Donnerstag, 27. Mai 2010

Private Equity Barometer 1. Quartal 2010



Private Equity in der deutschen Wirtschaft, Jan. - März 2010 (Marktstatistik) mit Vorjahresvergleich:

 - in Millionen € - 1. Quartal 2010 1. Quartal 2009






Investitionsvolumen von Private Equity-Gesellschaften bei in Deutschland ansässigen Unternehmen


1.284,93 / 345

Unternehmen
300,60 / 314

Unternehmen

Finanzierungsphasen



early stage 85,74 / 205 79,47 / 174



later stage 46,44 / 68 34,43 / 35



growth 43,49 / 35 93,55 / 72



turn around 6,98 / 11 18,50 / 9



replacement capital 388,23 / 8 10,45 / 2



buy-out 714,05 / 18 64,20 / 22


Die Investitionen von Private Equity - Gesellschaften bei in Deutschland ansässigen Unternehmen sind im zweiten Quartal in Folge auf einem "normalen" Niveau (1. Qu. 2010: 1.285 Millionen €, 4. Qu. 2009: 1.258 Millionen €), nachdem die Investitionen im 1. Qu. 2009 (300 Millionen €) von der globalen Kredit- und Wirtschaftskrise geprägt waren.

Zu diesem Befund passt auch, dass die Totalverluste mit 28,61 Millionen € bei 57 Unternehmen im 1. Quartal 2010 erfreulich niedrig waren. Q1 2009: 78,72 Millionen € / 52 Unternehmen.

Allerdings gibt es zu denken, dass sich im 1. Quartal 2010 bei einem im Vergleich zum Vorjahresquartal mehr als vervierfachten Investitionsvolumen das Volumen der Wachstumsfinanzierungen halbiert hat. Der enorme Investitionszuwachs entfällt fast ausschließlich auf "replacement capital" und auf "buy-outs".




(Quelle: BVK e.V.)




Liquiditätsprobleme und Krisengewinnler im Private Equity - Markt?


Im Private Equity - Markt gibt es Anzeichen dafür, dass einzelne Investoren ihre Liquidität durch den Verkauf von (bereits geschlossenen) Private Equity - Fonds verbessern wollen bzw. müssen.

Das HANDELSBLATT berichtet:



Der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften sieht diese Entwicklung positiv:

Der Private Equity-Markt für Secondaries steht offenbar vor einem Aufwärtstrend. Von einem Secondary spricht man, wenn Anteile an einem Private Equity-Fonds an einen anderen Investor weiterverkauft werden.

Nach den vergangenen Jahren scheint die Trendwende im Secondary-Markt bevorzustehen. Entsprechend äußert sich Stephan Illenberger, Deutschlandchef der Beteiligungsgesellschaft Axa Private Equity, im Handelsblatt vom 26. Mai 2010. Er rechnet in den kommenden vier bis fünf Jahren mit zahlreichen Secondary-Transaktionen. Auch die Private Equity-Beratungsgesellschaft FHP erwartet im zweiten Halbjahr 2010, spätestens aber 2011, eine zunehmende Aktivität im Secondary-Markt. Als Ursache für diese Trendwende wird unter anderem angesehen, dass sich die Preiserwartungen von Verkäufern und Käufern angenähert haben. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 22,9 Mrd. $ für neue Secondary-Fonds eingesammelt.

Axa Private Equity ist bereits im Secondary-Markt aktiv, im April hat die Beteiligungsgesellschaft ein Portfolio im Wert von 1,9 Mrd. $ von der Bank of America Merrill Lynch erworben. Weitere Secondary-Engagements folgten: eines über rund 500 Mio. € der französischen Bank Natixis und ein kleineres der belgischen Großbank KBC.




The Flight to Quality



J. Bradford deLong:

BERKELEY – In late May, the yield to maturity of the 30-year United States Treasury bond was 4.07% per year – down a full half a percentage point since the start of the month. That means that a 30-year Treasury bond had jumped in price by more than 15%. So a marginal investor was willing to pay more than 15% more cash and more than 30% more equities for US Treasury bonds at the end of the month than at the beginning. This signals a remarkable shift in relative demand for high-quality and liquid financial assets – an extraordinary rise in market-wide excess demand for such assets.


J. Bradford DeLong, a former US Assistant Secretary of the Treasury, is Professor of Economics at the University of California at Berkeley and a Research Associate at the National Bureau for Economic Research.


Why does this matter? Because, as economist John Stuart Mill wrote in the first half of the nineteenth century, excess demand for cash (or for some broader range of high-quality and liquid assets) is excess supply of everything else. What economists three generations later were to call Walras’s Law is the principle that any market in which people are planning to buy more than is for sale must be counterbalanced by a market or markets in which people are planning to buy less.



Copyright: Project Syndicate 2010


s. auch:



Kredithürde zum fünften Mal in Folge gesunken

 
Im Dezember 2009 stuften noch 44,3 % der vom ifo Institut befragten Unternehmen die Kreditvergabe durch die Banken als restriktiv ein. Seitdem ist diese Kredithürde von Monat zu Monat gesunken.


Die Ergebnisse des ifo Konjunkturtests im Mai 2010:

Die Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands hat im Mai den fünften Monat in Folge abgenommen. Derzeit bewerten 35,6% der befragten Unternehmen die Kreditvergabe der Banken als restriktiv. Im Vormonat waren es 36,1%, so dass die Kredithürde im Mai um 0,5 Prozentpunkte gesunken ist. Die Entspannungstendenzen beim Kreditzugang für Unternehmen halten weiter an.

Im verarbeitenden Gewerbe ist die Kredithürde über alle Unternehmensgrößenklassen hinweg gefallen. Bei den großen Industriefirmen bewerten derzeit 41,3% der Befragungsteilnehmer die Kreditvergabepraxis der Banken als zurückhaltend. Das sind 2,1 Prozentpunkte weniger als im Vormonat. Im Bereich der mittelgroßen Unternehmen hat die Kredithürde um 1,7 Prozentpunkte auf 32,9% abgenommen. Bei den kleinen Unternehmen ist sie um 2,6 Prozentpunkte auf 35,9% gesunken.

Im Bauhauptgewerbe berichten die Unternehmen ebenfalls weniger häufig über schwierige Kreditverhandlungen. Aktuell bewerten hier 40,9% der Befragungsteilnehmer die Kreditvergabepolitik der Banken als restriktiv. Damit liegt die Kredithürde um 2,6 Prozentpunkte unter dem Vormonatswert. Einzig im Handel haben sich die Klagen über den Zugang zu Krediten vermehrt. Die Kredithürde ist bei den Handelsunternehmen um 1,8 Prozentpunkte auf 33,0% gestiegen.

Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München



 


Publikationen zur Kreditvergabe:

Abberger, Klaus, Christa Hainz und André Kunkel, "Kreditvergabepolitik der Banken: Warum leiden große Unternehmen besonders?", ifo Schnelldienst 63 (14), 2009, 32-34 ( Pressemitteilung / Download )

Kunkel, André und Klaus Abberger, "Unternehmen berichten über restriktivere Kreditvergabe der Banken", ifo Schnelldienst 62 (07), 2009, 30-32 ( Abstract )

Abberger, Klaus und Kunkel, André, "Unternehmen leiden kaum unter Finanzierungsschwierigkeiten durch die Finanzmarktkrise", ifo Schnelldienst 61 (09), 2008, 29-31 ( Abstract / Download


(Quelle: ifo Institut)



Mittwoch, 26. Mai 2010

Are the Barbarians at the EU Gates?



Daniel Gros:

BRUSSELS – The euro area confronts a fundamental crisis that attacks on financial speculators will do nothing to resolve. The European Council of Ministers had to promise hundreds of billions of euros to its financially imperiled member countries, even though the European economy as a whole is not really in crisis. On the contrary, most surveys and hard economic indicators point to a strong upswing, with the one country that is in really serious trouble, Greece, representing only 3% of the area’s GDP.


 
Daniel Gros is Director of the Centre for European Policy Studies


Nevertheless, the crisis poses an almost existential challenge to the European Union – and has required such huge sums – because it directly implicates the key underlying principle of European governance: the nature of the state. The case of Greece has raised the simple but profound question: can a member state of the EU be allowed to fail?



Copyright: Project Syndicate 2010

Dienstag, 25. Mai 2010

Ist die EWU ein optimaler Währungsraum?


So much of barbarism, however, still remains in the transactions of most civilized nations, that almost all independent countries choose to assert their nationality by having, to their own inconvenience and that of their neighbours, a peculiar corrency of their own.



(Mill, John Stuart.: Principles of Political Economy, 1848)

Warum können dann die Vereinigten Staaten trotz der beträchtlichen Unterschiede zwischen ihren 50 Bundesstaaten mit einer Einheitswährung funktionieren? Es gibt drei entscheidende wirtschaftliche Voraussetzungen – von denen keine in Europa gegeben ist – die es den verschiedenen US-Bundesstaaten ermöglichen, mit einer Einheitswährung auszukommen: Arbeitsmobilität, Lohnflexibilität und eine zentrale Finanzbehörde.

(Feldstein, Martin: Chronik einer prognostizierten Währungskrise, 25. Mai 2010)


Für eine grundlegende Beschäftigung mit der Frage nach den Voraussetzungen für ein stabiles europäisches Währungssystem dient










The End of Fiscal Sovereignty in Europe

Michael Spence:

MILAN – The late Milton Friedman said that a common currency – that is, a monetary union – cannot be sustained without a deep form of economic and political union. By this, he meant an open economy that ensures the free flow of goods, labor, and capital, together with a disciplined central fiscal authority and a strong central bank. The latter two are pillars of a strong currency. They work in tandem. But the other pieces are no less important.



Michael Spence, Professor Emeritus, Stanford University


The eurozone, currently wrestling with fiscal imbalance and sovereign debt risk, has a strong and autonomous central bank, but is fiscally fragmented and only partly unified politically.



Copyright: Project Syndicate 2010






Amerikanisches Quiz zur europäischen Schuldenkrise

Zum Lachen ... wenn es nicht so traurig wäre ...





Ein herzliches Dankeschön an die dieBörsenfrau für ihren Hinweis auf dieses Video.


Aktuelles zum Kreditgeschäft im EURO-Währungsgebiet

 
Im Auftrag der EZB wurde zwischen dem 15. März und dem 01. April 2010 eine Umfrage über den Zugang von Unternehmen im Euro - Währungsgebiet zu Finanzmitteln durchgeführt:
 
Insgesamt ist festzustellen, dass die Richtlinien für die Vergabe von Unternehmenskrediten den Ergebnissen zufolge per saldo genauso stark verschärft wurden wie im vorangegangenen Berichtszeitraum.
 
Kredite (inklusive Kreditlinien) an Unternehmen

Im ersten Quartal 2010 belief sich der prozentuale Saldo der Banken, die eine Verschärfung der Richtlinien für die Vergabe von Unternehmenskrediten (inklusive Kreditlinien) meldeten, unverändert auf 3 %. Dies entsprach weitgehend den Erwartungen aus der letzten Umfragerunde (4 %). Diese Gesamtentwicklung war über alle Unternehmensgrößen hinweg zu beobachten. Der prozentuale Saldo für die Kreditstandards ähnelte dem der vergangenen Umfragerunde; dabei wurden die Richtlinien für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in ähnlichem Maße verschärft (4 % wie bereits im Schlussquartal 2009) wie die Richtlinien für Kredite an Großunternehmen (3 % nach 4 % im Schlussquartal 2009).

Was die Faktoren betrifft, die wesentlich zur Verschärfung der Kreditrichtlinien beigetragen haben, so blieben die Beiträge branchen- oder firmenspezifischer Faktoren (21 %) sowie der allgemeinen Konjunkturaussichten (9 %) gegenüber dem letzten Vierteljahr 2009 im Großen und Ganzen unverändert, während die Werthaltigkeit der geforderten Sicherheiten weniger stark zu Buche schlug (4 % nach zuvor 12 %). Somit schwächte sich der im Jahr 2009 beobachtete Rückgang des Beitrags der Faktoren, die mit der Risikoeinschätzung der Kreditinstitute zusammenhängen, im ersten Quartal 2010 ab. Bei den bankenspezifischen Faktoren zeigte sich weiterhin ein uneinheitliches Bild. Die Eigenkapitalkosten der Banken wirkten erneut in Richtung einer Straffung der Richtlinien, wenngleich nicht ganz so stark wie zuvor (6 % nach 9 % im vierten Quartal 2009). Auch der Zugang der Banken zur Marktfinanzierung trug leicht zur Verschärfung bei, nachdem er in den zwei vorangegangenen Quartalen in Richtung einer Lockerung gewirkt hatte. Die Liquiditätsposition der Kreditinstitute trug - gestützt durch die geldpolitischen Sondermaßnahmen der EZB - erneut zu einer Lockerung der Kreditrichtlinien bei (- 6 % nach - 8 % im letzten Jahresviertel 2009).
 
Die per saldo gemeldete Verschärfung der preislichen und nichtpreislichen Konditionen für Unternehmenskredite nahm im ersten Quartal 2010 weiter ab. Diese Abnahme war breit angelegt und betraf alle Kategorien von Konditionen. Dabei wurden insbesondere die Zusatz- und Nebenvereinbarungen insgesamt weniger stark verschärft als zuvor (4 % verglichen mit 12 % im vierten Quartal 2009). Eine Betrachtung nach Unternehmensgröße ergibt, dass die Margen für durchschnittliche Kredite an Großunternehmen erstmals seit der Einführung dieser Aufgliederung im ersten Jahresviertel 2009 leicht gelockert wurden (- 1 % nach 6 % im vierten Quartal 2009), während die Verschärfung bei den Margen für Kredite an KMUs weitgehend unverändert blieb (8 % nach 7 % im Schlussquartal 2009).
 
Was die weitere Entwicklung betrifft, gehen die Banken im Euro - Währungsgebiet per saldo davon aus, dass die Verschärfung der Richtlinien für die Vergabe von Unternehmenskrediten im zweiten Quartal 2010 im Großen und Ganzen unverändert bleiben wird (2 %).

Kreditnachfrage

Die Nettonachfrage nach Unternehmenskrediten war im ersten Jahresviertel 2010 rückläufig (- 13 % nach - 8 % im Schlussquartal 2009). Somit scheint sich die allmähliche Erholung, die im ersten Quartal 2009 bei der Kreditnachfrage der Unternehmen eingesetzt hatte, im Berichtsquartal abgeschwächt zu haben. Die Nettonachfrage sank sowohl bei den KMU - Krediten (- 9 % nach - 4 %) als auch bei den Krediten an Großunternehmen (- 20 % nach - 18 %), war aber bei den großen Unternehmen nach wie vor insgesamt schwächer. Die verhaltenere Nettokreditnachfrage der Unternehmen schien vor allem mit dem geringeren positiven Beitrag der Umschuldungen (d.h. der Umgestaltung der Konditionen ausstehender Schulden der Unternehmen) zusammenzuhängen, der sich von 47 % im Schlussquartal 2009 auf 26 % verringerte, nachdem er zuvor auf ausgesprochen hohe Werte geklettert war. Auch die günstigen Marktbedingungen, die zu einer gewissen Substitution der Finanzierung über Kreditinstitute durch marktbasierte Fremdfinanzierungsmittel geführt haben, dämpften die Kreditnachfrage der Unternehmen; dies zeigt sich insbesondere im negativen Beitrag der Begebung von Schuldverschreibungen (- 10 % gegenüber - 13 % im letzten Jahresviertel 2009). Dagegen blieb der negative Beitrag der Anlageinvestitionen angesichts der verhaltenen Investitionsausgaben im Großen und Ganzen unverändert auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau (- 32 % nach - 34 % im viertel Quartal 2009), während der Beitrag des Finanzierungsbedarfs für Lagerhaltung und Betriebskapital erstmals seit dem dritten Quartal 2008 positiv ausfiel (3 % gegenüber - 1 % im Schlussquartal 2009).

Für die Zukunft bleiben die Erwartungen der Banken hinsichtlich der Entwicklung der Kreditnachfrage der Unternehmen relativ optimistisch. Von den befragten Kreditinstituten gehen 21 % (nach 16 % im Vorquartal) davon aus, dass sich die Nettonachfrage nach Unternehmenskrediten erholen und im zweiten Jahresviertel 2010 ins Positive kehren wird, und zwar - im Einklang mit der aktuellen Entwicklung der Kreditnachfrage - bei den KMUs stärker (+ 24 % im zweiten Quartal 2010) als bei den Großunternehmen.


(Quelle: Europäische Zentralbank, EUROSYSTEM, Monatsbericht Mai 2010)
 
 
 

Samstag, 22. Mai 2010

Barbaren vor den Toren der EU?



Daniel Gros:

BRÜSSEL – Die Eurozone sieht sich einer fundamentalen Krise gegenüber, zu deren Lösung die Attacken auf die Spekulanten nichts beitragen werden. Der Rat der Europäischen Union musste den finanziell angeschlagenen Mitgliedsländern hunderte Milliarden Euros in Aussicht stellen, obwohl die europäische Wirtschaft insgesamt überhaupt nicht in der Krise steckt. Im Gegenteil: Die meisten Umfragen und Wirtschaftsindikatoren weisen auf einen starken Aufschwung hin, wobei das eine Land, das sich wirklich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet – nämlich Griechenland -  lediglich für 3 % des BIP der Union verantwortlich ist.



Daniel Gros ist Direktor des "Centre for European Policy Studies"


Dennoch stellt die Krise die Europäische Union vor eine beinahe existenzielle Herausforderung – und erfordert auch enorme Summen, – weil sie das wichtigste Grundprinzip europäischen Regierens betrifft: das Wesen des Staates. Der Fall Griechenland hat die ebenso simple wie grundlegende Frage aufgeworfen: Kann man einen Mitgliedsstaat der EU pleite gehen lassen? 



Copyright: Project Syndicate 2010



Freitag, 21. Mai 2010

A Big Win Over the Lobbyists on Wall Street Reform



Video on May 20, 2010:




Eine pragmatische Auffassung vom Unternehmenswert



1966 veröffentlichte Siegfried VON WAHL seine bemerkenswerte Schrift "Die Bewertung von Bergwerks - Unternehmungen auf der Grundlage der Investitionsrechnung". In seiner Einleitung gibt Wahl einen guten Überblick über die damaligen Erkenntnisse zum Begriff des Wertes:

Wenn man die Zielsetzung dieser Arbeit betrachtet, muß man sich fragen, ob es richtig ist, die Problematik des Wertbegriffs überhaupt anzuschneiden. Denn es besteht kaum Aussicht darauf, auf wenigen Seiten - und mehr Raum steht hier nicht zur Verfügung - auch nur die gröbsten Umrisse des Wertphänomens herauszuarbeiten.

Die Schwierigkeiten liegen vor allem darin, daß Wert nicht ein Begriff ist, dessen Geltungsbereich sich auf die ökonomische Sphäre des menschlichen Seins beschränkt. Den Werten, mit denen sich die Wirtschaftswissenschaften vorrangig beschäftigen, stehen ethische, ästhetische, soziale usw. Werte gegenüber. Auch verwendet man den Ausdruck "Wert" ganz neutral zur Kennzeichnung einer Zahlengröße.


Wittmann hat untersucht, ob es möglich ist, einen "wirtschaftlichen Wert" von den Werten anderer Lebensbereiche abzusondern. Diesen könnte man dann, aufbauend auf den Funktionen eines solchen Begriffes innerhalb des wirtschaftlichen Bereiches, leichter definieren. Er kommt jedoch zu einem negativen Ergebnis: Obwohl Begriffe wie "wirtschaftlicher Wert" oder gar "betriebswirtschaftlicher Wert" von namhaften Autoren benutzt werden, ist die Definition eines solchen Wertes nicht möglich.


Entsprechend dem "kosmopolitischen" Charakter des Wertes sind die Wertanschauungen, mit denen sich die Betriebswirtschaftslehre befaßt, zum geringsten auf ihrem eigenen Boden gewachsen. Das ist erklärlich, weil die Betriebswirtschaftslehre, mindestens in ihren Anfängen, über kein eigenes theoretisches Fundament verfügte. Neben der Rechtswissenschaft ist es vor allem die Volkswirtschaftslehre gewesen, von der sie vieles für die Entwicklung einer eigenen Wert- oder Bewertungslehre übernommen hat.


In der Volkswirtschaftslehre hat die Wertdiskussion schon früh ein hohes theoretisches Niveau erreicht. Nach der auf Ricardo und Adam Smith zurückgehenden objektivistischen Werttheorie liegt der Wert eines Gutes in ihm selbst begründet. Wert ist Eigenschaft, qualitatives Merkmal, Eignung für einen objektiven Zweck. Im veränderten Gewand taucht dieser Grundgedanke auch in der Marxschen Produktionskostentheorie auf: Die Produktionskosten sind bestimmend für den Wert des Gutes, weil die Wertsumme der in die Produktion eingehenden Güter den Wert des produzierten Gegenstandes ausmacht. 


Dieser Auffassung vom Wesen des Wertes steht die subjektivistische Werttheorie gegenüber, die von der österreichischen Grenznutzenschule entwickelt wurde. Der Wert eines Gutes wird durch den Nutzen bestimmt, den es bei einem Wirtschaftssubjekt stiftet. Maßgeblich ist der Grenznutzen, d.h. der Nutzen der letzten Teilmenge eines Gutes. Er muß mindestens so groß sein wie der geschätzte Nutzenentgang (das Grenzopfer) in der nächstdringlichen Verwendungsart.


Die individuelle, subjektive Nutzenempfindung ist, für sich allein genommen, nicht meßbar. Erst durch das Zusammentreffen vieler ein Gut betreffender Nutzenschätzungen auf dem Markt kommt es zu einem Gleichgewichtssystem, das durch eine Objektivierung der individuellen Nutzenschätzungen gekennzeichnet ist. Aus den subjektiven Wurzeln des Wertempfindes entsteht ein System "objektiver" Preise. Der Tauschwert ist der objektive Wert der Volkswirtschaftslehre.


Die moderne Volkswirtschaftslehre widmet ihre Aufmerksamkeit den Preisen in ihrer Abhängigkeit von den marktbeeinflussenden Faktoren. Das Wertphänomen ist demgegenüber in seiner Bedeutung zurückgetreten.


Die Wertvorstellungen der Betriebswirtschaftslehre sind durch die volkswirtschaftlichen Werttheorien stark geprägt worden. Das geht auch aus der Übernahme der Begriffe "objektiv" und "subjektiv" hervor, die allerdings durch ihre Verpflanzung in ein anderes Milieu ihre ursprüngliche Bedeutung z.T. verloren haben oder doch außerordentlich vieldeutig geworden sind. Der Einfachheit halber sei weiterhin in einen objektiven und in einen subjektiven Zweig betriebswirtschaftlichen Wertdenkens unterschieden.


Die Vertreter des objektiven Wertes in der Betriebswirtschaftslehre leiten, ähnlich wie die letzte Gruppe ihrer volkswirtschaftlichen Vorgänger, den Wert der Güter von ihren Preisen ab. Man differenziert hier jedoch und spricht von einem "geschätzten Preis", einem "erwarteten Preis" usf., um klarzumachen, daß man keine Identitiät der Begriffe Wert und Preis wünscht. Eine solche Umschreibung des Wertes als abgeleiteter Preis kann jedoch die originäre Wertdefinition nicht ersetzen. Bewertungsprobleme entstehen ja gerade dort, wo keine Marktpreise vorliegen, und die Bewertungsaufgabe liegt darin, den "richtigen" Preis zu ermitteln. Engels weist daher mit Recht darauf hin, daß die Definition des Wertes als irgendwie gearteter Preis eine Tautologie darstellt.


Die subjektive Richtung der betriebswirtschaftlichen Wertlehre knüpft ebenfalls an den entsprechenden volkswirtschaftlichen Wertbegriff an. Der wichtigste Zweig dieser Richtung stellt den Beziehungscharakter des Wertes in den Vordergrund. Wert ist die Beziehung zwischen dem Objekt und dem wertenden Individuum. Jedoch können auch die vielfältigen Definitionen, die im Kern diesen Inhalt haben, nicht befriedigen, solange sie nicht den Weg zeigen, wie die subjektiven Wertvorstellungen in rechenbare Größen umgewandelt werden können. Man steht vor der gleichen Situation wie vorher die subjektivistische Wertlehre der Volkswirtschaft. Deren Ausweichen auf die "Objektivierung" im Marktpreis hatte das Problem der Nutzenquantifizierung nicht gelöst, sondern nur abgeschoben.


Wittmann kommt aufgrund einer eingehenden Analyse zu dem Schluß, daß es einen verbindlichen Wertbegriff in der Betriebswirtschaftslehre nicht geben könne, weil der Nutzen nicht quantifizierbar sei. Er geht bei dieser Behauptung von einer subjektiven Wertauffassung aus. In einem System subjektiven Wertempfindens hält Engels die These Wittmanns für gerechtfertigt. Er bestreitet jedoch, daß dieser Ausgangspunkt, also das subjektive Nutzenempfinden, für die Betriebswirtschaftslehre irgendwelche Bedeutung hätte. Indem er auch den "Wertobjektivismus" ablehnt, setzt er den bisherigen Werttheorien eine neue, die "gerundive" Werttheorie entgegen. Wert ist dabei das Maß an "Vorziehenswürdigkeit" von Handlungen oder Gegenständen. Diese Definition gilt immer in Verbindung mit einer Zielfunktion, die je nach Bewerter oder Bewertungsobjekt wechseln kann. Die "Vorziehenswürdigkeit" wird also dadurch festgelegt, daß das zu bewertende Objekt die Zielfunktion erfüllt. Wichtig ist auch, daß jedem Wertenden sein eigenes "Entscheidungsfeld" zukommt. Dieses mag durch bereits vorhandene Gegenstände, durch Rechtsvorschriften, durch persönliche Fähigkeiten oder sonstiges gekennzeichnet sein.


Engels dürfte mit dieser Theorie die Wertdiskussion aus dem unfruchtbaren Dialog der "subjektiven" und "objektiven" Vertreter betriebswirtschaftlichen Wertdenkens herausgeführt haben. Die älteren Auffassungen werden z.T. durch sein weitergespanntes System aufgesogen. So mag sich der Wert - Subjektivist durch die Darlegungen Engels bestätigt fühlen: Hängt doch der Wert einer Sache oder einer Handlung auch nach der gerundiven Werttheorie von den individuellen Gegenbenheiten der Person ab, für die der Wert ermittelt wird. Jedoch: "Jeder, der über diese Angaben verfügt, kann den Wert kalkulieren." Insofern ist der Wert objektiv, d.h. intersubjektiv nachprüfbar.


Die gerundive Werttheorie wurzelt auf dem Boden der Entscheidungstheorie. Daher hat sie weniger den Wert von Gegenständen als den Wert von Handlungen im Auge. Selbst die gegenständlichen Werte werden mit dem Auge des Handelnden gesehen, dessen also, der sich entscheiden soll, ob er z.B. den Gegenstand A zu einem Preis von X kaufen soll oder nicht. Diese dynamische Auffassung vom Wert scheint uns ein wesentlicher Fortschritt modernen Wertdenkens zu sein.


Es liegt nach unserer Auffassung auch kein Mangel darin, daß die Engelssche Wertdefinition keinen abgesonderten betriebswirtschaftlichen Wertbegriff beschreibt. In der Tat ist die "Vorziehenswürdigkeit" ein Wertmaßstab, der auch in anderen Bereichen Gültigkeit hat. Entgegen der allgemeinen Wertdefinition, wie sie Wittmann vorher versucht hatte, ist dem gerundiven Wert die Zielfunktion beigegeben, die die Wertermittlung in einen bestimmten Bereich verweist. Entscheidend bleibt, daß die Zielfunktion erfüllt werden kann, weniger wichtig ist es, wie ein solcher Wertbegriff einzuordnen ist.


Engels ist nicht zuzustimmen, wenn er behauptet, es könne nicht im Interesse der betriebswirtschaftlichen Wertlehre liegen, sich um das Problem der Quantifizierung des subjektiven Nutzenempfindens zu bemühen. Im Gegenteil erlangt diese Frage zunehmend an Bedeutung. Wenn man, wie es Engels mit seiner gerundiven Werttheorie tut, eine Zielfunktion für die Fixierung des Wertbegriffes fordert, muß man sich darüber klar sein, worin die Zielgröße bestehen soll. Gerade die moderne Entscheidungs- und Investitionstheorie zeichnet sich dadurch aus, daß ihre Zielfunktionen nicht nur auf die Maximierung von meßbaren Erfolgen ausgerichtet sind, sondern ausdrücklich in der subjektiven Sphäre liegende (psychologische) Faktoren einbeziehen wollen. Versteht man unter Nutzen einen Überbegriff, der Geldnutzen, Sicherheitsnutzen usf. einschließt, so muß die weitere Aufgabe der theoretischen Wertforschung darin liegen, die bisher in Geld nicht ausdrückbaren Faktoren des Gesamtnutzens meßbar und so weit wie möglich mit dem Geldnutzen gleichnamig zu machen.

(von Wahl, Siegfried: Die Bewertung von Bergwerks - Unternehmungen auf der Grundlage der Investitionsrechnung, Köln und Opladen 1966, S. 1-4)

s. auch:


Unternehmensbewertung in der Literatur Mitte des 20. Jahrhunderts

Die subjektive Wertlehre im Überblick

Wert und Preis des Unternehmens

Funktionale Unternehmensbewertung

 

 

Mittwoch, 19. Mai 2010

Das Ende der fiskalischen Souveränität in Europa

Michael Spence:

MAILAND – Der verstorbene Milton Friedman sagte, dass eine Gemeinschaftswährung – also eine Währungsunion – nicht ohne eine tiefe Form der wirtschaftlichen und politischen Union aufrechterhalten werden könne. Damit meinte er eine offene Wirtschaft, wo der freie Verkehr von Waren, Arbeit und Kapital  sowie eine disziplinierte zentrale Haushaltsbehörde und eine starke Zentralbank gewährleistet sind. Letztere zwei fungieren als Säulen einer starken Währung und arbeiten zusammen. Aber die anderen Faktoren sind nicht weniger wichtig.





Die Eurozone, wo man momentan mit haushaltspolitischen Ungleichgewichten und den Risiken der Staatsverschuldung kämpft, verfügt zwar über eine starke und unabhängige Zentralbank, ist aber haushaltspolitisch fragmentiert und nur zum Teil politisch integriert.



Copyright: Project Syndicate 2010
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

Unternehmenswert und Preis an einem Beispiel aus der Biotechnologie


Die bereits 1987 gegründete Life Technologies Corporation (NASDAQ: LIFE) möchte GeneArt, Regensburg, für rd. 60 Millionen €  kaufen. Dieser voraussichtliche Kaufpreis ist vor dem Hintergrund eines äußerst lebhaften Konzentrationsprozesses am globalen Labormarkt zu sehen. Die Frage nach einer Preisblase lässt sich nur in sehr groben Zügen beantworten:

Wert und Preis eines Unternehmens sind streng auseinander zu halten. Die eingangs genannten 60 Millionen € repräsentieren den mit der gegenwärtigen Marktkapitalisierung übereinstimmenden Preis für GeneArt. 

Bei einem Kapitalisierungszinsfuß von 6,25 % p.a. ("Risikofreie" Rendite: 3,55 % / Beta: 0,6/ Marktrisikoprämie: 4,5 %) und einer angenommenen "ewigen" Lebensdauer des Geschäftsmodells des Unternehmens impliziert dieser Kaufpreis durchschnittliche jährliche Zuflüsse an den neuen Unternehmenseigner in Höhe von rd. 4,0 Millionen €. Zum Vergleich: 2009 hat GeneArt einen Net Profit von 0,197 Millionen € (2008: 0,67 Millionen €) ausgewiesen.

Akzeptiert man derart optimistische Erwartungen, bleibt noch zu klären, wie lange das Geschäftsmodell der GeneArt "leben" muss, damit der Wert des Unternehmens mindestens dem Preis von 60 Millionen € entspricht - allerdings ist eine Transaktion nur sinnvoll, wenn der Käufer dem Unternehmen einen Wert beimisst, der über dem Preis liegt - :

Bei einer Lebensdauer von 50 Jahren beträgt der Unternehmenswert 59,07 Millionen €. Der darin enthaltene Barwert der Restwertphase beträgt 42,34 Millionen € = 71,67 % des Unternehmenswerts. Im Vergleich zum abgezinsten Restwert des "ewig" lebenden Unternehmens in Höhe von 44,48 Millionen € = 72,66 % des Unternehmenswerts schmilzt der Restwert also um 4,81 %. Diese Größe mag als vernachlässigbarer Fehler betrachtet werden.

Bei einer an den üblichen Patenlaufzeiten orientierten restlichen Lebensdauer von 20 Jahren errechnet man einen Unternehmenswert von 47,98 Millionen €, der einen Restwert in Höhe von 31,25 Millionen € enthält. In diesem Fall wäre GenArt um  mindestens 12,02 Millionen € zu hoch bewertet.

s. auch: 

Ewig Ärger mit ewiger Rente in der Unternehmensbewertung

 

FLIMMIT bei Innovation an der Spitze Europas


Die FLIMMIT GmbH gehört neben Mobilizy / Wikitude und Nabriva Therapeutics AG zu den drei österreichischen Unternehmen, die als

2010 RED HERRING TOP 100 EUROPE FINALISTS nominiert worden sind.

 
Einmal im Jahr verleiht das US - Magazin Red Herring den gleichnamigen Award an die zukunftsfähigsten Unternehmen Europas und der Welt. Auch Internetgrößen wie Google, Youtube oder Skype konnten diesen Preis schon entgegennehmen.

Dieser prestigeträchtige Preis bestätigt, dass FLIMMIT die Bewertungskriterien

  • finanzielle Stabilität,
  • Innovationskraft,
  • Qualität des Managements,
  • Realisierung geplanter Strategien und
  • Integration des Geschäftsmodells

in einem besonders hohen Maße erfüllt.

FLIMMIT ist ein Filmportal, das mehr als 500 Filme zum Download und Streamen anbietet. Neu ist die alles auf einen Blick liefernde Filmsuche, die zeitsparend ist. FLIMMIT stellt Verbindungen zwischen den Ergebnissen aus dem Internet her, bevor diese Information dem User angezeigt wird. Im April 2010 gab FLIMMIT eine Erweiterung seines Geschäftsmodells bekannt.




 


Dienstag, 18. Mai 2010

Ewig Ärger mit ewiger Rente in der Unternehmensbewertung


In der Praxis der Unternehmensbewertung hat die Phase der "ewigen Rente" bei dem üblichen Vorgehen ein deutlich höheres Gewicht für den Unternehmenswert als die Detailplanungsphase. Bei Unternehmen mit hohen Anlaufverlusten, wie sie beispielsweise in der Biotechnologie häufig anzutreffen sind, kann der Wert des Unternehmens am Ende des Detailplanungszeitraums sogar höher als der Unternehmenswert sein.

Zur Berechnung des Restwerts (Terminal Value) stehen in der Bewertungstheorie vor allem folgende Wertkonzepte zur Verfügung:

  • Liquidationswert des Unternehmens,
  • Reproduktionswert des Unternehmens,
  • Buchwert des Unternehmens,
  • Multiplikatorverfahren,
  • Zukunftserfolgswertverfahren.

In diesem Beitrag wird ausschließlich auf das in der Bewertungspraxis übliche Zukunftserfolgswertverfahren als einphasiges Modell ohne Wachstum eingegangen. Nach der Formel der nachschüssigen ewigen  Rente wird der Restwert (RW) des zu bewertenden Unternehmens am Ende des Detailplanungszeitraums aus dem Erwartungswert (E) der Zukunftserfolge (ZE) und dem Kalkulationszinsfuß (i) wie folgt ermittelt:




Bei einer vorschüssigen ewigen Rente erhöht sich der Restwert um den einmal zusätzlich sofort anfallenden Zukunftserfolg:



Bei Anwendung der in der Bewertungspraxis üblichen Formel für eine nachschüssige ewige Rente ergibt sich der Restwert des Unternehmens, indem die erwarteten gleichbleibenden jährlichen Zukunftserfolge (ZE) durch den ebenfalls gleichbleibenden Kalkulationszinsfuß i dividiert werden. 


In Teilen der Literatur zur Bewertungstheorie wird die Meinung vertreten, dass die Anwendung der Formel der ewigen Rente ohne Wachstum erhebliche Schwächen hat, weil die Wachstumschancen des Unternehmens nach Ablauf des Detailplanungszeitraums vollkommen unberücksichtigt bleiben (Dieser durchaus berechtigte Einwand wird in einem späteren Beitrag zur Berechnung des Restwerts eines Unternehmens diskutiert).

Neben dem hier dargestellten einphasigen Modell werden in der Literatur auch mehrphasige Modelle diskutiert, in denen Wachstumsraten der Zukunftserfolge im Restwertzeitraum nicht konstant sind, sondern sich im Zeitablauf verändern. Zweiphasige bzw. dreiphasige Modelle sowie Konvergenzmodelle werden innerhalb dieser Gruppe der mehrphasigen Modelle zur Berechnung des Restwerts zusammengefasst.  


Der Unternehmenswert setzt sich aus dem Barwert der in der Detailplanungsphase erwarteten Zukunftserfolge und dem ebenfalls auf den Bewertungsstichtag abgezinsten Restwert des Unternehmens zusammen. Die Detailplanungsphase ist umso kürzer, je größer die Unsicherheit ist. Der IDW Standard 1  (Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen) nennt einen "überschaubaren Zeitraum von drei bis fünf Jahren", für den einem Wirtschaftsprüfer zumeist hinreichend detaillierte Planungsrechnungen zur Verfügung stehen.


Finanzmathematisch hat die Restwert - Phase bei dem in der Praxis üblichen Vorgehen ein deutlich höheres Gewicht als die Detailplanungsphase. Dies wird an einem einfachen Beispiel deutlich:




Risikofreie Rendite (30J.) 3,76%
Beta-Faktor 0,50



Marktrisikoprämie 4,50%



Kapitalisierungszinsfuß 6,01%





Jahr 1 2 3 4 5 6





ff. Restlaufzeit
Erwartete Zukunftserfolge 100 100 100 100 100 100





Barwert Detailplanungsphase 421,12



26,43%



Barwert Restwertphase 1172,32



73,57%



Unternehmenswert 1593,44


















Bei einer auf zwei Jahre verkürzten Detailplanungsphase steigt der prozentuale Anteil des Restwerts sogar von 73,57 % auf 88,40 % des Unternehmenswerts:










Risikofreie Rendite (30J.) 3,76%
Beta-Faktor 0,50



Marktrisikoprämie 4,50%



Kapitalisierungszinsfuß 6,01%





Jahr 1 2 3



ff. Restlaufz.

Erwartete Zukunftserfolge 100 100 100






Barwert Detailplanungsphase 183,31



11,60%



Barwert Restwertphase 1396,64



88,40%



Unternehmenswert 1579,96

























Die implizit angenommene Lebensdauer des bewerteten Unternehmens ist unrealistisch lang

Wegen des hohen Anteils, den der Barwert der Restwertphase am Unternehmenswert hat, ist der Ermittlung des Restwerts besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die übliche Anwendung der Formel der ewigen Rente bedeutet nicht nur, dass von im Zeitablauf konstanten jährlichen Zukunftserfolgen und einem gleichbleibenden Kalkulationszinsfuß ausgegangen wird, sondern auch, dass implizit eine ewige Laufzeit des zu bewertenden Unternehmens angenommen wird.



















Wie lang diese "ewige" Lebensdauer des Unternehmens sein muss, um den nach der Formel der ewigen Rente ermittelten Restwert genau zu erreichen, lässt sich errechnen, indem man für das oben genannte Beispiel mit einer Detailplanungsphase von fünf Jahren die (diskrete) Barwertformel nach "n = Anzahl der Perioden" auflöst:

  • Bei einem Kapitalisierungszinsfuß von 6,01 % ist der Fehler zwischen ewiger Rente und der diskreten Ermittlung des Barwerts in der Restwertphase im Zeitpunkt t = 6 erst nach 172 Jahren Lebensdauer eliminiert (Fehler: 0,004 %).

  • Toleriert der Bewerter einen Fehler von rd. 5 %, beträgt die implizit angenommene Lebensdauer des bewerteten Unternehmens immer noch 51 Jahre (Fehler: 5,1 %).
Die implizit angenommene Lebensdauer wird umso kürzer, je höher der Kapitalisierungszinsfuß ist. Um mit der Lebensdauer des Unternehmens in einen realistischen Bereich von 30 Jahren zu gelangen, muss der Kapitalisierungszinsfuß aber rd. 40 % betragen (Fehler: 0,004 %). Bei einem tolerierten Fehler von 4,9 % liegt der Kapitalisierungszinsfuß bei 10,5 %. Der Kapitalisierungszinsfuß kann in seiner Höhe aber nicht willkürlich gewählt werden, sondern unterliegt einem ökonomisch sinnvollen Kalkül. In der funktionalen Unternehmensbewertung wird der Kapitalisierungszinsfuß im Basisprogramm ermittelt.

Ein Bewerter, der die Formel der ewigen Rente anwendet, vernachlässigt somit gezwungener Maßen ein "Abschmelzen" des Restwerts und infolgedessen des Unternehmenswerts, wenn zu erwarten ist, dass die Lebensdauer des Unternehmens eher  30 Jahre als 172 Jahre betragen wird:
  • Bei 30 Jahren Lebensdauer und einem Kapitalisierungszinsfuß von 6,01 % und fünfjähriger Detailplanungsphase  (gem. Beispiel) schmilzt der Barwert der Restwertphase um 17,4 % ab.
  • Bei 25 Jahren / 6,01 % schmilzt dieser Restwert um 23,2 %.
  • Bei 20 Jahren / 6,01 % ist der Restwert 31,1 % niedriger.
  • Bei 10 Jahren / 6,01 % beträgt die Abschmelzung 55,8 %.

Bei einer unkritischen Anwendung der Formel der "ewigen Rente" nimmt der Bewerter somit erhebliche Überbewertungen in Kauf.

Bei der Betrachtung der "Lebensdauer" eines Unternehmens ist auch zu beachten, dass zum Bewertungsstichtag im Grunde die relativen Wettbewerbsvorteile des Unternehmens bewertet werden. Erfahrungsgemäß fällt das Unternehmen jedoch innerhalb weniger Jahre aus diesem Geschäftsmodell heraus, wodurch die zum Bewertungsstichtag getroffenen Annahmen hinfällig werden.

Zur Überlebensfähigkeit von Unternehmen bzw. von Geschäftsmodellen

Empirische Untersuchungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), Bonn, haben ergeben, dass Familienunternehmen - mehr als 90 % der in Deutschland tätigen Unternehmen fallen in diese Kategorie - eine Lebensdauer von durchschnittlich 24 Jahren haben.

Wichtiger als dieser empirische Befund ist aber die Frage nach den Ursachen des Scheiterns von Unternehmen und welche Schlussfolgerungen für die Einschätzung der Überlebensfähigkeit von Unternehmen daraus zu ziehen sind. Im diesem Zusammenhang interessiert auch die Güte von Modellen zur Analyse der Überlebensfähigkeit von Unternehmen. Diesen Themenkreis hat Ludger HINNERS - TOBRÄGEL in seiner 1998 vorgelegten Dissertation "Zur Analyse der Überlebensfähigkeit von Unternehmen" bearbeitet. Darin wird ein stochastisches Betriebsentwicklungsmodell entworfen. Mit Hilfe dieses Simulationsmodells werden Einflussfaktoren auf die Überlebenswahrscheinlichkeit untersucht, nämlich vorsichtige Wachstumsstrategien und verschiedene Faktorausstattungen. Entgegen der herrschenden Theorie konnte in den Simulationen beobachtet werden, dass bereits einfache Diversifikationen oder Risikoabschläge die Insolvenzhäufigkeit in bestimmten Situationen deutlich senken. Große Unternehmen erweisen sich auch bei expansiver Investitionspolitik als weniger gefährdet als kleine. Dieses Ergebnis wird unter konstanten terms of trade erzielt: schlechtere Austauschbeziehungen sind also keine Voraussetzung für eine empirisch häufig zu beobachtende größere Ruinrate kleiner Unternehmen.

Zur Beurteilung der Überlebensfähigkeit von Geschäftsmodellen kann die Forschung im Bereich des Konvergenzmanagements hilfreich sein, z.B.

  • Entwicklung von konvergenzorientierten Planungsinstrumenten zur strategischen Unternehmensführung und -steuerung.
  • Kausalanalytische Ermittlung der konvergenzorientierten Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung und -steuerung.
  • Entwicklung konvergenzorientierter Geschäftsmodelle.
  • Entwicklung von Planungsinstrumenten für das Innovationsmanagement in konvergierenden Märkten.
  • Gestaltung einer effektiven und effizienten Organisation vor dem Hintergrund der Konvergenz.
  • Entwicklung von konvergenzinduzierten Produktionsfunktionen.
Lösungsansätze
Es ist klar, dass die impliziten Annahmen zur Anwendung der üblichen Berechnungsmethode für den Restwert eines Unternehmens in der Realität in der Regel nicht erfüllt werden.
Volker FRÜHLING schlägt in seiner Abhandlung "Unternehmensbewertung und ewige Rente" (Finanzbetrieb vom 14.04.2009, Heft 4, Seite 200-203) folgende Lösungen vor:
  • Die Erfassung der Abschmelzung könnte mathematisch über den Erwartungswert erfolgen: "Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen eine bestimmte Laufzeit erreicht?" Man kann hierzu den gesamten Markt betrachten oder Klassen von Unternehmen. Wenn man davon ausgehen möchte, dass z.B. der Erwartungswert für die Abschmelzung von kleineren oder jüngeren Unternehmen höher einzuschätzen ist als bei Unternehmen, die seit Jahren als am Markt etabliert gelten, so muss sich auch dieser Sachverhalt im Erwartungswert ausdrücken lassen. Hierzu sind u.E. umfangreiche empirische Untersuchungen erforderlich, um hinreichend robuste Erkenntnisse über eine plausible Verteilungskurve der durchschnittlichen Lebensdauer von Unternehmen zu gewinnen.
  • Eine Alternative könnte davon ausgehen, dass vergleichbar dem in der LIteratur diskutierten Wachstumsfaktor ein Abschmelzungsfaktor einbezogen wird.
  • Eine weitere Überlegung könnte davon ausgehen, dass die Abschmelzungsrate mit den Jahren sinkt. Wir wissen aus eigener Anschauung, dass nur ein relativ geringer Teil von kleinen Unternehmen die ersten 5 Jahre überlebt. Die nächsten Hürden im Leben eines Unternehmens sind dann u.a. strukturelle und finanzielle Erfordernisse, die überwunden werden müssen, um das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens sicherstellen zu können.
  • Als beste Lösung ist die empirische Ermittlung einer Verteilung der durchschnittlichen Lebensdauer von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Größe, gemessan am Umsatz.