ein Unternehmungswert bestimmt werden, der losgelöst von den konkreten, zudem meist noch konfligierenden Interessen der Parteien einer Unternehmung zuzumessen ist. Das Problem, wie die Parteien etwa im Falle eines Kaufs / Verkaufs zu einer Einigung gelangen, ist nach dieser Lehre als betriebswirtschaftlich irrelevant einzustufen. Diese Sicht der Unternehmungsbewertung ist meines Erachtens - zumindest im Grundsatz - inzwischen weitgehend überwunden. Die Ermittlung der Eckpunkte für Verhandlungslösungen mit Hilfe einer Unternehmungsbewertung im Sinne der Beratungsfunktion und die Ermittlung eines angemessenen Einigungsvorschlages auf der Basis einer Unternehmungsbewertung im Sinne der Vermittlungsfunktion belegen dies. Denn indem Grenzen für eine Verhandlungslösung abgesteckt werden oder ein angemessener Einigungsvorschlag gesucht wird, behandelt man auch das Problem, wie Parteien zu einer Einigung gelangen. Hinsichtlich der aus diesem Problem auch ableitbaren Frage der Beeinflussung des Verhandlungspartners besteht meines Erachtens ebenfalls kein Anlaß mehr, sich der objektiven Unternehmungsbewertungslehre verpflichtet zu fühlen, das heißt, diese Frage im Rahmen funktionaler Unternehmungsbewertung auszuklammern und unerörtert zu lassen. Denn es nützt letztlich niemandem, die Augen vor dem Komplex der Beeinflussung zu verschließen und diesen Bereich weiterhin zu ignorieren. Unternehmungsbewertungen werden nun einmal auch als Argumentationshilfen benutzt - und man tut gut daran, sich dieser Tatsache in Verhandlungen, in denen Unternehmungsbewertungen eine Rolle spielen, stets bewußt zu sein.


3. Argumentationswerte in Verhandlungsprozessen


Ich hatte die Aufgabenstellung der Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung allgemein mit der Stärkung der Verhandlungsposition einer Partei umschrieben. Die daran anknüpfende naheliegende Frage, in welchen Verhandlungsprozessen Argumentationswerte der Unternehmung von Bedeutung sein können, möchte ich mit der folgenden These beantworten: Der Gebrauch von Argumentationswerten und damit von Unternehmungsbewertungen zur Argumentationshilfe ist nicht auf Verhandlungen über den Preis oder über sonstige Bedingungen einer Einigung mit unternehmungsexternen Verhandlungspartnern beschränkt, sondern Unternehmungsbewertungen werden in verhandlungstaktischer Absicht auch in Verhandlungen zwischen unternehmungsinternen Verhandlungspartnern benutzt.


4. Die argumentative Nutzung von Unternehmungsbewertungen in Verhandlungen zwischen Unternehmungsinternen


Was den gerade angesprochenen internen Bezug der Argumentationsfunktion betrifft, so setzt dieser voraus, daß es sich um einen mehrgliedrigen Entscheidungsträger handelt. Unternehmungsbewertungen können dann dazu dienen, sich gegenüber übergeordneten Entscheidungsträgern - etwa gegenüber einer Konzernleitung - oder innerhalb eines Entscheidungskollektivs - etwa eines Vorstands - besser durchzusetzen und diese zu einer aus der Sicht des Argumentierenden erwünschten Entscheidung wie etwa zu einer Verhandlungsaufnahme oder zu einem Erwerb zu bewegen.


Bei einer solchen internen Entscheidungsbeeinflussung dürfte der Ansatzpunkt für eine argumentative Nutzung von Unternehmungsbewertungen insbesondere in dem erwarteten Beitrag der zu bewertenden Unternehmung zu den Unternehmungszielen liegen. Dabei kommt dem unmittelbar aus der zu bewertenden Unternehmung erwarteten Gewinnbeitrag nicht notwendig auch die größte Argumentationskraft zu, damit die gewünschte Entscheidungsbeeinflussung auch tatsächlich gelingt. Soll auch hierbei nach dem Grundsatz der aufgabenadäquaten Bewertung gehandelt werden, so wird derjenige, der eine Unternehmung mit unter dem Gesichtspunkt der internen Entscheidungsbeeinflussung bewertet, insbesondere darauf zu achten haben, daß der Beitrag zu den vom übergeordneten Entscheidungsträger oder vom Entscheidungskollektiv anerkannten Zielen entsprechend gewürdigt wird - und zwar selbst dann, wenn die Entscheidung vom Argumentierenden aus ganz anderen Gründen angestrebt wird, deren Nennung aber für die erwünschte Entscheidungsbeeinflussung nicht opportun zu sein scheint.


Neben einer Entscheidungsbeeinflussung können in unternehmungsinternen Verhandlungsprozessen herangezogene Unternehmungsbewertungen aber auch den Zweck der Abgrenzung von Verantwortlichkeiten haben. Einerseits kann beabsichtigt werden, die Verantwortung für eine nicht auszuschließende Fehlentscheidung frühzeitig intern auf möglichst viele Schultern zu verteilen, damit die eigene künftige Verhandlungsposition von einer mitgetragenen oder gar veranlaßten falschen Entscheidung möglichst wenig tangiert wird. Andererseits könnte es sein, daß insbesondere derjenige, der die Übernahme eines Kaufobjektes forciert hat und nach dem Erwerb auch die Leitungsverantwortung für dieses Kaufobjekt übernehmen muß, schon bei seiner befürwortenden Unternehmungsbewertung für diesen Fall Vorsorge trifft, damit seine spätere Tätigkeit nicht von vorneherein mit einer von ihm nur schwer einlösbaren Hypothek belastet wird. Auch bei einer Unternehmungsbewertung, die intern als Argumentationshilfe zum Zwecke der Verantwortungsabgrenzung herangezogen werden soll, bietet der erwartete Erfolgsbeitrag einen Ansatzpunkt. Ich möchte Ihnen dies auf der Basis des Gewinnziels und für den zuletzt erwähnten Fall der Abgrenzung von Verantwortlichkeiten für die spätere Erfolgsrealisation erläutern.


Der für die Bewertung relevante Gewinnbeitrag der zu bewertenden Unternehmung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:


  • erstens aus dem Gewinnbeitrag, der bei Anwendung bestimmter Verrechnungskonventionen der zu bewertenden Unternehmung unmittelbar zugeordnet werden kann, und

  • zweitens aus dem zusätzlichen Gewinnbeitrag, der durch die Integration des Kaufobjektes in der Käuferunternehmung entsteht. Dieser sogenannte Synergieeffekt oder Verbundeffekt ist - bei der hier vorgenommenen begrifflichen Abgrenzung - als Resultante positiver und negativer Integrationswirkungen in anderen Unternehmungsbereichen zu sehen.

Derjenige, der eine Unternehmungsbewertung intern als Argumentationshilfe zum Zwecke der Abgrenzung von Verantwortlichkeiten für die spätere Erfolgsrealisation einsetzen möchte, wird sein Augenmerk auf diese beiden Erfolgskomponenten legen und deren Verhältnis in seinem Sinne verändern. Das heißt, den Gewinnbeitrag aufgrund von Verbundeffekten in anderen Unternehmungsbereichen wird er möglichst günstig darstellen, so daß die Verantwortung für die Realisation auch dort liegt.

Ich möchte Ihnen dies an der folgenden Abbildung erläutern. In dieser Abbildung 1 sind drei verschiedene Darstellungen, die ich mit A, B und C bezeichnet habe, für den gleichen Sachverhalt gewählt worden, wobei es sich jedes Mal um den gesamten bewertungsrelevanten Gewinnbeitrag handelt, der in realistischer Weise und ohne Manipulationsabsicht hinsichtlich seiner gesamten Höhe geschätzt wurde.



Bei der Darstellung A ist der bewertungsrelevante Gewinnbeitrag als ein Gesamtbetrag ausgewiesen. Bei der Darstellung B ist der gesamte bewertungsrelevante Gewinnbetrag aufgespalten in einen Betrag, der aus der Unternehmung - wie sie steht und liegt - erwartet wird, und in eine Gewinnsteigerung. Die Darstellungen A und B würden vollauf genügen, wenn es lediglich darum ginge, den zutreffenden Entscheidungswert zu bestimmen. Soll indes die Unternehmungsbewertung zugleich als Argumentationshilfe benutzt werden, um Verantwortlichkeiten voneinander abzugrenzen, so ist sowohl die Darstellung A als auch die Darstellung B dafür wenig zweckdienlich; denn so geht etwa aus der Darstellung B nicht hervor, ob die Gewinnsteigerung beim Kaufobjekt oder in anderen Unternehmungsbereichen zu erwarten ist. Als Argumentationshilfe zur Abgrenzung von Verantwortlichkeiten für die spätere Erfolgsrealisation ist die Darstellung C eher geeignet. In ihr wird der gesamte bewertungsrelevante Gewinnbeitrag aufgeteilt auf verschiedene Bereiche; und falls derjenige, der für die Bewertung verantwortlich ist, nach einem Erwerb auch für das Kaufobjekt die Verantwortung tragen soll, so unterliegt seiner unmittelbaren Verantwortung nur der Gewinn in Höhe der doppelt umrandeten Fläche. Dieser Gewinn könnte von ihm noch eher pessimistisch geschätzt sein, während die Gewinnsteigerung in anderen Bereichen der Käuferunternehmung eher zu optimistisch ist. Auf diese Weise könnte auf der Basis einer zwar insgesamt realistischen Gewinnschätzung versucht werden, sowohl den gewünschten Erwerb des Kaufobjektes als auch eine weitgehende Verlagerung der Verantwortlichkeiten für die spätere Erfolgsrealisation zu erreichen. Inwieweit gerade letzteres gelingt, ist indes auch eine Frage der Reaktion der anderen betroffenen Entscheidungsträger in der Käuferunternehmung und somit von internen Verhandlungs- und Machtprozessen abhängig.


5. Die argumentative Nutzung von Unternehmungsbewertungen in Verhandlungen mit Unternehmungsexternen


Mit dieser letzten Feststellung möchte ich meine Ausführungen zur Frage der Anwendung von Unternehmungsbewertungen zum Zwecke der Entscheidungsbeeinflussung und der Abgrenzung von Verantwortlichkeiten im Rahmen unternehmungsinterner Verhandlungen beenden und mich Fragen zuwenden, die sich aus der argumentativen Nutzung von Unternehmungsbewertungen in Verhandlungen mit Unternehmungsexternen ergeben. In solchen Verhandlungen werden die Bedingungen festgelegt, unter denen die beabsichtigte Veränderung der Eigentumsverhältnisse der zu bewertenden Unternehmung vollzogen werden soll. Im Falle eines Kaufs / Verkaufs, der im weiteren betrachtet wird, ist insbesondere die Höhe des zu zahlenden Preises Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Parteien.


Eine Unternehmungsbewertung als Argumentationshilfe wäre in solchen Verhandlungen entbehrlich, wenn die Parteien ihre jeweiligen Preisgebote unbegründet in den Raum stellen würden und eine Einigung über eine bloße Abfolge von Preiszugeständnissen beider Seiten schließlich zustande kommen würde. In einem solchen Fall genügt es für eine rationale Verhandlungsführung der Parteien, wenn sie ihren jeweiligen Entscheidungswert kennnen. Der Käufer muß nur wissen, wieviel er maximal zahlen kann, der Verkäufer, wieviel er mindestens erhalten muß. Die Abbildung 2 erläutert die gerade beschriebene Verhandlungssituation, in der eine Unternehmungsbewertung als Argumentationshilfe entbehrlich wäre, weil die Einigung aus einer Abfolge unbegründeter Preisgebote resultiert.







Auf der Abszisse ist die Verhandlungsdauer abgetragen, auf der Ordinate das Verhandlungsresultat. Die Preisforderungen des Verkäufers werden mit zunehmender Verhandlungsdauer geringer, die Preisangebote des Käufers steigen. Nach einer bestimmten Verhandlungsdauer stimmen Forderung und Angebot überein. Beide Parteien haben sich auf einen bestimmten Preis geeinigt. Dieser Preis ist aus der Sicht beider Parteien akzeptabel, weil er sowohl unterhalb der Preisobergrenze des Käufers als auch oberhalb der Preisuntergrenze des Verkäufers liegt. Im Verhandlungsprozeß kennen die Parteien indes nur ihre eigene Entscheidungsgrenze.

Die der Abbildung 2 zugrunde liegende Verhandlungssituation nach Art des orientalischen Teppichhandels scheint für Verhandlungen über den Preis einer zu kaufenden Unternehmung nur in Ausnahmefällen zuzutreffen. Für Konfliktlösungsprozesse beim Kauf / Verkauf einer Unternehmung ist es vielmehr eher charakteristisch, daß

  • erstens die Parteien ihre Angebote begründen, wobei sie auf Unternehmungsbewertungsergebnisse zurückgreifen, und daß

  • zweitens die Einigung weniger über direkte Preiszugeständnisse als über eine kooperative Suche nach den richtigen Parametern einer Unternehmungsbewertung erreicht wird und daß

  • drittens Zugeständnisse der Parteien sich insbesondere auf diese Parameter beziehen.

In solchen Verhandlungssituationen stellt der eigene Entscheidungswert für die jeweilige Partei keine ausreichende Verhandlungsgrundlage dar; denn auf der Basis des eigenen Entscheidungswertes kann eine Partei nicht argumentieren, will sie ihre Verhandlungsposition nicht entscheidend schwächen. Die Parteien stehen damit in der Realität vor dem Problem, wie sie einerseits ihre Gebote möglichst überzeugend und wenig angreifbar begründen, andererseits aber Rückschlüsse auf ihren Entscheidungswert aus der Begründung ihrer Gebote erschweren oder verhindern können. Zur Lösung dieses Problems greifen die Parteien auf Argumentationswerte der Unternehmung zurück. Diese sind insofern Medien, um letztendlich die zwischen Käufer und Verkäufer bestehenden Interessengegensätze hinsichtlich der Preishöhe zu überbrücken und zu einer Einigung zu gelangen. Ich möchte sogar die These aufstellen, daß Argumentationswerte zu den von den Parteien anerkannten Spielregeln einer Kaufverhandlung gehören und daß sie trotz der mit ihrem Gebrauch verbundenen Beeiflussungsabsicht keine Instrumente der Übervorteilung darstellen, solange jede der Parteien ihren Entscheidungswert im Verhandlungsprozeß nicht außer acht läßt.
Was die angesprochene Beeinflussungsabsicht betrifft, so scheint mir folgende Differenzierung angebracht.


Die Argumentationswerte können erstens dazu dienen, um von dem vermuteten, gemeinsam realisierbaren Vorteil in Höhe der Differenz zwischen Preisobergrenze und Preisuntergrenze möglichst viel für sich zu separieren.
...

Die Beeiflussungsabsicht kann zweitens aber auch darauf gerichtet sein, den Einigungsbereich selber in einem für die eigene Verhandlungsstrategie günstigen Sinne zu beeinflussen. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Eine Partei deckt die vermeintlichen Entscheidungswerte beider Parteien auf, um einen Verhandlungsbereich abzustecken, der zu ihren Gunsten von dem tatsächlich von ihr vermuteten Verhandlungsbereich deutlich abweicht. Neben dieser manipulativen Verwendung vermeintlicher Entscheidungswerte kann die Partei aber auch dem Verhandlungspartner über einen Argumentationswert Informationen zukommen lassen, die in der Tat geeignet sind,
  • erstens, einen bestehenden Einigungsbereich zu erweitern oder

  • zweitens die Voraussetzungen für eine Einigung zu schaffen, weil durch die gegebenen Informationen der Verhandlungspartner zu einer für die Einigungsmöglichkeiten günstigen Revision seines Entscheidungswertes veranlaßt wird. Der Käufer könnte etwa den Verkäufer auf vorteilhaftere Wiederanlagemöglichkeiten aufmerksam machen, so daß sich der vom Verkäufer mindestens zu fordernde Preis ermäßigt, oder der Verkäufer könnte den Käufer auf Integrationsmöglichkeiten verweisen, die dieser bislang noch nicht gesehen hat und die dessen maximal zahlbaren Preis so erhöhen könnten, daß eine bisher wenig annehmbare Preisforderung des Verkäufers akzeptabel erscheint.
...

6. Traditionelle Unternehmungsbewertungsverfahren als Argumentationshilfe


Argumentationswerte unterliegen einem ehernen Gebot: Sie müssen für die Beeinflussungsabsicht der sie verwendenden Partei nützlich sein. Dies bedeutet insbesondere, daß ihre Herleitung dem Verhandlungspartner einsichtig und sachgerecht erscheint. Welche Wertgröße in einer konkreten Situation diesem Kriterium genügt, läßt sich schwerlich allgemein sagen. Argumentationswerte können und werden deshalb in verschiedenster Gestalt in eine Verhandlung eingeführt, sei es als vermeintliche oder tatsächliche Entscheidungswerte, sei es als interessenabwägende Arbitriumwerte, sei es als typisierte Unternehmungswerte auf der Basis traditioneller Unternehmungsbewertungsverfahren. Gerade letztere weisen eine für die Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung wichtige Eigenschaft auf. Sie werden seit langem praktiziert und haben dementsprechend die für die Argumentationsfunktion nützliche Reputation des schon seit langem Bewährten. Wie lange diese Aussage noch als weitgehend zutreffend bezeichnet werden kann, muß indes offen bleiben. Denn es ist ein aus der Sicht der Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung sehr zu bedauernder Erosionsprozeß festzustellen, der insbesondere die alleinige argumentative Nutzung des Substanzwertes in Form des Teilrekonstruktionsaltwertes schon arg in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Bemerkungen von heute morgen könnten indes darauf hindeuten, daß dieser Substanzwert - entgegen meiner pessimistischen Prognose - den verhandelnden Parteien vielleicht doch noch recht lange als Argumentationshilfe erhalten bleiben wird. Eine andere wichtige Funktion sehe ich für den Substanzwert in Form des Teilrekonstruktionsaltwertes nicht.


7. Zur Bedeutung einer Dekomposition des Verhandlungsproblems entsprechend dem verwendeten Unternehmungsbewertungsverfahren


Ich hatte schon darauf hingewiesen, daß in Verhandlungen über den Kauf / Verkauf einer Unternehmung eine Einigung nicht so sehr über direkte Preiszugeständnisse, sondern mehr über eine kooperative Suche der Parteien nach den "richtigen" anzusetzenden Bewertungsparamentern versucht wird und daß sich Konzessionen auf die Höhe dieser Parameter beziehen. Das eigentliche Problem, nämlich die Festlegung des zu zahlenden Preises, wird bei einer solchen Vorgehensweise in verschiedene Unterprobleme zerlegt, über die die Parteien gesondert diskutieren und verhandeln können. Bei einer Argumentation auf der Basis des Ertragswertverfahrens sind solche Unterprobleme die Festlegung des zu kapitalisierenden Zukunftserfolgs, die Berücksichtigung des Risikos und die Auswahl des anzusetzenden Kapitalisierungszinsfußes.


Der Vorteil einer solchen Zerlegung des ursprünglichen Problems besteht vor allem darin, daß die Parteien sich auf diese Weise einen Argumentationsraum erschließen und daß Konzessionen bei der Lösung des einen Teilproblems durch Konzessionen des Verhandlungspartners bei anderen Teilproblemen in Grenzen kompensiert werden können, so daß die Auswirkungen solcher Konzessionen so lange relativ unbestimmt bleiben, wie die Parteien nicht zu übereinstimmenden Meinungen hinsichtlich der Lösung aller Teilprobleme gekommen sind. Die kooperative Suche nach akzeptablen Lösungen dürfte aus diesem Grunde, aber auch schon deshalb erleichtert werden, weil Konzessionen bei solchen Sachproblemen wie der Höhe des Zukunftserfolges, der Risikoberücksichtigung oder des Kapitalisierungszinsfußes weniger als ein Zurückweichen vor gegnerischen Forderungen, sondern mehr als ein Eingehen auf überzeugendere gegnerische Argumente angesehen werden können.


Ein Argumentationswert kann dann einer Partei auch die Möglichkeit bieten, eine vorher eingenommene, aber unhaltbare Verhandlungsposition in den nachfolgenden Sachgesprächen ohne Gesichtsverlust zu räumen.


8. Zur Abschätzung der Auswirkungen von Konzessionen bei den Parametern des Ertragswertverfahrens auf die begründbare Preishöhe


Die Argumentationsfunktion der Unternehmungsbewertung läßt - wie schon angesprochen - die Anwendung der traditionellen Unternehmungsbewertungsverfahren in einem neuen Licht erscheinen. Die Nutzung des sich ergebenden Argumentationspotentials erfordert indes eine genaue Kenntnis der einzelnen Verfahren. Dazu gehört unter anderem, daß die damit argumentierende Partei die Auswirkungen auf die Höhe des mit Hilfe eines bestimmten Verfahrens ableitbaren Preises jederzeit abzuschätzen vermag, sofern im Laufe der Verhandlung einzelne Komponenten des als Argumentationshilfe benutzten Verfahrens durch Zugeständnisse verändert werden. 

...




9. Schlußbemerkung


Abschließend möchte ich nochmals betonen, daß die argumentative Nutzung von Unternehmungsbewertungen keine Erfindung von Theoretikern ist, sondern einer praktischen Übung entspricht. Es gehört freilich zum Mimikry des Argumentationswertes, daß er seinen wahren Charakter verleugnet.




Kompletter Vortrag mit Beispielen










Mittwoch, 17. November 2010

Sieben weitere schwere Jahre?

Robert J. Shiller:

NEW HAVEN – Im August 2010 wurde in Jackson Hole das Wirtschaftssymposium der US-Notenbank abgehalten, das von vielen Zentralbankern und Ökonomen der Welt besucht wurde. In vielen der Diskussionen, die in die Öffentlichkeit drangen, ging es um eine dort vorgestellte Publikation, die die langfristige Zukunft der Weltwirtschaft pessimistisch bewertete.



Robert Shiller ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University, Chefökonom von MacroMarkets LLC und gemeinsam mit George Akerlof Autor von Animal Spirits: Wie Wirtschaft wirklich funktioniert.


Geschrieben wurde die Publikation „After the Fall“ (auf Englisch) von den Wirtschaftswissenschaftlern Carmen Reinhart und Vincent Reinhart. Ihre Arbeit stützt sich auf ein unlängst erschienenes Buch von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff mit dem Titel Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen.






Copyright: Project Syndicate 2010
Aus dem Englischen von Jan Doolan




Die Übergröße der Finanzinstitute: ein falscher Schwerpunkt?

Adair Turner:

LONDON: Die Weltwirtschaftskrise von 2008-2009 war offensichtlich zum Teil eine Krise bestimmter systemisch wichtiger Banken und anderer Finanzinstitute wie etwa AIG. Hieraus ergab sich eine intensive Debatte über die Probleme, die auftreten, wenn derartige Institute als zu groß gelten, um sie scheitern zu lassen.


 
Adair Turner ist Vorsitzender der Financial Services Authority (der britischen Finanzaufsicht)


Politisch konzentriert sich diese Debatte auf die Kosten von Rettungsmaßnahmen und auf Besteuerungsmaßnahmen, um „unser Geld wiederzubekommen“. Für die Ökonomen dagegen stehen die von der Erwartung eines im Zweifel ja sowieso erfolgenden Bailouts ausgehenden subjektiven Risiken, die die Marktdisziplin zugunsten einer exzessiven Risikobereitschaft untergraben, im Mittelpunkt – und auch der unfaire Vorteil, den derartige stillschweigende Garantien großen Akteuren gegenüber jenen Wettbewerbern bieten, die klein genug sind, um sie untergehen zu lassen.



Copyright: Project Syndicat 2010
Aus dem Englischen von Jan Doolan



Donnerstag, 11. November 2010

Muster des Gelingens



"Systemisch bedeutet für die verwendeten Erklärungen, dass sie aus der neueren soziologischen Systemtheorie abgeleitet sind. Bezogen auf Wirtschaft heißt dies, das Wirtschaft als ein Kommunikationssystem begriffen wird. Und die Teilnehmer an dieser Kommunikation (Individuen wie Organisationen oder auch der Staat) werden als Beobachter konzeptualisiert, die jeweils sehr unterschiedlich beschreiben, erklären und bewerten können, was sie beobachten oder auch nicht beobachten (= Konstruktivismus).


Kein Beobachter hat - so die konstruktivistische Grundannahme - eine privilegierte Perspektive, von der aus er beanspruchen könnte, einen Zugang zur objektiven Wahrheit zu haben. Deswegen kommt es fast zwangsläufig zum Streit der Meinungen über (1) die Auswahl der zu beobachtenden Phänomene, (2) die Weise, wie ihr Zustandekommen kausal zu erklären ist, und - ganz besonders - (3) wie bzw. nach welchen Kriterien ein so beobachtetes und erklärtes Geschehen zu bewerten ist.

Dass Bewertungen durch Beobachter für wirtschaftliche Fragen zentral sind, bedarf wohl keiner besonderen Betonung, schließlich liegt jedem Kauf und Verkauf eine Bewertung durch unterschiedliche Beobachter (Käufer / Verkäufer) zugrunde. Und dass solche Bewertungen verschieden sind, zeigt sich, wenn zum Beispiel der eine Beobachter bereit ist, eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Preis zu kaufen, der andere, sie zu verkaufen."
(Fritz B. SIMON)

Es gibt keine systemische Unternehmensbewertung. Aber es gibt zahlreiche Elemente, auf systemisch-kybernetischen Arbeiten basierend, die hoffentlich einmal zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden, das für Zwecke der Unternehmensbewertung nutzbar ist.

Gustav BERGMANN, Universität Siegen, forscht und lehrt mit seinem Team besonders in den Bereichen Innovations- und Kompetenzmanagement sowie der internen und externen Unternehmenskommunikation. Auf Basis des systemisch - relationalen Theorieansatzes werden Lösungen für komplexe Fragestellungen entwickelt. Die systemische Sichtweise geht von einer sozial konstruierten Wirklichkeit aus. Das heißt: Probleme und Lösungen entstehen durch kommunikativen Austausch. Insofern ist an den kommunikativen Strukturen von Unternehmen zu arbeiten. Professor BERGMANN und sein Team diagnostizieren Unternehmen, um die spezifische Kompetenz und Kultur zu entdecken und, um fehlende Elemente zu finden. Die systemischen Defizite können durch gezielte Interventionen ergänzt werden. Mit der Reflexion sind systemische Muster des Gelingens zu entdecken, die ein Unternehmen dauerhaft vital erhalten. 

Philosophie


des Lehrstuhls für Innovations- und Kompetenzentwicklung
Am Lehrstuhl für Innovations- und Kompetenzmanagement forschen und lehren wir nach 3 wesentlichen Grundsätzen:

Sustainability oder Zukunftsfähigkeit

Mit Zukunftsfähigkeit meinen wir, wichtige ökologische, soziale, ökonomische und technologische Fragen zu bearbeiten, die die Überlebensfähigkeit und Lebensqualität von Menschen steigern. Gerade in den nächsten Jahren wird es darum gehen, neue Lebens- und Wirtschaftsweisen zu entwickeln, die auch zukünftigen Generationen ein gutes Leben ermöglichen. Wir forschen hier nach Formen der Kontextgestaltung die einem menschlichen Maß entsprechen.

Systemik und Relationalität

Die Basis unserer Lehre und Forschung bildet die so genannte systemisch – relationale Theorie. Wir denken, dass Wirklichkeit auf individuellen Wahrnehmungen beruht, die in Interaktion mit Anderen zu einer gemeinsamen Erlebniswirklichkeit entwickelt werden kann.
Im Mittelpunkt steht die Leitdifferenz von trivialen und non trivialen Systemen. Wir sind davon überzeugt, dass substanzielles Lernen erst in non- trivialen Systemen möglich ist und gesellschaftliche Macht hinterfragt werden muss, die in der Tendenz eingesetzt wird, um Menschen zu trivialisieren.

Aktionsforschung und Komptenzentwicklung

Mit Aktionsforschung gewinnen wir Muster der gelingenden Gestaltung von sozialen Systemen. Wir begleiten und beobachten reale Fälle, um auf der Basis von Dichten Beschreibungen im Dialog Erkenntnisse zu gewinnen.

In der Lehre versuchen wir die Erkenntnisse über die Beschäftigung mit unentscheidbaren Fragestellungen und die Gestaltung von innovativen Lehrkontexten weiter zu entwickeln und anwendbar zu machen. Kompetenzentwicklung verstehen wir dabei mehr als Kompetenzentdeckung durch Irritation und experimentelle Erprobung in sehr verschiedenen Forschungsfeldern (Kunst, Interkulturalität, Medien, etc.).


Essay
Juni 2010


Research - Paper
Januar 2010


Oktober 2010