The Value of a firm is a function of its future income, and its future income is a function of its investment.
Diese These stellt Myron J. GORDON im Jahre 1962 als Zusammenfassung der klassischen Lehre von der Unternehmensbewertung an die Spitze seines Werkes über dieses Thema. Er spricht damit den Zusammenhang zwischen Unternehmenssubstanz, Zahlungsüberschüssen und Unternehmenswert an. Gordon vertritt also die Auffassung, dass der Erfolg eines Unternehmens eine Funktion seiner Substanz ist; wobei mit Substanz die Summe aus materiellen und immateriellen Werten verstanden wird, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen.
Auf Basis dieser These kommt Karl KÄFER in seiner sehr ausführlichen Abhandlung Substanz und Ertrag bei der Unternehmensbewertung, die 1969 veröffentlicht wurde, zu weit in die Zukunft weisenden Schlussfolgerungen:
Beim Versuch, den Voll - Substanzwert aufzubauen, spielen für manche Bestände wieder die Reproduktions- und Ersatzkosten eine wichtige Rolle (ebenso natürlich bei der Abschätzung des Zukunftserfolges). Ihr Wettbewerb mit dem Ertragswert ist ein Ausfluß der alten Kontroverse, wie weit Wert und Preis durch Nutzen und/oder Kosten bestimmt werden. Die bei der Kapitalisierung vereinigten Renten bilden ein Kapital, das im Sinne einer Alternativinvestition als Ersatz aufgefaßt werden kann für den Erwerb der speziellen Mittel zur Erlangung dieser Erträge.
Umgekehrt gesehen sind in der Substanz bereits alle Zukunftsentwicklungen im Kern enthalten. Was für die physische Welt gilt, gilt nicht minder auch hier: Selbst wenn man alle Gesetze der Wirtschaft und die Kausalzusammenhänge mit der auf sie einwirkenden Außenwelt bis ins letzte entdeckt und in Formeln gekleidet hätte, so wäre mit diesem vollständigen Instrumentarium zur Voraussage der künftigen Abläufe erst die Hälfte gewonnen; die Voraussetzung zur Anwendung dieser Gesetze wäre die ebenso genaue Kenntnis der Lage der wirtschaftlichen Welt und im besonderen der zu bewertenden Unternehmung am Stichtag bezüglich Art, Größe und momentaner Bewegungsrichtung aller einzeln und zusammen wirkenden, in die Formeln eingehenden Elemente. Sein und Werden, der jetzige Zustand und alle künftigen Vorgänge, sind unter sich und mit den sich neu entfaltenden Tatbeständen unauflöslich verbunden.
KÄFER spricht damit die totale Interdependenz der "Lebens- und Wirkwelt" eines Unternehmens an, die nicht beinflussbar ist und in ihrer Komplexität nicht verstanden werden kann.
Er fährt fort:
Von einer derartigen Kenntnis ist der heutige Wissenschaftler wie der Unternehmensbewerter weit entfernt. Die namentlich aus Gerichtsverhandlungen bekanntgewordenen Schätzungen von allerdings nicht immer klar definierten Unternehmungswerten durch verschiedene Sachverständige weichen oft stark, gelegentlich um ein Mehrfaches voneinander ab. Diese Tatsache macht es wünschbar, die gesuchte Größe, wie in den Naturwissenschaften, auf verschiedenen Wegen zu ermitteln. Daß das primäre, grundsätzlich allein korrekte Verfahren in der Schätzung des Ertragswertes bestehen muß, bleibt sichere Erkenntnis. Die vorstehenden Untersuchungen haben aber gezeigt, daß eine vollständige Zusammenfassung und Bewertung der Reinvermögensbestände grundsätzlich zum gleichen Resultat gelangen müßte. Ein logischer Widerspruch zwischen den beiden, im hier angedeuteten Sinn angewandten Verfahren besteht nicht. Die Ermittlung eines angenäherten Voll - Substanzwertes, soweit nötig aus den Reproduktionskosten, führt zwar nicht genau zum Ziel, hat aber den Vorteil, daß sich zwei Fehler kompensieren, wenn auch in unbekanntem Maße: Jener Substanzwert ist einerseits nicht vollständig, andererseits bedeutet der Reproduktions- und Ersatzkostenwert eine obere Wertgrenze, die am Stichtag kaum je ganz erreicht wird. Die Ableitung des Unternehmungswertes aus geeignet definierten und berechneten Ertrags-und Substanzwerten ist also nicht sinnlos, sondern nach den vorstehenden Erwägungen auch heute noch das wohl am wenigsten unsichere Verfahren.
KÄFER verlangt demnach nichts anderes als eine Plausibilisierung des vom Bewerter festgestellten Ertragswertes mit Hilfe der Substanzwertes. Hervorzuheben ist, dass er vom Voll - Substanzwert spricht; dies ist die Summe aus materiellen und immateriellen Vermögensteilen. Immaterielle Werte sind jedoch grundstätzlich nicht reproduzierbar, man denke nur an das Wissen und die Beziehungsnetze der Mitarbeiter eines Unternehmens (Sozialkapital). Reproduzierbar sind allein die materiellen Vermögensbestandteile. Der Substanzwert als (Teil-) Reproduktionswert ist als Untergrenze des Unternehmenswertes zu betrachten.
Die Bedeutung immaterieller Werte für die Unternehmensbewertung steht außer Frage. Darauf hat Wolf F. Fischer - Winkelmann kürzlich eindringlich hingewiesen (Grundstäze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Ausgabe Juli / August 2009, S. 355):
Wenn sich beispielsweise herausstellt, daß qualitative Informationen nahezu die gleiche Bedeutung wie quantitative Informationen für die Käufer haben, die bisher vorgelegten Bewertungskalküle der Unternehmensbewertungslehre dagegen rein quantitativen Charakters sind und keinerlei Integrations- "Vorschriften" für qualitative Informationen enthalten, dann belegt dies schlagend, wie weit sich die Unternehmensbewertungslehre (auch heute noch!) von der Praxis entfernt bewegt.
Bis heute stehen der Bewertungstheorie jedoch keine brauchbaren Methoden zur direkten Messung bzw. Bewertung immaterieller Werte zur Verfügung. Lägen derartige Methoden vor, wäre ein Bewerter dazu in der Lage, einen Voll - Substanzwert zu ermitteln. Dieser Voll - Substanzwert würde in der Tat die Obergrenze des Unternehmenswertes bilden.
Diese These beruht auf der eingangs genannten Erkenntnis, wonach der Erfolg eines Unternehmens eine Funktion seiner Voll - Substanz ist. Diese in den 1960er Jahren erlangte Erkenntnis ist heute u.a. als ressourcenbasierter Ansatz der Entrepreneurshipforschung bekannt.
Karl Käfer schließt seine wegweisende Abhandlung in einer ungewohnt lyrischen Sprache:
Die Unternehmung ist ein in tausend Gestalten erscheinendes Gebilde des Lebens, wandelbar und unerschöpflich, das von manchen Gesichtspunkten aus betrachtet und auch bewertet werden kann. Jedesmal sind verschiedene Grundsätze zu beachten, Verfahren zu verwenden und Ergebnisse zu erwarten. Die versuchte Klärung der hier herausgegriffenen Probleme - ganz abgesehen von den offengelassenen Lücken - sowie die erreichten Resultate können deshalb nur unter den eingangs festgelegten Grundbedingungen Gültigkeit beanspruchen. Mögen diese Ausführungen dennoch für Hans Münstermann einen Schritt der Nachfolge bedeuten auf dem Weg zu seinem Ziel, das er im Vorwort seines Werkes "Wert und Bewertung der Unternehmung" formuliert hat, und damit auch seinem Vorbild "dazu beitragen, die Lehre von der Bewertung ganzer Unternehmungen aus ihrer augenblicklichen Stagnation zu befreien und sie auf Grundsatzfragen hinzulenken".
(Karl Käfer: Substanz und Ertrag bei der Unternehmensbewertung, in: Festschrift Münstermann, Wiesbaden 1969, S. 295-357)
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