Freitag, 5. November 2010

Erbschaftsteuer und Unternehmensbewertung, ein Methodenvergleich



Michael OLBRICH, Direktor des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes, hat am 18. Juni 2010 gemeinsam mit Christoph HARES und Alexander PAULY einen wegweisenden Aufsatz zur



veröffentlicht.

OLBRICH / HARES / PAULY fassen ihren Aufsatz "Erbschaftsteuerreform und Unternehmensbewertung" thesenförmig zusammen:

  1. Der in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vom Gesetzgeber gewünschte und dem Leistungsfähigkeitsprinzip genügende Wert zur Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ist der individuelle Entscheidungswert des Steuerpflichtigen. Er wird mit investitionstheoretischen Bewertungsmodellen, im Regelfall dem Zukunftserfolgswertverfahren, ermittelt. Die Abschätzung der Zahlungsüberschüsse muss dabei stets unter Beachtung der mit der Schenkung / Vererbung entstandenen individuellen Eigentümerstellung des Steuerpflichtigen erfolgen. Bei der Frage, ob dem Zukunftserfolgswertverfahren die Erfolge aus der Fortführung oder der Liquidation zugrundezulegen sind, muss die Wahl auf die ökonomisch vorteilhaftere Alternative fallen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige aus außerökonomischen Gründen de facto gegen die ökonomisch vorteilhaftere Lösung entscheidet.

  2. Problematisch ist aus steuerpraktischer Sicht, dass der Steuerpflichtige dem Fiskus seinen Entscheidungswert nicht offenlegen, sondern ihm einen niedrigeren Argumentationswert als vermeintlichen Entscheidungswert kommunizieren wird. Es könnte dann zu einer zeit- und kostenintensiven Aufgabe der Finanzverwaltung und Finanzgerichtsbarkeit werden, derartige Argumentationswerte auf ihren ökonomischen Gehalt hin zu überprüfen. Insbesondere die Beurteilung der Überschussprognose, die der Steuerpflichtige der Unternehmensbewertung zugrundelegt, würde Behörden und Rechtsprechung dabei vor große Herausforderungen stellen.

  3. Auch die neue, betriebswirtschaftlich orientierte Bewertungsmethodik im Schenkungs- und Erbschaftsteuerrecht bedarf daher aus Praktikabilitätsgründen einer Typisierung. Von Seiten des Gesetzgebers wurde hierfür das "vereinfachte Ertragswertverfahren" entworfen, von Seiten des Schrifttums wurden auch DCF - Methoden angeführt.

  4. Das vereinfachte Ertragswertverfahren gibt klare Bewertungsparameter vor und erhöht die praktische Umsetzbarkeit der Bewertung damit beträchtlich. Von Vorteil ist, dass es sich dabei um ein optionales, kein verpflichtendes Verfahren handelt. Sollte der aufgrund des vereinfachten Verfahrens ermittelte Unternehmenswert geringer als sein Entscheidungswert sein, wird der Steuerpflichtige das Rechenergebnis akzeptieren; sollte das Entscheidungswertkriterium verletzt werden, wird er hingegen auf einem stärkeren Subjektbezug der Bewertungsparameter bestehen.

  5. Die verbesserte Plausibilität aufgrund des vereinfachten Ertragswertverfahrens geht mit einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips einher, wobei diese Verletzung stets zugunsten des Steuerpflichtigen ausfällt. Aufgrund der vom BVerfG konstatierten besonderen Schutzwürdigkeit des Steuerpflichtigen gegenüber dem Staat ist diese Verletzung jedoch nicht zu beanstanden.

  6. Die in Teilen des Schrifttums alternativ vorgeschlagene Typisierung auf Basis kapitalmarkttheoretischer DCF - Verfahren räumen große Bewertungsspielräume ein und stellen bloße "Scheintypisierungen" dar. Eine Anwendbarkeit der DCF - Methoden würde die Zahl möglicher Argumentationswerte folglich vergrößern, nicht reduzieren. Aus Sicht des Fiskus ist sie daher zu verneinen, aus Sicht des Steuerpflichtigen zu begrüßen.

  7. Auch die in der Gesetzesbegründung und Teilen der Literatur befürwortete Anwendbarkeit einer Vielfalt unterschiedlicher Bewertungsmethoden ist differenziert zu beurteilen. Sie ist - abgesehen von dem Spektrum investitionstheoretischer Verfahren (Partial-, Totalmodell) - vom Wortlaut des BewG strenggenommen nicht gedeckt, erhöht die Zahl der Bewertungsspielräume und der damit verbundenen Argumentationswerte des Steuerpflichtigen und ist aus Sicht des Fiskus daher ungeeignet. Aus Sicht des Erben bzw. Beschenkten stellt sie naturgemäß aufgrund eben dieser Spielräume hingegen die attraktivste aller Lösungen des steuerlichen Bewertungsproblems dar.

(OLBRICH / HARES / PAULY, a.a.O., S. 1251, Abschnitt 2.2)

Ebenfalls in diesem Jahr ist zum selben Thema ein Arbeitspapier von Klaus HENSELMANN / Claudia SCHRENKER / Sebastian SCHNEIDER erschienen, das den Titel

Unternehmensbewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke - Anwendung verschiedener Bewertungsmethoden im Vergleich


trägt.

Darin gehen die Autoren der Frage nach, ob insbesondere für die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Anwendung des vom Gesetzgeber entworfenen vereinfachten Ertragswertverfahrens Vorrang gewährt werden sollte oder sich  ein komplexeres und mit höheren Kosten verbundenes Gutachten zur Wertermittlung nach den Grundsätzen des IDW S 1 im Hinblick auf die zu zahlende Steuerschuld als lohnend erweisen könnte.

Um diese Frage zu beantworten, wurden im Rahmen einer von den Autoren durchgeführten Studie Unternehmenswerte von 30 Kapitalgesellschaften nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren und dem Ertragswertverfahren nach IDW S 1 annähernd errechnet. Um einen Vergleich der Verfahrenswerte mit den Marktwerten zu ermöglichen, wurde zur Durchführung der Studie auf 30 im SDAX notierte Unternehmen zurückgegriffen, deren veröffentlichte Konzernabschlüsse die Datengrundlage für die Bewertung darstellen.

Nach den Ausführungen der Autoren lagen beiden Bewertungsverfahren identisch bereinigte Vergangenheitszahlen zu Grunde. Planzahlen bleiben beim vereinfachten Ertragswertverfahren unberücksichtigt; der vereinfachte Ertragswert wird auf Basis des arithmetischen Durchschnitts der vergangenen drei Jahresergebnisse berechnet. Dagegen wird im Ertragswertverfahren nach IDW S 1 die Frage gestellt, mit welchen finanziellen Überschüssen in Zukunft nachhaltig gerechnet werden kann. Bei dieser Methode ist also der Barwert der für die Zukunft prognostizierten Zahlungsüberschüsse zu ermitteln.

Auch die Kapitalisierungszinssätze unterscheiden sich voneinander. 

Im vereinfachten Ertragswertverfahren setzt sich der Kapitalisierungszinssatz aus dem Basiszins (Bewertungsstichtag 2007) von 4,02 % und einem fixen Zuschlag von 4,5 % zusammen = 8,52%. 

Im Ertragswertverfahren nach IDW S 1 haben die Autoren einen Basiszinssatz  (vor Steuern) von 4,65 % um die Abgeltungssteuer einschließlich Solidaritätszuschlag i.H.v. insgesamt 26,375 % gemindert = 3,42 % und eine Nachsteuer - Marktrisikoprämie von 5,5 % addiert = 8,92 %. Zur Berechnung von unternehmensindividuellen Betafaktoren sind die vom Finanzdienstleister Bloomberg zum 31.12.2007 ermittelten Daten der 30 zu bewertenden Unternehmen herangezogen worden. Für die Ermittlung des Risikozuschlags wurde ein levered Beta verwendet. Im Restwertzeitraum wurde der Kapitalisierungszinssatz um einen Wachstumsabschlag in Höhe von 1,5 % gekürzt. Bei einem Betafaktor von 1,0 errechnet sich in der Beispielrechnung ein Kapitalisierungszinssatz von 8,92 % für die Detailplanungsphase und 7,42 % für den Restwertzeitraum. 

Das Fazit der Studie:

In der durchgeführten Studie wurden für die 30 im SDAX notierten Unternehmen überwiegend vergleichsweise niedrige Werte bei Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens errechnet. Hieraus lässt sich ableiten, dass für nicht an der Börse notierte Unternehmen dieser Größenordnung bei der Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens im Hinblick auf die zu zahlende Steuerschuld durchaus vorteilhaft sein kann. Wie aus den Ergebnissen der Studie ersichtlich wird, sollte jedoch nicht generell auf die Einholung eines relativ zeit- und kostenintensiven Wertgutachtens zur Ermittlung des Ertragswertes verzichtet werden. Die relative Vorteilhaftigkeit hängt von der Ausgangssituation ab. Eine befürchtete generelle Wertüberhöhung im Vergleich zu den Marktwerten ist aber nicht festzustellen. 

Die Autoren haben die von ihnen annähernd errechneten Unternehmenswerte mit Börsenwerten (Marktwerte, s.o.) verglichen. Dabei wurde jeweils der Jahresabschlusskurs mit der Anzahl der emittierten Aktien multipliziert. Da die Autoren diese Vorgehensweise nicht problematisiert haben, sei zu diesem Zweck auf folgende Beiträge verwiesen:





















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