Freitag, 26. Februar 2010

Die Rufe der Kassandra



Ist Griechenland zahlungsunfähig? Wird unsere Währung gesplittet? In EGGHAT'S anregendem BLOG ist in Verbindung mit "The Time is different" von REINHART / ROGOFF zu lesen, dass der 


Zeitpunkt doch absehbar ist, wann der griechische Haushalt unter der Zinslast ersticken wird.


Ergänzend greift EGGHAT " The Option of Last Resort: A Two - Currency EMU" von Nouriel ROUBINI auf:

Roubini schlägt einen Spaltung des Euro vor, in einen starken Euro und einen schwachen. Die Länder des Südens bekommen den schwachen Euro, die anderen den starken. Die Schulden der Länder mit dem schwachen Euro bleiben im starken Euro (keine Verluste für die Anleihehalter). Die (Export-) Wirtschaft der Schwach-Euro-Staaten profitiert aber von den neuen Exportmöglichkeiten durch die international gestiegene Wettbewerbsfähigkeit.

Ich halte die Idee für nicht so dumm. Ich frage mich nur, wie die Länder des schwachen Euros jemals wieder aus der Schwach-Euro-Zone herauskommen sollen. Je größer und damit wirksamer die Abwertung des Schwach-Euros wird, desto schwieriger wird naturgemäß die Rückkehr zum Stark-Euro. Ich befürchte, dass die Annahme von Roubini, diese Lösung temporär machen zu können, der Knackpunkt ist, an dem alles scheitert.


Simon JOHNSON, früherer Chef - Volkswirt des Internationalen Währungsfonds und gegenwärtig  MIT - Professor, sieht große Gefahren auf Europa zukommen:

Europe Risks Another Global Depression

The entirely pointless G7 meeting this weekend only served to underline the fact that Europe is again entering a serious economic crisis.

At the end of the meeting yesterday, Treasury Secretary Tim Geithner told reporters, “I just want to underscore they made it clear to us, they the European authorities, that they will manage this [the Greek debt crisis] with great care.”

But the Europeans are not being careful – and it’s not just about Greece any more.  Worries about government debt and associated public sector liabilities (e.g., because banking systems are in deep trouble) have spread through the eurozone to Spain and Portugal.  Ireland and Italy are next up for hostile reconsideration by the markets, and the UK may not be far behind. 

What are the stronger European countries, specifically Germany and France, doing to contain the self-fulfilling fear that weaker eurozone countries may not be able to pay their debt – this panic that pushes up interest rates and makes it harder for beleaguered governments to actually pay?

The Europeans with deep-pockets are doing nothing – except insist that all countries under pressure cut their budgets quickly and in ways that are probably politically infeasible.  This kind of precipitate fiscal austerity contributed directly to the onset of the Great Depression in the 1930s.

The International Monetary Fund was created after World War II specifically to prevent such a situation from recurring.  The Fund is supposed to lend to countries in trouble, to cushion the blow of crisis.  The idea is not to prevent necessary adjustments – for example, in the form of budget deficit reduction – but to spread those out over time, to restore confidence, and to serve as an external seal of approval on a government’s credibility.

Dominique Strauss-Khan, the Managing Director of the IMF, said Thursday on French radio that the Fund stands ready to help Greece.  But he knows this is wishful thinking. 
The financial markets know all this and last week sharpened their swords.  As we move into this week, expect more selling pressure across a wide range of European assets. 

As this pressure mounts, we’ll see cracks appear also in the private sector.  Significant banks and large hedge funds have been selling insurance against default by European sovereigns.  As countries lose creditworthiness – and, under sufficient pressure, very few government credit ratings will hold up – these financial institutions will need to come up with cash to post increasing amounts of collateral against their derivative obligations (yes, the same credit default swaps that triggered the collapse last time).

Remember that none of the opaqueness of the credit default swap market has been addressed since the crisis of September 2008.  And generalized counter-party risk – the fear that your insurer will fail and this will bring down all connected banks – raises its ugly head again. 

In such a situation, investors scramble for the safest assets available – “cash”, which actually (and ironically, given our budget woes) means short-term US government securities.  It’s not that the US is in good shape or even has anything approaching a credible medium-term fiscal framework, it’s just that everyone else is in much worse shape.

Another Lehman/AIG-type situation lurks somewhere on the European continent, and again our purported G7 (or even G20) leaders are slow to see the risk.  And this time, given that they already used almost all their fiscal bullets, it will be considerably more difficult for governments to respond effectively when they do wake up.

(The Baseline Scenario, February 7, 2010)



Im Übrigen flammt die seit längerem diskutierte Idee von Einheits - Anleihen der Länder der Euro - Zone (Euro - Bonds) wieder auf. George SOROS in einem Artikel für die Financial Times:


Recognising the need, the last Ecofin meeting of EU finance ministers for the first time committed itself “to safeguard financial stability in the euro area as a whole”. But they have not yet found a mechanism for doing it because the present institutional arrangements do not provide one – although Article 123 of the Lisbon treaty establishes a legal basis for it. The most effective solution would be to issue jointly and severally guaranteed eurobonds to refinance, say, 75 per cent of the maturing debt as long as Greece meets its targets, leaving Athens to finance the rest of its needs as best it can. This would significantly reduce the cost of financing and it would be the equivalent of the International Monetary Fund disbursing conditional loans in tranches.

EZB - Präsident TRICHET sagte dazu bereits im vergangen Frühjahr, dass die EZB eine solche Lösung nicht bevorzugen würde. Seines Wissens nach seien auch die meisten staatlichen Finanzierungsagenturen gegen die Emission von Euro - Bonds. Diese Argumentation ist verständlich, würde die Rendite einer  Einheits - Anleihe doch über der von Staatsanleihen bonitätsmäßig (noch) einwandfreier Länder, wie Deutschland, liegen und infolgedessen deren Finanzierungskosten spürbar erhöhen. 


Selbst wenn diese Prophezeiungen nicht eintreten, die ihnen zugrunde liegenden makroökonomischen Entwicklungen können nicht ohne Folgen auf die Unternehmensbewertung bleiben:


Die Anwendung des Capital Asset Pricing Model (CAPM) in der Unternehmensbewertung ist fragwürdig


In den "marktwert" - orientierten Bewertungsmodellen wird zur Ermittlung so genannter Eigenkapitalkosten (Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber) üblicherweise das Capital Asset Pricing Model (CAPM) herangezogen. Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das zu bewertende Unternehmen errechnet sich dabei aus der Summe der Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen und einem Risikozuschlag, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Beta - Faktor ergibt.

Die Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen - auch landesüblicher Zins oder Basiszins genannt - wird in der Bewertungspraxis als gegeben angenommen oder gilt als leicht ermittelbar. Praktisch wird häufig die Rendite öffentlicher Anleihen hinsichtlich der daraus erwarteten Mittelrückflüsse (Zins und Tilgung) als risikofrei betrachtet. Gegenwärtig droht jedoch einigen Ländern eine Herabstufung ihrer Bonitätsnote:

Beispielsweise sieht S&P die Kreditwürdigkeit der Griechen  skeptisch. Es ist gut möglich, dass das „BBB+“-Rating  in den nächsten vier Wochen um ein bis zwei Stufen herabgesetzt wird. Ähnliches droht Irland, Italien, Portugal und Spanien.

Ein Herunterstufen auf "BBB-" würde bedeuten, dass Anleihen dieser Staaten an der Grenze  zu "nicht mehr als Investment geeigneten (Non - Investment Grade) " Papieren liegen; risikofrei sind sie bereits jetzt nicht mehr.

Aktuell liegen die Renditen 10-jähriger öffentlicher Anleihen zwischen 3,12 % (Deutschland) und 6,70 % (Griechenland). Diese Anleihen lauten alle auf dieselbe Währung (Euro), so dass die Renditedifferenz allein auf das unterschiedliche Ausfallrisiko zurückzuführen ist. Obwohl die Rendite deutscher Staatsanleihen näher an der tatsächlich risikofreien Rendite liegt als die der meisten anderen Länder der Eurozone, dürfte die "wahre" risikofreie Rendite knapp unterhalb von 3,12 % liegen; wo genau, weiß niemand!

Aber auch die USA bleiben möglicherweise nicht von einer Rating - Abstufung verschont. Am 2. Februar 2010 berichtete MOODY'S, dass das US - Rating "Aaa" unter Druck ist. Eine Herabstufung würde die Möglichkeit eines Ausfalls implizieren.

FAZIT:  
Gegenwärtig ist das CAPM wegen der Schwierigkeiten bei der praktischen Ermittlung einer risikofreien Rendite nicht mehr uneingeschränkt anwendbar!





Das Kreditgeschäft im Euro - Währungsgebiet


Ergebnisse einer von der EZB im Zeitraum 07.12.2009 - 08.01.2010 durchgeführten Umfrage zum Kreditgeschäft im Euro - Währungsgebiet:

Zusammenfassung

Insgesamt lässt sich feststellen, dass bei der seit dem zweiten Halbjahr 2007 zu beobachtenden Verschärfung der Kreditrichtlinien ein Wendepunkt bevorstehen könnte, der aber auf Ebene des Euroraums noch nicht erreicht ist. Die aktuellen Umfrageergebnisse weisen darauf hin, dass die Kreditrichtlinien per saldo erneut etwas verschärft wurden, allerdings weniger stark als in den vorangegangenen Quartalen. Eine Betrachtung der einzelnen Kategorien von Kreditnehmern zeigt, dass die Kreditrichtlinien bei Hypothekarkrediten weniger stark gestrafft wurden als bei Konsumentenkrediten und Darlehen an nicht - finanzielle Kapitalgesellschaften.

Unternehmenskredite (inklusive Kreditlinien)

Im Schlussquartal 2009 ging der prozentuale Saldo der Banken, die eine Verschärfung der Richtlinien für Unternehmenskredite (inklusive Kreditlinien) meldeten, weiter auf 3 % zurück (nach 8 % im dritten und 21 % im zweiten Quartal). Die Straffung ließ laut den aktuellen Umfrageergebnissen also deutlich langsamer nach als in den Umfragen davor. Der Rückgang der Verschärfung war zudem etwas weniger stark als in der vorherigen Umfrage von den Banken erwartet. Im dritten Quartal 2009 waren die Banken noch davon ausgegangen, dass die Verschärfung per saldo eine Wert von Null erreichen und somit zum Stillstand kommen würde.

Was die Faktoren betrifft, die für die leichte Verschärfung der Kreditrichtlinien ausschlaggebend waren, so meldeten die Banken einen etwas geringeren Einfluss der Risiken im Zusammenhang mit den allgemeinen Konjunkturaussichten, den branchenspezifischen Faktoren und den Sicherheiten. Diese Faktoren trugen zwar alle nach wie vor zur Verschärfung der Kreditrichtlinien bei, verloren im Schlussquartal 2009 aber weiter an Bedeutung, ganz im Einklang mit den sich insgesamt aufhellenden Wirtschaftsaussichten für den Euroraum. Bei den bankspezifischen Faktoren wurde jedoch ein uneinheitliches Bild verzeichnet. Einerseits trugen der Zugang der Banken zur Marktfinanzierung (- 2 %) und die Liquiditätsposition der Kreditinstitute (- 8 %) im letzten Jahresviertel 2009 zu einer Lockerung der Kreditrichtlinien bei, wobei diese etwas weniger stark ausfiel als im Vorquartal. Andererseits wirkten die Eigenkapitalkosten der Banken in Richtung einer stärkeren Verschärfung der Richtlinien (9 % gegenüber 7 % im dritten Quartal 2009).

Die per saldo gemeldete Verschärfung der preislichen und nichtpreislichen Konditionen für Unternehmenskredite nahm im letzten Vierteljahr 2009 ebenfalls weiter ab. Diese Abnahme war breit angelegt und betraf alle Kategorien von Konditionen. Dabei kam es insbesondere per saldo zu einem erheblichen weiteren Rückgang der Margenausweitung für durchschnittliche Kredite, und zwar von 13 % im dritten auf 6 % im vierten Quartal 2009.

Per saldo rechnen 4 % der Banken im Euro - Währungsgebiet damit, dass sich die Richtlinien für die Vergabe von Krediten an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften im ersten Quartal 2010 wieder etwas verschärfen werden.

Kreditnachfrage

Die Nettonachfrage nichtfinanzieller Unternehmen nach Krediten blieb negativ (- 8 %), wenngleich weniger stark als im dritten Quartal 2009 (- 20 %). Den größten Beitrag zur negativen Nettokreditnachfrage leisteten die verhaltenen Anlageinvestitionen (- 34 % im Schlussquartal 2009 nach - 52 % im Vorquartal) und in geringerem Maße die schleppenden Fusions- und Übernahmeaktivitäten (- 24 % gegenüber - 33 %), wenngleich die Beiträge beider Faktoren im Jahresverlauf 2009 weniger negativ sind. Die Nettonachfrage wurde auch dadurch gedämpft, dass die Unternehmen im Euroraum angesichts günstiger Marktbedingungen verstärkt auf alternative Finanzierungsquellen wie die Emission von Aktien (- 5 %) und insbesondere die Begebung von Schuldverschreibungen (- 13 %) zurückgreifen.


Für die Zukunft scheinen die Banken optimistischere Erwartungen hinsichtlich der Kreditnachfrage zu hegen als in der vorangegangenen Umfragerunde; sie gehen davon aus, dass sich die Nettonachfrage nach Unternehmenskrediten erholen und im ersten Jahresviertel 2010 ins Positive kehren wird (+ 15 %), und zwar bei den KMU etwas stärker (+ 22 %) als bei den Großunternehmen (+ 8 %).


(Quelle: EZB, Monatsbericht Februar 2010, S. 19 ff.)







Kredithürde merklich gesunken


Ergebnisse des ifo - Konjunkturtests im Februar 2010:

Die Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands liegt im Februar merklich niedriger als im Vormonat. Sie ist damit zum zweiten Mal in Folge gesunken. 39,9% der befragten Unternehmen beklagen aktuell eine restriktive Kreditvergabepolitik der Banken. Im Januar gaben noch 42,4% der Umfrageteilnehmer diese Einschätzung ab. Die Kredithürde ist in allen Größenklassen von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes sowie im Bauhauptgewerbe und im Handel durchgängig gesunken. Damit zeigen sich nach der Überwindung der Rezession in der Realwirtschaft nun erstmals deutliche Entspannungstendenzen bei der Kreditversorgung. 

Am stärksten haben die Beschwerden über eine zurückhaltende Kreditvergabe im Bauhauptgewerbe abgenommen. Die Kredithürde fällt in diesem Wirtschaftsbereich um 5,1 Prozentpunkte auf 42,7%. Im Handel bewerten 36,8% der Befragungsteilnehmer die Kreditvergabe der Banken als restriktiv. Das sind 1,7 Prozentpunkte weniger als im Januar. Die Kredithürde im verarbeitenden Gewerbe ist über alle Unternehmensgrößenklassen hinweg niedriger als im vergangenen Monat. Bei den großen Firmen reduziert sie sich um 3,2 Prozentpunkte auf 46,7%, bei den mittelgroßen Unternehmen um 1,1 Prozentpunkte auf 39,7%, und bei den kleinen Industrieunternehmen sinkt sie um 3,4 Prozentpunkte auf ebenfalls 39,7%. 

Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München


 

Mittwoch, 24. Februar 2010

Reich werden gegen Griechenland


Die Finanzwirtschaft hat der Realwirtschaft zu dienen. Es ist erneut die Verkehrung dieser Regel, die einen höheren Erfüllungsgrad aufweist als die vernünftige Regel selbst. Wieder gefährdet der Selbstzweck der Spekulation Finanzinstitutionen, deren Geschäftspartner und infolgedessen Unternehmen der Realwirtschaft.

Im Zentrum der Kritik stehen Kreditderivate, insbesondere Credit Default Swaps (CDS), mit deren Hilfe Spekulanten von der sinkenden Bonität vor allem griechischer Staatsanleihen profitieren wollen oder bereits profitiert haben. An sich sind Kreditderivate innovative Instrumente, die den Handel mit Kreditrisiken erleichtern. Als bilaterale Finanzkontrakte werden sie genutzt, um das Kreditrisiko von anderen Risiken einer Kapitalanlage bzw. eines Finanzierungsinstruments zu isolieren und es an einen Kontrahenten weiter zu leiten, ohne das Eigentum an der Kapitalanlage / dem Finanzierungsinstrument transferieren zu müssen.

Gefährlich wird es dagegen, wenn der Erwerber von CDS - beispielsweise auf griechische Staatsanleihen - die dadurch abzusichernden Kapitalanlagen überhaupt nicht besitzt. Das Volumen der CDS, die außerbörslich gehandelt werden, wird aufgebläht, weil der Erwerber nicht an den Besitz risikotragender Finanzinstrumente gebunden ist. Ebenso könnte man es jedem von uns erlauben, Versicherungen auf Kraftfahrzeuge anderer Leute abzuschließen; in der Hoffnung, sie erleiden Schaden!

Unter dem Titel

Transparenz hilft am besten gegen das vermeintliche Teufelszeug CDS (bei Handelsblatt.com am 22.02.2010 veröffentlicht)

schreibt Nicole Bastian:

Politiker haben im Monat drei der Griechenland - Krise einen dankbaren bösen Buben gefunden: Kreditausfallversicherungen oder Credit Default Swaps (CDS). Der Vorwurf lautet, Hedge - Fonds hätten mit spekulativen CDS - Käufen die Probleme Griechenlands am Finanzmarkt verschärft. Die Ideen dagegen reichen von Mindesthaltefristen für die ursprünglich zur reinen Absicherung gedachten CDS über ein Verbot der Ausfallversicherungen auf Staaten bis zu einem Verbot aller CDS, die nicht der Absicherung eigener Risiken dienen.

Das Problem ist keineswegs neu. Wie man 20 Mrd. USD an der Finanzkrise verdient hatte Gregory Zuckerman bereits am 15.11.2009 im WSJ beschrieben.

Auch die EZB hatte sich im vergangenen Jahr ausführlich mit CDS befasst: Credit default swaps and counterparty risk / August 2009; dort ist ab Seite 29 nochmals kurz das Debakel der AIG beschrieben.

Die Risiken der CDS liegen vor allem bei der so genannten Gegenpartei, das ist der Kreditausfall - Versicherer. Aktuell stellt sich die Frage, ob ein zweiter Fall, wie beim amerikanischen Versicherungskonzern AIG, der sich mit CDS massiv verspekulierte, passieren kann. AIG hatte über einen kurzen Zeitraum durch eine Tochtergesellschaft hohe Positionen an Kreditversicherungen verkauft. AIG konnte die daraus entstehenden Risiken nicht verkraften, weil sie nicht besichert waren.

Nicole Bastian spricht sich in ihrem Artikel vor allem für mehr Transparenz aus. Wie wird das bewerkstelligt? Ein Lösungsweg, der im Sommer 2009 beschritten worden ist, ist das Zentrale Clearing; es leistet Risikotranzparenz und eine vollständige Besicherung offener Positionen. Jeder Marktteilnehmer kann also nur so viel Risiko aufnehmen, wie er auch beherrschen kann.

EUREX Clearing hatte im September 2009 zusammen mit der DEUTSCHEN BÖRSE ein White Paper herausgegeben, in welchem eine Marktstruktur vorgestellt worden ist, die den absehbaren Entwicklungen gerecht werden sollte. Auch die G20 hatte auf ihrem Treffen in Pittsburgh die Bedeutung einer zentralen Gegenpartei für die globalen Finanzmärkte unterstrichen und ein Clearing für alle standardisierten Over The Counter (OTC) - Derivatekontrakte bis spätestens Ende 2012 gefordert.

EUREX Clearing, Europas größter zentraler Kontrahent, trug dieser politischen Forderung durch die Entwicklung und Einführung von Eurex Credit Clear Rechnung. Eurex Credit Clear ist die europäische Lösung für das zentrale Clearing von CDS. Neun große Handelshäuser hatten sich im Februar 2009 gegenüber der Europäischen Kommission selbst verpflichtet, einen in der EU ansässigen zentralen Kontrahenten für die Verrechnung europäischer CDS - Kontrakte zu nutzen. Fünf Monate später, am 30. Juli 2009, wurde dann der erste Eurex - Clearing - Zyklus erfolgreich abgeschlossen. Bei Eurex Clear werden sämtliche offenen Positionen aller Marktteilnehmer gegeneinander verrechnet (multilaterales Netting). Dies minimiert die von den Teilnehmern zu stellenden Sicherheitsleistungen (Margins) im Vergleich zu einer bilateralen Besicherung.

Insgesamt hat Eurex Clearing 2009 jeden Monat Bruttorisiken im Gegenwert von 48 Milliarden € um im gesamten Jahr knapp 1,8 Milliarden Transaktionen verarbeitet. Davon entfällt ein Anteil von rund 40 Prozent auf das Clearing von OTC - Geschäften. Die Zahl der Clearing - Teilnehmer stieg 2009 um acht auf insgesamt 101 Institute.

Nicole Bastian sagt in ihrem Handelsblatt - Artikel:

Regulierung ist nötig, muss Widersprüche aber vermeiden

Bei Einhaltung der eingangs genannten Regel - die Finanzwirtschaft hat der Realwirtschaft zu dienen - entstehen keine Widersprüche!

Fünf frühere US - Finanzminister fordern in ihrem Leserbrief vom 22.02.2010 an das WSJ im Grunde, dass Spekulanten auf dem Finanzmarkt isoliert und vom kommerziellen Bankgeschäft abgetrennt werden; sie sollen also aus dem dichten Netz des Finanzmarktes "herausgeschnitten" werden:

We who have served as secretary of the Treasury in both Republican and Democratic administrations write in support of the proposed legislation to prohibit certain proprietary activities of commercial banking organizations - the so called Volcker rule - as part of needed financial reform.

The principle can be simple stated. Banks benefiting from public support by means of access to the Federal Reserve and FDIC insurance should not engage in essentially speculative activity unrelated to essential bank services.

Hedge funds, private - equity funds, and trading for speculative gains are activities carried out by thousands of nonbanking firms. These firms and funds are and should also be free to compete and to innovate. They should, like other private business, also be free to fail without explicit or implicit taxpayer support. Those few nonbank firms that present systemic risk should be subject to reasonable restrictions on capital, leverage and liquidity.

We fully understand that the restriction of proprietary activity by banks is only one element in comprehensive financial reform. It is, however, a key element in protecting our financial system and will assure that banks will give priority to their essential lending and depository responsibilities.

We urge the United States to take the lead in the forthcoming G-20 meeting and other appropriate forums to achieve broad agreement on this principle among the leading financial centers.

W. Michael Blumenthal

Nicholas Brady

Paul O'Neill


George Shultz


John Snow






Venture Capital Panel 2009


38 führende Venture Finanzierer nahmen am VC Panel des Jahres 2009 teil. Zusammenfassung der Ergebnisse:

Investments

  • Die Anzahl der Beteiligungen fiel von 494 in 2008 auf 473 in 2009 (= - 4%).
  • Das investierte Kapital sank von 565 Mio. € in 2008 auf 341 Mio. € (= - 40%).
  • 265 Folgeinvestments standen 207 Erstinvestments gegenüber.
  • Von 38 Panel Teilnehmern haben 31 in 2009 investiert.
  • 154 Unternehmens erhielten erstmals Venture Capital (A-Runden-Investments).

Sektoren

  • Software: -110- / 71 Mio. €.
  • Internet: -53- / 47 Mio. €.
  • Medizintechnik: -52- / 46 Mio. €.

Regionen

  • Bayern: 25 % der Investments.
  • NRW: 15 %.
  • Berlin: 13 %.
  • Ausland: 10 %.

Exits

2009 gab es nur noch 39 erfolgreiche Exits (2008: 59).

Die Anzahl der Abschreibungen stieg von 19 (2008) auf 44 (2009).


(Quelle: Fleischhauer, Hoyer & Partner)




Montag, 22. Februar 2010

Neue Infos zum Mittelstandsfonds für Deutschland

Aktualisierungen / Ergänzungen:

  • Adressaten: Zukunftsfähige mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz von 20 Mio. € bis zu 100 Mio. € bzw. mit einem EBITDA von bis zu ca. 10 Mio. €. Faustformel: Genussrechtsfinanzierung = ca. 0,8 - 1,2 x EBITDA.
  • Anforderungen an den Eigenkapital-Nehmer:
    • Qualifiziertes Management - Team.
    • Aussagefähige Planungs- und Controllingsysteme.
    • Operativ profitable Geschäftsmodelle mit positiven Entwicklungsperspektiven.
    • Starke Marktposition in stabilem oder wachsendem Marktumfeld.
    • Detaillierter Geschäftsplan mit Unternehmensplanung der nächsten 3 Jahre.
  •  Finanzierungsanlässe:
    • Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals.
    • Wachstumsfinanzierung.
    • Investitionsfinanzierung.
    • Rekapitalisierung.

  • Eine Vorzeitige Rückzahlung ist möglich.
 
 
Der Mittelstandsfonds im Überblick (Stand 03.02.2010):
  • Zweck: Bereitstellung von Eigenkapital.

  • Adressaten: Mittelständische Unternehmen mit bis zu 100 Mio € Umsatz, die mehr als 2 Mio € / maximal 10 Mio € Eigenkapitalbedarf haben.

  • Volumen: 500 Mio €, davon 300 Mio € Deutsche Bank. Weitere Investoren sind willkommen.

  • Reichweite: Bei angenommenen 5 Mio € pro Fall reicht das Volumen für 100 Unternehmen.

  • Form der Finanzierung: Genussrechte mit einer Laufzeit von 7 Jahren.

  • Finanzierungskosten: noch nicht bekannt.

  • Fonds - Management: M Cap Finance, Frankfurt am Main.

 

Freitag, 19. Februar 2010

Der Beta-Faktor in der Unternehmensbewertung


In den "marktwert" - orientierten Bewertungsmodellen wird zur Ermittlung so genannter Eigenkapitalkosten (Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber) meistens das Capital Asset Pricing Model (CAPM) herangezogen. Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das zu bewertende Unternehmen ergibt sich dabei aus der Summe der Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen und einem Risikozuschlag, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Beta - Faktor ergibt.

Das Gesamtrisiko eines Wertpapiers ist zusamengesetzt aus dem systematischen Risiko, das vom Marktrisiko und dem Beta des Unternehmens abhängt sowie einem unsystematischen (unternehmensspezifischen) Risikofaktor. Das unsystematische Risiko ist annahmegemäß durch Diversifikation vollständig elmiminierbar und geht deshalb nicht in den "Preis für das Risiko" ein. Das Beta gibt also das Verhältnis von systematischem Risiko eines Wertpapiers zum Risiko des Marktportfolios an. Der Beta - Faktor ist ein spezifisches Volatilitätsmaß; er kann theoretisch beliebige Werte größer - 1 annehmen.


In anderen Worten: Das Beta gibt an, wie sich Änderungen der Rendite des Marktportfolios auf die Rendite des betrachteten Wertpapiers übertragen. Ist beispielsweise das Beta 2.0, so führt eine Änderung der Rendite des Marktportfolios um 10 % zu einer Änderung der Rendite des Wertpapiers um 20 %. Wäre das Beta 0.5, würde sich die Rendite des Wertpapiers um 5 % verändern. Bei einem theoretisch möglichen Beta von -1.0 bewirkt eine Erhöhung der Rendite des Marktportfolios um 10 % eine Verminderung der Rendite des Wertpapiers um 10 % und umgekehrt.

Ex - post Schätzungen für das Beta sind aus Kapitalmarktdaten erhältlich. 

DÖRSCHEL / FRANKEN / SCHULTE haben in ihrem Werk Kapitalkosten 2010 für die Unternehmensbewertung Daten für die 110 Unternehmen des HDAX veröffentlicht; die Kapitalkosten werden zusätzlich regelmäßig aktualisiert über einen Onlinezugang zur Verfügung gestellt, wodurch das Werk einen besonderen Zusatznutzen hat.

Die häufig zitierte Beziehung zwischen erwarteter Rendite und dem Risiko einzelner Wertpapiere (ineffizientes Portfolio) als Bestandteil des Marktportfolios ist annahmegemäß linear; sie wird als Wertpapiermarktlinie bezeichnet; deren Graph hat eine positive Steigung. Davon zu unterscheiden ist die ebenso lineare und positiv steigende Kapitalmarktlinie; sie gilt nur für effiziente Portfolios.



Quelle: Thomas Steiner

Die Grafik zeigt die Wertpapiermarktinie (lila) des CAPM. Als Markt ist hier der Dow Jones Industrial Average Index abgebildet. Es wurden monatliche Daten zwischen Januar 2004 und November 2006 geschätzt. Der Zinssatz wurde mit konstant 2,9 % p.a. angenommen. Die Regressionsgerade ist grau eingezeichnet; deren Gleichung wird auch als Marktmodell bezeichnet.



Beta = Unternehmensbezogener Risikofaktor, definiert als Bruch aus Kovarianz der Rendite der Wertpapiere des betrachteten Unternehmens mit der Rendite des Marktportfolios und Varianz der Rendite des Marktportfolios bzw. definiert als Korrelationskoeffizient für die Rendite des Wertpapiers des betrachteten Unternehmens und des Marktportfolios.

Das Marktportfolio setzt sich aus allen riskanten Wertpapieren einer Volkswirtschaft (streng genommen der ganzen Welt) zusammen und kann durch einen Index angenähert werden.

Die Kovarianz bezeichnet also die Risikomenge, die ein voll diversifizierter Investor übernehmen muss, wenn er das Wertpapier des betrachteten Unternehmens kauft.  Für den gesamten Wertpapiermarkt, das Marktportfolio, gilt: Beta = 1,0. Da sich die Schwankung des Gesamtmarkts aus der Summe aller Einzelschwankungen ergibt, beträgt auch der durchschnittliche Beta - Faktor für die Unternehmen ungefähr 1,0. 


Die Ermittlung der Kovarianz stellt den Bewerter vor ein empirisches Problem, wenn das zu bewertende Unternehmen nicht an der Börse notiert ist, so dass historische Beta - Werte berechnet werden können. 

Der Ausweg, der in der Praxis häufig eingeschlagen wird, besteht darin, dass der Bewerter auf ein branchengleiches, risikoäquivalentes Unternehmen zurückgreift, dessen Anteile an einer Börse gehandelt werden. Der Beta - Wert der Aktie des im Risiko vergleichbaren Unternehmens gilt dann als Bezugspunkt für die Bestimmung von Riskikoprämien. Die empirischen Beta - Werte von branchengleichen Unternehmen reflektieren deren Investitions- und Kapitalstrukturrisiko. 

Um den Zusammenhang von Kapitalstrukturrisiko und Renditeforderung der Kapitalgeber darzustellen, wird im Rahmen des CAPM das gleichgewichtstheoretische Modigliani / Miller - Modell angewendet.  Es betrachtet  das finanzwirtschaftliche Risiko des Unternehmens. Modigliani / Miller haben den engen Zusammenhang zwischen der Frage nach der optimalen Kapitalstruktur und der Frage nach dem im Kapitalmarktgleichgewicht bestehenden Marktwert des Unternehmens (= Marktwert des Eigenkapitals + Marktwert des Fremdkapitals) aufgezeigt. Dabei ist allerdings in Betracht zu ziehen, dass das MM - Modell die Realität systematisch falsch abbildet.

Der Bewerter steht in diesem Zusammenhang vor einem  Problem, wenn er lediglich die dem Investitionsrisiko entsprechende Risikoprämie benötigt; zu diesem Zweck muss er den empirischen Beta - Wert eines "vergleichbaren" Unternehmens um den Einfluss der Kapitalstrukturrisiken bereinigen.

Die Struktur des Beta - Faktors

Das systematische Risiko, das der Beta - Faktor misst, setzt sich bei Fremdfinanzierung des zu bewertenden Unternehmens aus zwei Komponenten zusammen: Das Operating Beta misst das Geschäftsrisiko, das Financial Beta drückt das Kapitalstrukturrisiko aus. Da das Kapitalstrukturrisiko durch den Verschuldungsgrad beeinflusst wird, ist auch der Beta - Faktor (in seiner Gesamthöhe) vom Verschuldungsgrad abhängig.

Wird ein Unternehmen ausschließlich durch Eigenkapital finanziert, existiert folglich kein Kapitalstrukturrisiko. Der für dieses unverschuldete Unternehmen ermittelte Beta  - Faktor wird auch als unlevered Beta bezeichnet, er entspricht dem Operating Beta.

Das Financial Beta, das die Risiken repräsentiert, die sich aus einer Fremdfinanzierung ergeben, entspricht der Differenz zwischen den Beta - Faktoren des verschuldeten Unternehmens und des unverschuldeten Unternehmens. Der Beta - Faktor für das verschuldete Unternehmen wird auch als levered Beta bezeichnet.

Die vom Eigenkapitalgeber geforderte Risikoprämie wird beim Entity - Ansatz und beim Equity - Ansatz immer unter Verwendung des levered Beta berechnet. Beim Adjusted Present Value - Ansatz hingegen erfolgt die Abzinsung der operativen Free Cash - flows mit der Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das unverschuldete Unternehmen; diese wird unter Verwendung des unlevered Beta berechnet.

Schätzung künftiger Beta - Faktoren

Die Verwendung von aus historischen Daten abgeleiteten empirischen Beta - Faktoren verstößt gegen das Prinzip der Zukunftsbezogenheit der Unternehmensbewertung.

Während sich Veränderungen des historischen Betas aufgrund von Kapitalstrukturänderungen relativ einfach berechnen lassen, gestaltet sich die Schätzung des zukünftigen Operating Betas in der Praxis sehr schwierig. In der praktischen Anwendung greift der Bewerter in der Regel auf historische Beta - Faktoren zurück und nimmt nur bei erwarteten, wesentlichen Änderungen der Risikostruktur Anpassungen auf Basis vereinfachender Annahmen vor.

Eine Alternative ist die Ermittlung so genannter fundamentaler Betas. Bei diesem analytischen Ansatz beruhen die Beta - Schätzungen nicht auf historischen Daten, sondern basieren auf den finanzwirtschaftlichen Kennzahlen des jeweiligen Unternehmens. Dabei werden Kennzahlen ausgewählt, die eine starke Korrelation zu dem im Beta - Faktor zum Ausdruck kommenden systematischen Investitionsrisiko haben. Fundamentale Betas werden beispielsweise von Barra für börsennotierte US - Unternehmen berechnet und quartalsweise aktualisiert. Für deutsche Unternehmen gibt es leider keine derartigen Schätzungen.

Aus der Sicht des Zukunftsbezogenheitsprinzips der Unternehmensbewertung ist die von Benjamin RAUSCH  2007 als Dissertation angenommene Arbeit mit dem Titel 

 


zu empfehlen. Darin würdigt er die zukunftsorientierte Schätzung von Beta - Faktoren wie folgt:

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass mit der Ermittlung impliziter Betafaktoren eine zukunftsorientierte Schätzung des Betafaktors eines riskanten Wertpapiers gelingen kann, sofern arbitragefreie Marktpreise der hierfür benötigten Optionen auf einem real existierenden Kapitalmarkt beobachtbar sind. Darüber hinaus konnte die Untersuchung zeigen, dass periodenspezifische implizite Betafaktoren ermittelt werden können, falls auf dem real existierenden Kapitalmarkt die erforderlichen Optionen über ein hinreichend breites Restlaufzeitenspektrum gehandelt werden, um die zeitliche Länge des mehrperiodigen Cashflowstroms abdecken zu können. Diese werden benötigt, um alle zu einer laufzeitäquvalenten Bewertung des mehrperiodigen Cashflowstroms benötigten periodenspezifischen erwarteten Eigenkapitalkostensätze zukunftsorientiert schätzen zu können.

Die Ermittlung aller erforderlichen periodenspezifischen impliziten Betafaktoren kann jedoch nur gelingen, sofern an jedem zukünftigen Zahlungszeitpunkt eines Cashflows des Bewertungsobjekts jeweils mindestens eine Standardoption auf die Aktie und den Marktindex sowie mindestens eine Austausch-, Maximum- oder Minimumoption auf die betreffende Aktie und den Marktindex fällig wird, deren stichtagsaktuelle Marktpreise arbitragefrei und beobachtbar sind. Sofern eine derartige Vielfalt und Breite an arbitragefrei gehandelten Optionen auf einem real existierenden Kapitalmarkt tatsächlich vorliegt, gelingt zu jedem beliebigen Bewertungssichtag die zukunftsorientierte Schätzung aller zu einer laufzeitäquivalenten Bewertung mehrperiodiger Cashflowströme benötigten periodenspezifischen Betafaktoren. Damit erlaubt dieser Ansatz im Gegensatz zur Schätzung eines einzelnen Betafaktors durch eine Regressionsanalyse historischer Renditezeitreihen der Aktie und des Marktindexes einerseits eine zukunftsorientierte Schätzung des Betafaktors, da ausschließlich stichtagsaktuelle Marktpreise benötigt werden, die auf einem informationseffizienten Kapitalmarkt die zukünftigen Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer zutreffend reflektieren. Andererseits kann mit Hilfe dieses Ansatzes auch eine laufzeitäquivalente Bewertung der zukünftigen Cashflows gelingen, da periodenspezifische Betafaktoren zukunftsorientiert geschätzt werden können. 

Der praktische Anwendung dieses Ansatzes zur Ermittlung periodenspezifischer impliziter Betafaktoren stehen derzeit jedoch unüberwindliche Hindernisse aufgrund fehlender Marktpreise der benötigten Optionen entgegen. So wird die zur Ermittlung der impliziten Korrelation benötigte Austausch-, Maximum-, oder Minimumoption auf dem deutschen Kapitalmarkt derzeit (noch) nicht gehandelt. Gegen die ersatzweise Verwendung der ermittelbaren Marktpreise von Minimumoptionen, die in anderen kapitalmarktgehandelten Derivaten enthalten sind, spricht, dass diese nicht notwendigerweise arbitragefrei sind. Letztlich fehlen zur praktischen Umsetzung dieses Ansatzes arbitragefreie Marktpreise der erforderlichen Austausch-, Maximum-, oder Minimumoptionen. Darüber hinaus werden selbst die zur Ermittlung aller periodenspezifischen impliziten Betafaktoren benötigten Standardoptionen nicht für ein hinreichend breites Restlaufzeitenspektrum zur Verfügung stehen, um den gesamten, gegebenenfalls unendlich langen Cashflowstrom des Bewertungsobjekts abdecken zu können. Zwar umfasst das Restlaufzeitenspektrum von Indexoptionen an der EUREX bis zu neun Jahre und elf Monate, jedoch stehen Aktienoptionen lediglich mit einer Restlaufzeit von bis zu 24 Monaten zur Verfügung.

Aufgrund der fehlenden Marktpreise von Austausch-, Maximum-, oder Minimumoptionen zur Ermittlung der impliziten Korrelation versucht Husmann (2006) den impliziten Betafaktor unmittelbar aus dem Marktpreis einer Standardoption zu ermitteln. Hierfür ist die Annahme eines unvollkommenen Kapitalmarktes erforderlich, auf dem der zustandsabhängige Zahlungsanspruch einer Standardoption nicht durch ein Portfolio aus Zahlungsansprüchen der auf dem Kapitalmarkt verfügbaren Wertpapiere dupliziert werden kann. Andernfalls ließe sich die Standardoption wiederum mit Hilfe der risikoneutralen Bewertung bzw. dem BSH-Modell bewerten. In diesem Falle wäre der theoretische Preis der Standardoption jedoch unabhängig von der Korrelation zwischen der unsicheren zukünftigen Rendite des Basiswerts und dem Marktportfolio. Folglich könnte allein aus dem Marktpreis einer Standardoption kein impliziter Betafaktor ermittelt werden. Unter der Voraussetzung, dass der zustandsabhängige Zahlungsanspruch einer Standardoption jedoch nicht duplizierbar ist, kann ein Optionspreismodell, das auf ähnlichen Annahmen wie das CAPM basiert, genutzt werden, um in einem zweistufigen Verfahren die zur Ermittlung des impliziten Betafaktors benötigten Parameter zu schätzen. Zwar gelingt unter den getroffenen Annahmen die Ermittlung eines impliziten Betafaktors aus Standardoptionen, jedoch widerspricht diese Vorgehensweise der Erkenntnis, dass die zustandsabhängigen Zahlungsansprüche von Standardoptionen tatsächlich duplizierbar sind und folglich von den individuellen Präferenzen der Kapitalmarktteilnehmer und unabhängig von der Korrelation zwischen der unsicheren zukünftigen Rendite des Basiswerts und dem Marktportfolio bewertet werden können. Überdies hängt die Güte eines aus Standardoptionen ermittelten impliziten Betafaktors als zukunftsorientierte Schätzung des Betafaktors von der Fähigkeit des verwendeten Optionspreismodells ab, die beobachtbaren Marktpreise von Standardoptionen erklären zu könnne. Allerdings weist der Ansatz von Husmann (2006) derzeit den Vorteil auf, dass er zumindest einer empirischen Untersuchung zugänglich ist.

Der hier beschriebene Ansatz zur Ermittlung impliziter Betafaktoren aus den Marktpreisen von Standardoptionen und dem Marktpreis mindestens einer Austausch-, Maximum-, oder Minimumoption beruht hingegen ausschließlich auf einer präferenzfreien Bewertung dieser Optionen. Zwar werden die hierzu erforderlichen Optionen auf einem real existierenden Kapitalmarkt derzeit noch nicht gehandelt, jedoch existieren bereits erste Derivate, die z.B. Minimumoptionen enthalten.




Dienstag, 16. Februar 2010

Die Rendite "risikofreier" Anlagen in der Unternehmensbewertung

 
In den "marktwert" - orientierten Bewertungsmodellen wird zur Ermittlung so genannter Eigenkapitalkosten (Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber) üblicherweise das Capital Asset Pricing Model (CAPM) herangezogen. Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das zu bewertende Unternehmen ergibt sich dabei aus der Summe der Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen und einem Risikozuschlag, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Beta - Faktor ergibt.

Die Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen - auch landesüblicher Zins oder Basiszins genannt - wird in der Bewertungspraxis als gegeben angenommen oder gilt als leicht ermittelbar. Bei genauerer Betrachtung ist die Ermittlung einer Rendite für "risikofreie" Anlagen jedoch durchaus problematisch.

Theoretisch ist die risikofreie Rendite die Rendite eines einzelnen Wertpapiers oder eines Wertpapierportfolios ohne jegliches Ausfallrisiko und ohne Korrelation mit den Renditen anderer Kapitalanlagen. Insofern handelt es sich bei dem risikofreien Zinssatz um ein theoretisches Konstrukt. Der beste Näherungswert wäre die Rendite eines Portfolios, dessen Zusammensetzung aus kurz- und langfristigen Wertpapieren die Abweichung des Risikos von null auf ein Minimum reduziert. Doch aufgrund der hohen Kosten und Schwierigkeiten, die mit der Zusammenstellung solcher Portfolios verbunden sind, scheidet dieser Weg zur Bestimmung der risikofreien Rendite aus. 

Es ist umstritten, welcher Zinssatz geeignet ist, die Äquivalenz mit einem Unternehmen als Bewertungsobjekt herzustellen. Infrage kommt ein Stichtagszins zum Bewertungszeitpunkt oder ein zukunftsorientierter Zinssatz in Form eines Erwartungswerts. 

Der Stichtagszins drückt grundsätzlich die aktuellen Erwartungen aller Marktteilnehmer zu diesem Stichtag für eine bestimmte Laufzeit aus. Bei einer unendlichen Laufzeit des zu bewertenden Unternehmens kann der Stichtagszins nur die Grundlage für die Ableitung eines Basiszinses bilden, da am Markt keine Anleihen mit unendlicher Laufzeit gehandelt werden. 

Prognostizierte Zinssätze spiegeln aber nicht die aktuell gültigen Marktpreise der zu bewertenden Zahlungsströme wider. Jedoch ist für die Zeit nach Ablauf der längstmöglichen Alternativanlage eine Prognose der dann möglichen Wiederanlage unerlässlich. Insoferen besteht das Problem bei der Wahl eines Einheitszinses darin, einerseits die aktuellen Marktpreise für Zahlungsströme einschließlich ihres zeitlichen Anfalls wiederzugeben, andererseits noch nicht beobachtbare zukünftige Marktpreise für spätere Zahlungszeitpunkte zu prognostizieren.
 
Konkret stehen hauptsächlich folgende Möglichkeiten zur Ermittlung eines risikolosen Zinssatzes zur Verfügung:
  • Spot Rates,

  • eine am Markt zum Bewertungsstichtag beobachtete Rendite für langlaufende Anleihen ausgezeichneter Bonität (i.d.R. öffentliche Anleihen) wird "in die Ewigkeit" fortgeschrieben,

  • es wird ein Phasenmodell mit zwei Zinssätzen (Basiszins / Anschlussverzinsung) verwendet,

  • es wird ein aus dem Phasenmodell gewonnener Mischzins benutzt,

  • es wird ein Vergangenheitsdurchschnitt des Basiszinssatzes herangezogen.

Spot Rates entsprechen der Rendite einer Nullkuponanleihe für eine bestimmte Laufzeit. Die Verwendung von Spot Rates misslingt, wenn der Unternehmensbewertung ein langer Planungszeitraum zugrunde liegt. Spot rates sind nur für wenige Perioden zu erheben;  am deutschen Kapitalmarkt haben Zerobonds meist eine Laufzeit von maximal 10 Jahren.


Verwendet man den zum Bewertungsstichtag beobachteten Basiszins ewig, wird unterstellt, dass dieser Zins ein guter Schätzer für die Anschlussverzinsung darstellt. Dafür gibt es jedoch keine theoretische Basis. Ohnedies muss sich der Bewerter darüber Klarheit verschaffen, welcher Zeitraum den Basiszins prägen soll. Effektivzinsen unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Laufzeit der Kapitalanlagen.

Nach dem dritten Vorschlag ist neben dem Basiszins der ersten Phase eine Anschlussverzinsung für die zweite Phase zu schätzen. In der Bewertungspraxis wird das Problem der Schätzung einer Anschlussverzinsung meist durch einen Rückgriff auf Vergangenheitsdaten bewältigt. 


Dem vierten Vorschlag gemäß wird aus dem am Bewertungsstichtag geltenden Basiszins und der Schätzung der Anschlussverzinsung ein Mischzins konstruiert. Dieser Durchschnittszins hat den Vorteil, nicht nur aus Vergangenheitsdaten zu resultieren, sondern auch die aktuellen Verhältnisse am Bewertungsstichtag zu berücksichtigen. 


Genau dieser Vorteil geht dem fünften Vorschlag verloren, weil er allein den Vergangenheitsdurchschnitt als repräsentativ für die Zukunft postuliert. In der Rechtsprechung sind es allerdings tatsächlich Vergangenheitsdurchschnitte, die die Bestimmung des landesüblichen Zinses am Bewertungsstichtag prägen.

In der Bewertungspraxis geht man in der Regel von einer flachen Zinsstruktur aus, d.h. es wird für alle Laufzeiten der gleiche Zins unterstellt. Damit ist auch eine Wiederanlage der Rückflüsse zu diesem Zinssatz möglich; unter dieser Bedingung gilt auch eine unendliche Reinvestitionskette bei unendlichem Planungshorizont als unproblematisch. 


Ist die Zinstruktur dagegen nicht flach, stellt sich die Frage, ob ein kurzfristiger oder langfristiger Zinssatz oder möglicherweise auch ein Durchschnittszins aus der Zinsstruktur zum Bewertungssichtag gewählt werden soll. Die DEUTSCHE BUNDESBANK stellt Daten bereit, um für den deutschen Kapitalmarkt eine Zinsstrukturkurve zu erstellen. Sie greift dabei auf ein von NELSON und SIEGEL entwickeltes und von SVENSSON erweitertes Modell zurück. Für diesen in der Realität häufig zu beobachtenden Fall einer nicht - flachen Zinsstruktur halten DRUKARCZYK / SCHÜLER Spot Rates für die richtige Basis zur Ermittlung von Basiszinssätzen:


Im Ergebnis sind Spot Rates die zweckkonformen Diskonstierungssätze. Die durch Marktdaten gestützte Zinsstrukturkurve ist vollständig auszunutzen. Implizite Prognosen sind der historischen Durchschnittsrendite oder expliziten Prognosen über die Anschlussrendite vorzuziehen. Die Reihe der zweckkonformen Spot Rates könnte nach Vorliegen des Bewertungsergebnisses in einen periodenunabhängigen durchschnittlichen landesüblichen Zinsfuß umgerechnet werden. Dieses Ergebnis hängt aber von der zeitlichen Struktur der zu bewertenden Zahlungsreihe ab und ist daher nicht robust.

(Drukarczyk/Schüler: Unternehmensbewertung, 5. Auflage, München 2007, S. 251)


Wird bei der Unternehmensbewertung von der tatsächlichen Zinsstruktur abgewichen, ergeben sich Bewertungsfehler, die jedoch nur im Vergleich mit der Referenz der laufzeitadäquaten Diskontierung ermittelbar sind, die wiederum von den Annahmen am Ende der Laufzeit abhängt. 


Aswath Damodaran schlägt in seiner Schrift What is the riskfree rate? A Search for the Basic Building Block zur Ermittlung der risikofreien Rendite folgenden Ablauf vor:





DAMODARANs Zusammenfassung:
 
Summarizing the key points that we have made over the  paper, we would list the following as the key rules to follow when it comes to riskfree rates.

Rule 1: A riskfree rate should be truly free of risk. A rate that has risk spreads embedded in it for default or other factors, is not a riskfree rate. This is why we argued that local currency government bond rates in many emerging markets cannot be used as riskfree rates.

Rule 2: Choose a riskfree rate that is consistent with how cash flows are defined. Thus, if the cash flows are real, the riskfree rate should also be real. If the cash flows are in a specific currency, the riskfree rate has to be defined in that currency. In other words, once you choose a currency, the riskfree rate should be for that currency and should not be a function of where a company is incorporated or the investor for whom the valuation is done. When valuing a Russian company in Euros, the riskfree rate should be the Euro
riskfree rate (the German 10-year bond rate). 
Rule 3: If you have strong views on interest rates, try to keep them out of the valuation of  individual companies. In other words, even if you believe that riskfree rates will rise or fall over time, it is dangerous to reflect those views in your valuation. If you do so, your final valuation will be a joint result of your views on interest rates and your views on the company, with no easy way of deciphering the results of each effect.

DAMODARANs Schlussfolgerungen:

Conclusion
The risk free rate is the starting point for all expected return models. For an investment to be risk free, it has to meet two conditions. The first is that there can be no risk of default associated with  its cash flows. The second is that there can be no reinvestment risk in the investment. Using these criteria, the appropriate risk free rate to use to obtain expected returns should be a default-free (government) zero coupon rate that is matched up to when the cash flow or flows that are being discounted occur. In practice, however, it is usually appropriate to match up the duration of the risk free asset to the duration of the cash flows being analyzed. In corporate finance and valuation, this will lead us towards long-term government bond rates as risk free rates. In this paper, we considered three problem scenarios. The first is when there are no long-term, traded government bonds in a specific currency. We suggested either doing the valuation in a different currency or estimating the riskfree rate from forward markets or fundamentals. The second is when the long-term government bond rate has potential default risk embedded in it, in which case we argued that the riskfree rate in that currency has to be net of the default spread. The third is when the current long term riskfree rate seems too low or high, relative to historic norms. Without passing judgments on the efficacy of this view, we noted that it is better to separate our views about interest rates from our assessment of companies.

Der IDW S 1 i.d.F. 2008 gibt ein auschnittartiges Abbild der Problematik.


Für den objektivierten Unternehmenswert ist bei der Bestimmung des Basiszinssatzes von dem landesüblichen Zinssatz für eine (quasi-)risikofreie Kapitalmarktanlage auszugehen. Daher wird für den Basiszinssatz grundsätzlich auf die langfristig erzielbare Rendite öffentlicher Anleihen abgestellt. (Tz. 116)



Bei der Festlegung des Basiszinssatzes ist zu berücksichtigen, dass die Geldanlage im zu bewertenden Unternehmen mit einer fristadäquaten alternativen Geldanlage zu vergleichen ist, sodass der Basiszinssatz ein fristadäquater ZInssatz sein muss (Laufzeitäquivalenz). Sofern ein Unternehmen mit zeitlich unbegrenzter Lebensdauer bewertet wird, müsst daher als Basiszinssatz die am Bewertungsstichtag beobachtbare Rendite aus einer Anlage in zeitlich nicht begrenzte Anleihen der öffentlichen Hand herangezogen werden. In Ermangelung solcher Wertpapiere empfiehlt es sich, den Basiszins ausgehend von aktuellen Zinsstrukturkurven und zeitlich darüber hinausgehenden Prognosen abzuleiten. Bei Unternehmen mit einer zeitlich begrenzten Lebensdauer ist ein für diese Frist geltender Zinssatz heranzuziehen. (Tz 117)
Der Fachausschuss Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW e.V. (FAUB) empfiehlt zur Ableitung des Basiszinssatzes die folgende Vorgehensweise:


  1. Schätzung der Zerobond - Zinssätze nach der Svensson - Methode für 1 bis 30 Jahre.
  2. Ableitung eins barwertäquivalenten einheitlichen Basiszinssatzes.
  3. Zur Glättung von Marktschwankungen, Verwendung eines 3 - Monatszeitraums vor dem Bewertungsstichtag.
  4. Rundung auf 1/4%-Punkt.
 
Bei Unternehmensbewertungen für Zwecke der  Erbschafts- und Schenkungssteuern gilt:

Der Basiszins wird einmal jährlich auf Basis der Zinsstruktur (Bundeswertpapiere mit jährlicher Kuponzahlung und einer Restlaufzeit von 15 Jahren) des ersten Börsentages des Jahres durch das BMF vorgegeben. Der Basiszins ist für alle Bewertungsfälle des laufenden Jahres anzuwenden.

Per 04.01.2010 beträgt dieser Basiszins gem. § 203 Abs. 2 BewG 3,98 %.

Montag, 15. Februar 2010

Off With Their Heads



Simon Johnson:

WASHINGTON, DC – At last the Obama administration seems to be contemplating a decisive move against America’s banking elite. Following the recent electoral setback in Massachusetts the proposals laid down by former Federal Reserve chairman, Paul Volcker, to reduce the market power of the banks, are being dusted off. 

Until now it has been a very different story – essentially a victory for the big bankers since spring 2009, when some of the healthier ones were allowed to start paying back any funds they had drawn from the US treasury’s Troubled Asset Relief Program. That, in turn, allowed them to escape even the very weak special conditions that had been laid down by the government relating to bonuses and remuneration.



Copyright: Project Syndicate 2010

Donnerstag, 11. Februar 2010

Der "Marktpreis des Risikos" in der Unternehmensbewertung


In den als "marktwert" - orientiert benannten Bewertungsmodellen wird zur Ermittlung so genannter Eigenkapitalkosten (Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber) auf drei grundlegende Modelle zurückgegriffen:

  • Zuschlagsmethode,
  • Capital Asset Pricing Model (CAPM),
  • Fama - French Drei Faktoren - Modell.

Üblicherweise wird das CAPM herangezogen. Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für das zu bewertende Unternehmen ergibt sich dabei aus der Summe der Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen und einem Risikozuschlag, der sich aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Beta - Faktor ergibt. Rechnerisch ist die Marktrisikoprämie die Differenz aus der erwarteten Marktrendite und der Rendite "risikofreier" Anlagen.

Die Marktrisikoprämie wird auch als "Marktpreis des Risikos" oder "Marktrisiko" bezeichnet. Dieser Begriff verdeutlicht, dass es sich dabei um ein sytematisches Risiko handelt, das nicht "wegdiversifiziert" werden kann; dieses Risiko kann also nicht durch Wertpapiermischung beseitigt werden. Das Marktrisiko drückt die Sensibilität von erwarteten Renditen gegenüber allgemeinen, nicht vermeidbaren, Marktschwankungen aus.  Derartige Marktschwankungen können beispielsweise aus Veränderungen des globalen konjunkturellen Umfelds resultieren. Für zu bewertende Unternehmen, die nicht Bestandteil eines Portfolios sind, ist die Anwendung einer Marktrisikoprämie allerdings nicht zweckentsprechend.

In den Modellen zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten ist die Marktrisikoprämie, ebenso wie die Rendite "risikofreier" Kapitalanlagen, eine  als gegeben angenommene Schätzgröße. Die Renditeerwartung des Kapitalanlegers wird also allein durch den variablen Beta - Faktor bestimmt.

Generell gibt es zwei Wege, Marktrisikoprämien zu schätzen. Man kann historische Daten oder die Erwartungen des Marktes in Form impliziter Risikoprämien verwenden:
  • Wer historische Daten verwendet, folgt der Annahme, dass die Vergangenheitsdaten repräsentativ für die Erwartungen sind.
  • Wer Marktprojektionen verwendet, nimmt an, dass es zuverlässige Prognosemodelle gibt.
Die Verwendung historischer Daten ist umstritten. Diverse Untersuchungen nominaler Renditen führten zu folgenden Schätzungen der Marktrisikoprämie als geometrisches Mittel (Ballwieser: Unternehmensbewertung, Stuttgart 2004, S. 95):

Dimson/Marsh/Staunton  1900 - 2000  6,7 %
Conen/Väth 1949 - 1992  6,8 %
Bimberg 1954 - 1955  5,3 %
Stehle/Hartmond 1954 - 1988  4,6 %
Morawietz 1950 - 1992  4,4 %
Stehle 1969 - 1998  3,2 %
Baetge/Krause 1967 - 1991  2,65 %
Gielen 1960 - 1993  1,2 %

Bei der Betrachtung dieser Ergebnisse gewinnt man den Eindruck, dass die Schätzung der Marktrisikoprämie umso höher ausfällt, je weiter der Betrachtungszeitraum von der Gegenwart entfernt ist bzw. je länger er ist. 

Ob bei der Schätzung der Marktrisikoprämie das geometrische oder das arithmetische Mittel zu nehmen ist, wird kontrovers diskutiert. Es lässt sich zeigen, dass das arithmetische Mittel die Obergrenze für das geometrische Mittel ist. 

Für die Verwendung erwarteter Marktrisikoprämien spricht vor allem, dass sie im Rahmen der Unternehmensbewertung in Kalkulationszinssätze einfließen, mit denen künftige Zahlungsströme abgezinst werden. 

Aus der Sicht des Zukunftsbezogenheitsprinzips der Unternehmensbewertung ist die in der Praxis häufig anzutreffende Vermengung künftiger Zahlungsströme mit historischen Marktrisikoprämien konzeptionell unbefriedigend. Andererseits wird mit der Verwendung eines einzigen Eigenkapitalkostensatzes der laufzeitkongruenten Bewertung der einzelnen Zahlungsströme nicht Rechnung getragen. Benjamin RAUSCH hat in seiner 2007 als Dissertation angenommenen Arbeit mit dem Titel 

 


diese Probleme aufgegriffen. Er sucht darin nach Möglichkeiten, die Bestandteile der erwarteten periodenspezifischen Eigenkapitalkostensätze unter Beachtung des Zukunftsbezogenheitsprinzips ohne Verwendung historischer Renditen zukunftsorientiert zu schätzen. Seine Überlegungen leitet RAUSCH aus den Grundlagen der Unternehmensbewertung sowie der Preisbildung am Kapitalmarkt ab. Er kommt zu dem folgenden Ergebnis:

Aus theoretischer Sicht ist die zukunftsorientierte Schätzung der erwarteten Rendite des Marktportfolios aus dem Marktpreis eines Derivats auf den Marktindex unmöglich, da der Preis eines duplizierten zustandsabhängigen Zahlungsanspruchs auf einem arbitragefreien Kapitalmarkt nicht von der erwarteten Rendite des Marktindexes der Kapitalmarktteilnehmer abhängt. Daher muss die erwartete Rendite des Marktportfolios weiterhin mit Hilfe alternativer Verfahren geschätzt werden.

In der Bewertungspraxis wird meist eine Marktrisikoprämie von 5% - 6% verwendet.

Unabhängig von methodischen Diskussionen zur Schätzgröße bezeichnet Thomas HERING Renditeforderungen und ihre empirische Ermittlung aus guten Gründen als generell fragwürdig:

Im Zusammenhang mit der Spaltung des Kalkulationszinses ist auch der "schillernde" Begriff der "Eigenkapitalkosten" zu diskutieren. Ausschüttungen an die Eigenkapitalgeber sind nicht vertraglich festgelegt, sondern dispositionsabhängig und ergeben sich aus einem residualen Gewinnanspruch. Da Gewinngrößen nicht als Kosten ausgegeben werden sollten, ist das Wort Eigenkapitalkosten schon semantisch schlecht gewählt. Es dient aber auch ökonomisch betrachtet nicht gerade der Klarheit, das Eigenkapital rechentechnisch nur als eine teurere Variante des Fremdkapitals abzubilden, die in Höhe der "Renditeforderung" zu verzinsen sei. Eigenkapitalgeber sind nicht wie Gläubiger mit einem - wenn auch risikoadjustierten - Festzins "abzuspeisen", sondern streben nach Maximierung ihres Vermögens oder Einkommens, vielleicht auch des "Marktwerts". Die praxisübliche Vorgabe eines mit hohen Risikoprämien versehenen Schwellenwerts für die Eigenkapitalrendite steht aber (erst recht mangels eines geeigneten Mehrperioden - CAPM) in keinem modelltheoretisch nachweisbaren Zusammenhang mit dem zu optimierenden Konsumzahlungsstrom oder dem zu maximierenden Marktwert.